Interferon-freie Regime sind Standard |
07.03.2018 10:55 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe / Die Therapie von Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Infektion hat sich in den vergangenen vier Jahren drastisch gewandelt. Interferon ist nicht mehr erforderlich und Ribavirin wird nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt. Mit den zur Verfügung stehenden hocheffektiven direkt antiviral wirksamen Agenzien (DAA) können heute fast alle Patienten geheilt werden.
Die aktualisierte S3-Leitlinie »Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion« berücksichtigt die deutlich erweiterten Therapieoptionen bei der Behandlung der wichtigen Infektionskrankheit. Sie bespricht bis auf wenige Ausnahmen nur noch Interferon-freie DAA-Therapien. Auch Ribavirin (RBV) spielt wegen des erhöhten Nebenwirkungspotenzials nur noch eine untergeordnete Rolle. Aus der Klasse der Protease-Inhibitoren sind mittlerweile nur noch Glecaprevir, Grazoprevir, Simeprevir und Voxilaprevir verfügbar, wobei Simeprevir aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr eingesetzt wird. Gleiches gilt für den NS5A-Inhibitor Daclatasvir. Alternativ stehen aus dieser Wirkstoffgruppe Elbasvir, Ledipasvir, Pibrentasvir und Velpatasvir zur Verfügung. Nachdem der NS5B-Inhibitor Dasabuvir vom Markt genommen wurde, ist nun Sofosbuvir der einzige Vertreter dieser Klasse.
Bei Hepatitis-C-Viren (hier unter dem Transmissions- Elektronenmikroskop) bestimmt der Genotyp die Therapieauswahl.
Foto: Okapia/James Cavallini
Regime je nach Genotyp
Für die Behandlung mit DAA ist der Nachweis einer chronischen, das heißt über mindestens sechs Monate bestehenden Infektion erforderlich. Zur Ersttherapie wird Interferon nicht mehr empfohlen, auch nicht bei Leberzirrhose. Des Weiteren sollte bei bekannter Ribavirin-Intoleranz oder vorhersehbaren erheblichen Nebenwirkungen bei gleicher Wirksamkeit eine Ribavirin-freie Therapie bevorzugt werden. Nachfolgend empfiehlt die Leitlinie je nach Genotyp und Zirrhose-Status unterschiedliche Regime, wobei hier ausschließlich die Handlungsempfehlungen für Patienten ohne Zirrhose dargestellt werden. Für Patienten mit HCV-Genotyp-1-Infektion stehen folgende Regime zur Auswahl:
Alle Therapien erreichen Heilungsraten größer als 90 Prozent. Da derzeit keine Head-to-Head-Studien existieren, ist die Effektivität der Wirkstoffe für den Genotyp 1 zunächst als gleichwertig zu betrachten. Daher sollten zur Differenzierung zusätzliche Aspekte wie Therapiedauer, Menge der Tabletten und der Preis herangezogen werden.
Auch für Patienten mit einer HCV-Genotyp-2-Infektion stehen mehrere Optionen zur Verfügung:
Epclusa über zwölf Wochen stellt unabhängig vom Vortherapie-Status und dem Zirrhose-Status die Standardtherapie für Patienten mit einer HCV-Genotyp-2-Infektion dar. In großen Zulassungsstudien erzielte die Kombination ein anhaltendes virologisches Ansprechen (SVR) von bis zu 100 Prozent. Zudem ist die Therapie ist gut verträglich, da RBV in der Kombination fehlt. Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) konstatierte für diese Behandlung einen beträchtlichen Zusatznutzen.
Verkürzte Therapiedauer
Mit der Zulassung von Vosevi und Maviret ergeben sich seit 2017 zwei weitere Behandlungsmöglichkeiten. In der aktuellen S3-Leitlinie sind sie noch nicht aufgeführt. Sie sollen aber laut der Leitlinien-Autoren in Form eines Addendums noch in diesem Jahr integriert werden. Die SVR-Raten liegen bei 97 (Vosevi) beziehungsweise 98 Prozent (Maviret) bei einer Therapiedauer von acht Wochen. Im Vergleich zu Epclusa mit einer SVR-Rate bis 100 Prozent kann die Effektivität nicht mehr gesteigert werden. Der Nutzen der Neuzulassungen liegt damit vermutlich in der Therapieverkürzung.
