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Wie der Haschisch in den Weihrauch kam

05.03.2001  00:00 Uhr

Wie der Haschisch in den Weihrauch kam

von Hassan Safayhi, Tübingen

Harze von Boswellia-Arten, bereits in der Ayurvedischen Medizin vor circa 5.000 Jahren und in der Antike therapeutisch genutzt, im zwanzigsten Jahrhundert in Vergessenheit geraten und dann spät wiederentdeckt, beinhalten definierte Boswelliasäuren, die mit einem bisher einzigartigen Mechanismus die Biosynthese der potenten proinflammatorischen Mediatoren aus der Leukotrienklasse hemmen (1-4).

Klinische Pilotstudien belegen die therapeutische Wirksamkeit von Harzzubereitungen bei Colitis ulcerosa (5), aktivem Morbus Crohn (6) und Asthma bronchiale (7). Weiterhin dokumentieren drei unabhängige Untersuchungen das Potenzial solcher Präparate, das Volumen intrakranialer peritumoraler Ödeme zu reduzieren (8-10).

Eine beliebte und berechtigte Frage bei vielen Vorträgen zu diesem Themenkomplex lautet: "Ich habe gehört, dass Weihrauch oder der Rauch des Harzes Cannabinole enthält. Stimmt das?"

Bei der Durchsicht der Literatur ist in dem Buch "Weihrauch und Myrrhe" der Zeitpunkt und das Verfahren schnell ausgemacht, wann und wie die Weihrauchharze mit psychotropen Verbindungen anreichert wurden. Zitat: "Aufmerksam geworden auch durch immer wieder beobachtete Suchtfälle, ist es interessant zu recherchieren, welche Inhaltstoffe zu diesen Wirkungen führen könnten. Dabei sind wir darauf gestoßen, dass eine Synthesemöglichkeit für den Haschischinhaltstoff Tetrahydrocannabinol in der Umsetzung von Oliventol (5-Pentylresorcin) mit Verbenol besteht. Verbenol wie auch Phenole und Phenolether sind mehrfach als Weihrauchinhaltsstoffe beschrieben worden; daneben können weitere phenolische Strukturen im Verlaufe des Räucherprozesses gebildet werden, so dass wir der Ansicht sind, dass die Bildung eines Tetrahydrocannabinol-Grundkörpers - wenn vielleicht auch mit anderen Substituenten im phenolischen Molekülteil - durchaus nicht auszuschließen ist (beide Ausgangsverbindungen dürften zur Verfügung stehen)".

Die Autoren belassen es nicht bei der zugegebenermaßen eleganten Papierchemie, sondern leisteten Pionierarbeit auch auf dem Gebiet der Biochemie: "Auch eine enzymatische Bildung derartiger berauschender und stimulierender Stoffe während des Kauprozesses oder im Verdauungstrakt kann durchaus in Betracht gezogen werden..." (11).

Es ist manchmal, wie in diesem Falle, höchst bedauerlich, dass pfiffige Hypothesen dem zerstörerischen Wirken experimentierender Wissenschaftler zugänglich sind. Michael Kessler versuchte in seiner Dissertationsarbeit (Basel 1991), in acht verschiedenen Weihrauchharzen, über einem Dutzend Weihrauchmischungen und nach dem Verbrennen in den entsprechenden Rauchfraktionen gezielt Cannabinole mit Methoden der Spurenanalytik nachzuweisen. Seine Ergebnisse lauten durchgehend: "In keiner einzigen Probe konnten mit der obigen Methode Cannabinole nachgewiesen werden" (12).

Auch die früheren ausführlichen Arbeiten von Pailer et al. "Über die Zusammensetzung des Pyrrolysates von Weihrauch", veröffentlicht als Mitteilungen 1 bis 3 in den Monatsheften für Chemie, bieten keinen Hinweis auf Cannabinol-Derivaten im Rauch von Boswellia-Harzen (13).

Die postulierten enzymatischen Stoffwechselwege zur humanen Cannabinol-Biosynthese harren immer noch der Aufklärung und bieten für unerschrockene Geister ein bis heute völlig unbestelltes Forschungsfeld dar. Bei mir jedenfalls ist die Datei "THC im Weihrauch" im Ordner "Uran im Urin" abgelegt.

 

Literatur 

  1. Safayhi, H., et al., Boswellic acids: Novel, specific, non-redox inhibitors of 5-lipoxygenase. J. Pharmacol. Exp. Ther. 261 (1992) 1143-1146.
  2. Safayhi, H., Sailer, E.-R., Ammon, H.P.T., Mechanism of 5-lipoxygenase inhibition by acetyl-11-keto-b-boswellic acid. Mol. Pharmacol. 47 (1995) 1212-1216.
  3. Sailer, E. R., et al., Acetyl-11-keto-b-boswellic acid (AKBA): Structure requirementsfor binding and 5-lipoxygenase inhibitory activity. Br. J. Pharmacol. 117 (1996) 615-618.
  4. Sailer, E. R., et al., Characterization of an AKBA and arachidonate binding regulatory site of 5-lipoxygenase using photoaffinity labeling. Eur. J. Biochem. 256 (1998) 364-368.
  5. Gupta, I., et al., Effects of Boswellia serrata gum resin in patients with ulcerative colitis. Eur. J. Exp. Med. 2 (1997) 1-7.
  6. Gerhardt, H., et al., Therapie des aktiven Morbus Crohn mit dem Boswellia-serrata-Extrakt H15. Z. Gastroenterol. 39 (2001) 11-17.
  7. Gupta, I., et al., Effects of Boswellia serrata gum resin in patients with bronchial asthma: results of a double-blind, placebo-controlled, 6-week clinical study. Eur. J. Exp. Med. 3 (1998) 511-514.
  8. Böker, D. K., Winking, M., Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome. Dt Ärztebl 94 (1997) A1197-A1199.
  9. Janßen, G., et al., Boswellic acids in the palliative therapy of children with progressive or relapsed brain tumors. Klin Pädiatr 212 (2000) 189-195.
  10. Weller, M., Chemotherapy for malignant glioma. Nervenheilkunde 3 (2000) 116-120.
  11. Martinetz, D., Lohs, K., Janzen, J., Weihrauch und Myrrhe, WVG, Stuttgart 1988, 136-139.
  12. Kessler, M., Zur Frage nach psychotropen Stoffen im Rauch von brennendem Gummiharz der Boswellia sacra. Inaugural-Dissertation, Basel 1991.
  13. Pailer, M., et al., Über die Zusammensetzung des Pyrolysates von Weihrauch (1. bis 3. Mitt), Monatshefte für Chemie 112 (1981) 341-358, 595-603 und 987-1006.

 

Anschrift des Verfassers:
Privatdozent Dr. Hassan Safayhi
Pharmazeutisches Institut
der Universität Tübingen
Auf der Morgenstelle 8
72076 Tübingen
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