Pharmazeutische Zeitung online
Asthma-Therapie 2021

Inhalative Corticoide für (fast) alle

Die Asthma-Therapie hat sich mit der 2020 aktualisierten Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) deutlich gewandelt. Welche substanziellen Änderungen es in Therapiestufe 1 und 2 gab und wann Biologika eingesetzt werden, erklärte Apotheker Dr. Eric Martin beim Pharmacon@home.
Brigitte M. Gensthaler
05.06.2021  10:00 Uhr

Asthmapatienten nehmen ihre Erkrankung in erster Linie anhand der Symptome wie Atemnot und Brustenge wahr. Mit kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetika (SABA) als Akutmedikation lassen sich diese gut behandeln. »Dies führt allerdings vielfach zur Non-Adhärenz gegenüber inhalativen Corticosteroiden, kurz ICS, denn diese haben keine spürbare Akutwirkung«, erklärte Martin, Apothekenleiter in Marktheidenfeld.

Mit schlimmen Folgen: Da SABA die Atemwegsentzündung nicht beeinflussen, kommt es langfristig zum Remodeling der Atemwege, sodass die Obstruktion nicht mehr reversibel ist. Jedoch bewirkt die dauerhafte Kontrolle der chronischen Entzündung in der Folge auch eine Symptomkontrolle. »Corticoide sind unverzichtbar.«

Als Kernelement der Asthma-NVL, die mittlerweile in der vierten Auflage vorliegt, bezeichnete Martin den Therapiestufenplan. »Den müssen wir von der Mitte her lesen.« Denn bei bisher unbehandelten Patienten mit teilweise kontrolliertem Asthma beginne man auf Stufe 2, bei unkontrolliertem Asthma auf Stufe 3. Ziel sei es, die Erkrankung rasch zu kontrollieren, bevor es zur Eskalation kommt. »Es geht um eine angemessen aggressive, rasch kontrollierende Initialtherapie und nicht um ein langsames Aufdosieren.« Es sei falsch, bei Stufe 1 einzusteigen. Gelingt die Kontrolle dauerhaft über mindestens drei Monate, könne der Arzt eine Therapiereduktion erwägen.

Mitunter bekommen Patienten häufig und viel das kurzwirksame Salbutamol verordnet. »Eine stete schleichende Steigerung des SABA-Bedarfs zeigt, dass etwas aus dem Ruder läuft«, erklärte Martin in der Diskussion. Die reichliche Verwendung von SABA sei immer ein Hinweis auf eine falsche Therapie – vor allem, wenn eine antientzündliche Langzeitmedikation fehlt. »Diesen Therapiefehler haben wir in der Vergangenheit viel zu oft und zu lange gemacht.« Apotheker sollten darauf hinweisen.

Corticoide schon zu Beginn

»Die wichtigste Änderung im Stufenplan betrifft die Stufen 1 und 2«, so Martin. Anders als früher bekommen nicht mehr alle Asthmapatienten ein SABA als Reliever. In Stufe 1 wird als Bedarfstherapie die Fixkombination von ICS niedrig dosiert plus Formoterol (off Label) oder SABA gegeben. In Stufe 2 werden niedrig dosierte ICS als Langzeittherapie mit SABA bei Bedarf ergänzt oder die ICS-niedrig-dosiert-Formoterol-Fixkombination als Bedarfstherapie (off Label) eingesetzt. »Das ist keine Übertherapie«, betonte Martin, der an der Leitlinie mitgearbeitet hat. Ein wichtiger Gedanke sei, der ICS-Non-Adhärenz von Anfang an zu begegnen.

Auf Stufe 3 wird dann eine Fixkombination von ICS niedrig dosiert mit lang wirksamem Betamimetikum (LABA) oder aber ICS in mittlerer Dosierung gegeben. Bei Asthma dürften LABA und LAMA (langwirksame M-Cholinorezeptorenblocker) nicht als Monotherapie verordnet werden, da sie die Symptome lindern, ohne die Entzündung zu behandeln, betonte der Referent. Ab Stufe 4 wird die ICS-Dosis eskaliert.

Wann kommen Biologika?

Biologika sind ausnahmslos der Stufe 5 vorbehalten, also Patienten mit schwerem Asthma. Nur wenn alle inhalativen Optionen (ICS in Höchstdosis plus LABA plus LAMA) über drei Monate nicht zur Kontrolle führen, kann ein mit schwerem Asthma erfahrener Pneumologe die Therapie mit einem monoklonalen Antikörper initiieren. Hier stehen mehrere Wirkstoffe zur Verfügung: Omalizumab, Mepolizumab und Reslizumab, Benralizumab und Dupilumab.

»Orale Corticosteroide (OCS) wurden ausdrücklich als nachrangige Reserve zurückgestuft«, betonte der Referent. Das sei eine politische Entscheidung, um Ärzten den Druck zu nehmen, OCS aus Kostengründen anstelle von Biologika zu verordnen. »Dies betrifft aber nicht den kurzzeitigen Einsatz oraler Steroide bei Exazerbationen.« Hier werden OCS hochdosiert gegeben. »Nach fünf- bis siebentägiger Therapie kann man abrupt absetzen und soll nicht ausschleichen. Das gilt auch bei Dosierungen über der Cushing-Schwelle«, informierte Martin.

Was können Asthmapatienten ergänzend tun? Martin gab klare Antworten: »Sie brauchen kein Mukolytikum. Probiotika, Homöopathie und andere komplementäre Formen spielen ebenfalls keine Rolle, denn es gibt ein schlüssiges Therapiekonzept und eine gute Leitlinie.« Keinesfalls dürften sie die etablierte Therapie und wichtige Begleitmaßnahmen vernachlässigen. Dazu gehört unbedingt, mit dem Rauchen aufzuhören und Triggerfaktoren zu vermeiden.

Mehr von Avoxa