Mobile Dialyse: Neue Ansätze machen Hoffnung |
In Deutschland sind rund 80.000 Menschen dauerhaft auf die Dialyse angewiesen, weil ihre eigenen Entgiftungsorgane nicht mehr arbeiten. Findet sich keine Spenderniere, heißt das in der Regel: Dreimal pro Woche für fünf Stunden zur Blutwäsche ins Krankenhaus oder zum Arzt. Doch das könnte sich bald ändern. Forscher arbeiten seit Jahren daran, eine tragbare künstliche Niere zu entwickeln. Und in Rostock sind sie einen wichtigen Schritt vorangekommen.
Nicht für alle Patienten wird eine solche Lösung in Frage kommen, denn sich selbst zu dialysieren erfordert viel Eigenverantwortung, Sorgfalt und Disziplin. Für andere ist die Bauchfell-Dialyse, die sie zu Hause durchführen, zumindest eine Zeit lang eine Alternative. Nierenkranke, die noch im Beruf stehen, könnten jedoch auch von einer mobilen Lösung profitieren, vor allem, wenn sie kaum sichtbar ist.
Das erste tragbare, aber noch mit einigen Kinderkrankheiten versehene Dialysegerät stellte der US-amerikanische Nephrologe Victor Gura (Los Angeles) bereits vor zehn Jahren vor. Doch die Studie mit zehn Patienten wurde wegen technischer Schwierigkeiten abgebrochen. Weitere klinische Studien mit einem erneut verfeinerten Gerät sind geplant.
In Italien arbeitet der Nierenspezialist Claudio Ronco (Vicenza) seit langer Zeit an tragbaren Alternativen, in einer Weste oder als Rucksack. «Wir optimieren gerade die miniaturisierten Komponenten und arbeiten an einem Kreislauf mit Antithrombose-Beschichtung», erläutert Ronco. Testreif ist die Kunstniere aber noch nicht. Grundsätzlich stehen alle Forscher dabei vor mehreren Herausforderungen: Der Gefäßzugang beim Patienten muss sicher sein, damit Blut in der richtigen Menge austritt und es nicht zu Verkeimungen und Infektionen kommt. Und es gilt Dialyse-Wasser zu sparen: Für die konventionelle Blutwäsche beim Arzt können 170 bis 210 Liter Waschlösung (Dialysat) nötig werden. Das tragbare Gerät hingegen kommt mit nur 0,4 Litern Wasser aus.
Die Wasserfrage sei wichtig, auch mit Blick auf Erkrankte in armen Ländern, in denen Wasser knapp ist, betont der Physiker Rainer Goldau. Am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI/Leipzig) tüftelt er in enger Zusammenarbeit mit den Nierenspezialisten der Uniklinik Rostock an der Idee, Menschen die körperlich und psychisch anstrengende Blutwäsche zu erleichtern: indem sie fortlaufend und dadurch schonender durch eine tragbare Kunstniere geschieht.
Diese soll aus zwei Teilen bestehen. Einer handlichen, per Solarzelle oder Auto-Elektronik betriebenen Basisstation zur Kryoreinigung. Und einer mit Wasser gefüllten Weste, die sich an den Körper schmiegt. «Die Patienten behalten dadurch die Freiheit, ihr Leiden zu verbergen. Viele möchten nicht immer darauf angesprochen werden», erläutert Goldau. In der Weste finden insgesamt mehrere Liter frisches und gebrauchtes Dialysat in unterschiedlichen Kammern Platz. Während das Blut durch eine von Dialysat umgebene Filterröhre fließt, wird es gereinigt: Schadstoffe treten durch die Filtermembran in das Wasser über. Alle paar Stunden dockt der Patient dann kurz an der Basisstation an. Das gebrauchte Dialysat wird abgelassen und gereinigt. 90 Prozent davon strömen recycelt als Frischwasser in die Weste zurück.
Noch gebe es aber offene Fragen, sagt Goldau. Er möchte die IZI-Ergebnisse auf einem großen Fachkongress im Mai präsentieren und hofft, dass dies der weiteren Entwicklung einen Schub gibt. «Die großen Hersteller waren bisher zögerlich», berichtet Goldau. Ähnliches erlebte auch Claudio Ronco.
Eine herkömmliche Dialyse kostet pro Patient 40.000 Euro pro Jahr. Vor allem in armen Ländern, in denen Nierenkranke oft kaum Zugang zu Fachärzten haben, könnte eine Wasser sparende und relativ einfach zu wartende Kunstniere – neben der Bauchfell-Dialyse – eine Alternative sein. Weltweit sterben rund eine Million Menschen pro Jahr an terminalen Nierenversagen, schätzt die Nationale Nierenstiftung der USA.
07.03.2018 l dpa
Foto: Fotolia/benschonewille