Zwar besteht für Sovaldi und RBV nach wie vor eine Zulassung für Patienten mit einer HCV-Genotyp-2-Infektion. Aufgrund der geringeren Wirksamkeit und der durch RBV bedingten Nebenwirkungen stuft die Leitlinie diese Kombination aber als untergeordnet ein.
Bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-3-Infektion können derzeit folgende Regime herangezogen werden:
Mit Epclusa steht seit 2016 für diesen Genotyp eine zufriedenstellende Therapie zur Verfügung, mit der eine SVR-Rate von 95 Prozent erreicht werden kann. Das IQWiG bewertet die Kombination positiv und konstatiert für diese Therapie einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen.
Oft geben erhöhte Leberwerte den ersten Hinweis auf eine Hepatitis.
Foto: Picture-Alliance
Ähnlich wie beim Genotyp 2 kamen hier mit Vosevi und Maviret zwei weitere Behandlungsmöglichkeiten auf den Markt. Die SVR-Raten liegen beim Genotyp 3 bei 98 beziehungsweise 95 Prozent bei einer Therapiedauer von acht Wochen. Im Vergleich zu Epclusa mit einer SVR-Rate bis 95 Prozent wird hier mit einer achtwöchigen Therapie eine vergleichbare Effektivität erreicht. Auch hier liegt der Nutzen demzufolge vermutlich in der Verkürzung der Behandlung.
Auch eine zwölfwöchige Therapie mit Daklinza und Sovaldi unabhängig vom Vortherapiestatus erzielt eine hohe SVR-Rate (96 Prozent) und ist damit aus medizinischer Sicht eine Therapieoption. Der Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen verweist jedoch darauf, dass gut evaluierte und deutlich preisgünstigere Alternativen verfügbar sind.
In Deutschland sind die meisten Hepatitis-C-Infektionen durch die ubiquitär vorkommenden Genotypen 1 bis 3 verursacht. Die Genotypen 4 bis 6 spielen mit einer Infektionsrate von 3 Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Weltweit sind Letztere aber für 20 Prozent der Hepatitis-C-Infektionen verantwortlich und die Ausbreitung der ursprünglich vorwiegend in Afrika und Asien vorkommen Genotypen nach Europa ist bereits erfolgt.
Für Patienten mit einer HCV-Genotyp-4-Infektion werden folgende Therapieoptionen empfohlen:
Durch die zuletzt eingeführten Kombinationstherapien Vosevi und Maviret ist jetzt auch für den HCV-Genotyp 4 eine Therapieverkürzung auf acht Wochen möglich.
In Deutschland selten
Insgesamt sind die HCV-Genotypen 5 und 6 in Deutschland selten (siehe Kasten). Verfügbare Daten beschränken sich auf Harvoni, Epclusa, Vosevi sowie Maviret. Mit den beiden ersten Regimen ist eine zwölfwöchige Therapie erforderlich, während die beiden letzten teilweise eine Verkürzung auf acht Wochen ermöglichen. Der Therapieerfolg liegt bei allen Regimen bei mehr als 90 Prozent der Studienpatienten:
Laut Leitlinie ist aufgrund der sehr guten Verträglichkeit der DAA-Therapien eine engmaschige Kontrolle zur rechtzeitigen Erfassung von klinischen Nebenwirkungen und Laborveränderungen in der Regel nicht notwendig. Bei einzelnen Therapieregimen, etwa Zepatier, wird unter Therapie alle vier Wochen die Überwachung der Leberwerte empfohlen. Bei der Gabe von Ribavirin ist die Überwachung des Hämoglobinwerts notwendig. Ansonsten erfolgt die Kontrolle auf der Grundlage des eingesetzten Regimes und der individuellen Charakteristika des Patienten. /