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Impfungen

Individueller und gemeinschaftlicher Nutzen

Lässt sich jemand impfen, schützt das nicht nur den Impfling; auch der Rest der Bevölkerung profitiert. Professor Dr. Thomas Weinke vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam ging passend zum Motto des Pharmacon-Kongresses 2023 auf Impfungen für junge und alte Menschen ein.
Sven Siebenand
18.01.2023  15:00 Uhr

Während der Impfgedanke hinsichtlich des Schutzes von Kindern und Säuglingen in der Bevölkerung längst angekommen ist, sind die Durchimpfungsraten bei älteren Menschen noch nicht da, wo sie sein sollten. Darauf wies Weinke zu Beginn seines Vortrags hin. Im Alter zwischen 60 und 67 Jahren seien beispielsweise nur 15 bis 20 Prozent der Menschen in Deutschland gegen Pneumokokken geimpft. Noch viel Luft nach oben also, denn Erwachsene sollten als Standard-Impfung ab dem Alter von 60 Jahren mit einem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff immunisiert werden.

Bereits ab dem Erwachsenenalter sollten Personen mit angeborenem oder erworbenem Immundefekt beziehungsweise Immunsuppression sequenziell erst den 13-valenten Konjugat-Impfstoff und einige Monate später noch den 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff erhalten. Personen unter 60 Jahren mit anderen chronischen Erkrankungen, etwa Diabetes mellitus, bekommen laut Weinke wiederum nur den 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff. Ziel der Impfung sei es, das Risiko für eine invasive Pneumokokken-Pneumonie zu senken. Im Vergleich zu gesunden Menschen ist das Risiko dafür zum Beispiel bei Vorliegen eines Diabetes mellitus um den Faktor 3 erhöht.

Die Pneumokokken-Impfung ist auch im frühen Lebensalter empfohlen und wichtig. Routinemäßig sollen Säuglinge im Alter von zwei, vier und elf bis 14 Monaten mit einem Konjugat-Impfstoff geschützt werden. Wie der Infektiologe erklärte, stellt die Säuglings-Impfung die Basis für die Erwachsenen-Impfung dar. Durch das geringere Vorhandensein der 13 Serotypen in der gesamten Population wird bei Immunkompetenten die alleinige Gabe des Polysaccharid-Impfstoffs als ausreichend betrachtet. Dieser habe im Gegensatz zum Konjugat-Impfstoff aber selbst keinen Einfluss auf die nasopharyngeale Kolonisation mit Pneumokokken.

Vor Windpocken und Gürtelrose schützen

Dass Impfungen etwas bringen, zeigt auch das Beispiel Varicella-Zoster-Impfung. Vor der Einführung einer allgemeinen Impfempfehlung im Jahr 2004 waren pro Jahr rund 750.000 Windpocken-Fälle in Deutschland zu verzeichnen. Nun wird bei den Kleinen seit vielen Jahren erfolgreich dagegen geimpft. Die erste Impfung findet im Alter von elf Monaten, die zweite mit 15 Monaten statt. »Die Krankheitslast konnte durch diese Maßnahme um 90 bis 95 Prozent reduziert werden«, so Weinke.

Das Windpocken-Virus verbleibt lebenslang im Körper, persistiert in Nervenganglien und kann später im Leben reaktiviert werden und zu einem Herpes zoster führen. Dem Referenten zufolge erkrankt rund jeder dritte Mensch im Laufe des Lebens an der sogenannten Gürtelrose. Bei 10 bis 20 Prozent der Erkrankten entwickle sich eine schmerzhafte postherpetische Neuralgie.

Warum kommt es im Alter zur Reaktivierung der Viren? Immunseneszenz ist sicher ein wichtiger Faktor. Aber auch psychischer Stress, das häufigere Vorhandensein von Komorbiditäten im Alter oder eine immunsuppressive Therapie können Auslöser einer Gürtelrose sein.

Die Zoster-Impfung wird als Standard-Impfung allen Personen über 60 Jahren empfohlen. Zudem sollen alle Über-50-Jährigen sie erhalten, wenn eine chronische Grunderkrankung vorliegt. Durch die Adjuvantierung macht die Vakzine leider sehr häufig lokale und systemische Nebenwirkungen. Darauf sollte man die Impflinge vorbereiten und dennoch auf die Notwendigkeit einer zweiten Impfung im Abstand von zwei bis sechs Monaten nach der Erstimpfung hinweisen. Nur dann wird die hohe Effektivität dieser Impfung, die bei mehr als 95 Prozent liegt, auch erreicht.

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