Die Zeitbombe tickt |
24.02.2003 00:00 Uhr |
Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert raffte das Gelbfiebervirus ganze Schiffsmannschaften dahin, und der „Yellowjack“ war unter den Seeleuten fast so gefürchtet wie die Pest unter den Festlandbewohnern. Nach den großen Erfolgen der Impfprogramme Mitte des vergangenen Jahrhunderts geriet die Erkrankung vielerorts in Vergessenheit. Fast unbemerkt dehnen sich die Übertragungsgebiete seit etwa 20 Jahren wieder aus, und Epidemien treten immer häufiger auf.
Weltweit erkranken nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich 200.000 Menschen an Gelbfieber, 30.000 sterben. Tatsächlich gemeldet wird nur ein Bruchteil der Erkrankungen, denn die meisten betroffenen Ländern verfügen über kein ausreichendes Überwachungssystem. Viele haben noch nicht einmal ein einziges, für die erforderliche Diagnostik ausgerüstetes Labor. In Afrika wird eine Gelbfieberepidemie daher oft erst zwei Monate nach Beginn oder noch später erkannt. Offizielle Meldungen von Gelbfiebererkrankungen sind daher nur geeignet, die Virusaktivität in bestimmten Gebieten anzuzeigen.
Die Infektionskrankheit tritt ausschließlich in den so genannten Gelbfiebergürteln Afrikas und Südamerikas auf. In Afrika zählen dazu die Gebiete zwischen 15 Grad nördlicher und 10 Grad südlicher Breite. Betroffen sind 34 Länder, darunter die ärmsten der Welt. Als besonders gefährdet gelten Nigeria, Mali und Liberia. Insgesamt leben in dem Gebiet nach Schätzungen der WHO 508 Millionen Menschen. 1986 bis 1991 traten im Gelbfiebergürtel Afrikas ausgesprochen viele Infektionen auf. Gemeldet wurden mehr als 20.000 Erkrankungen und fast 5500 Todesfälle – auch hier stehen die offiziellen Zahlen nur für einen Bruchteil der tatsächlich betroffenen Bevölkerung.
In Südamerika erstreckt sich der Gelbfiebergürtel zwischen 20 Grad nördlicher und 40 Grad südlicher Breite. In Bolivien, Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru ist das Risiko für Gelbfieberepidemien besonders hoch. Nach Asien wurde das Virus bislang nicht eingeschleppt, obwohl die Erreger auch dort optimale Bedingungen vorfänden. Aus diesem Grund sind die asiatischen Behörden besonders wachsam, was die Einreise aus Gelbfieber-Endemiegebieten angeht.
Zwei Zyklen in Südamerika
Das Gelbfiebervirus gilt als der Prototyp der Flaviviren, zu denen auch die Erreger der japanischen Enzephalitis, des Dengue-Fiebers und des West-Nil-Fiebers gehören. Das RNA-Virus ist umgeben von einer Lipidhülle und misst 40 bis 50 Nanometer im Durchmesser. Grundsätzlich kann sich das Virus in zwei unterschiedlichen Infektionszyklen vermehren. Der eine spielt sich im tropischen Regenwald zwischen tagaktiven, in Baumlöchern brütenden Stechmücken und Affen ab. Bei den Tieren verläuft eine Infektion milde, anschließend sind sie immun. Sticht eine Mücke einen infizierten Affen während der nur kurz dauernden Virämie, nimmt sie das Virus auf und ist 7 bis 17 Tage danach infektiös. Die Waldgebiete gelten als die eigentlichen Endemiegebiete, in denen das Virus ständig zirkuliert.
Innerhalb dieses silvatischen Infektionszyklus ist der Mensch eine Sackgasse, und es kommt nur sporadisch zu Infektionen. Es sei denn, es etabliert sich der gefürchtete, urbane Gelbfieberzyklus. Dabei überträgt die Stechmücke Aedes aegypti, die als Kulturfolger in den kleinsten Wasseransammlungen brütet, das Gelbfiebervirus ausschließlich von Mensch zu Mensch. Große Epidemien entstehen vor allem dann, wenn Migranten das Virus in Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte und großem Mückenaufkommen verschleppen.
Gelbfieber und Geisterschiffe Gelbfieber ist seit mindestens 400 Jahren bekannt. Die erste sicher auf die Erkrankung zurückgehende Beschreibung stammt aus dem Jahr 1648 von der Insel Guadeloupe und aus Yucatan. Auf Sklavenschiffen gelangte das Virus wahrscheinlich von Westafrika nach Mittel- und Südamerika, erreichte später viele nordamerikanische und auch europäische Hafenstädte. Bereits 1668 trat die erste Gelbfieberepidemie in New York auf, 1691 in Boston und 1699 in Charleston. In Europa war Cadiz die erste Stadt, die von einer Gelbfieberepidemie heimgesucht wurde. 1730 starben dort 2200 Menschen den „gelben Tod“. Selbst einige Städte in Großbritannien blieben nicht verschont: Im 19. Jahrhundert kam es zum Beispiel in Swansea und Southampton mehrfach zu Ausbrüchen. Auch in Frankreich und Italien trat Gelbfieber auf. Mehr als 200 Jahre lang - bis zum Einsatz von Insektenvernichtungsmitteln und Impfkampagnen - grassierte die Seuche in den tropischen und subtropischen Gebieten des amerikanischen Kontinents und rief dort verheerende Epidemien hervor.
Unter den Seeleuten war Gelbfieber gefürchtet, und die Sagen von Geisterschiffen, die mit zahlreichen Leichen an Bord ziellos in den Gewässern trieben, machten die Runde. Derjenige, der ein solches Geisterschiff zu Gesicht bekam, war zum Tod verurteilt, hieß es. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um Seemannsgarn, denn die ausgehungerten Stechmücken, die in den Trinkwasserbehältern der verwaisten Schiffe brüteten, stürzten sich zweifellos auf jeden lebenden Menschen, der ihnen zu nahe kam und übertrugen das Gelbfiebervirus. Die Legenden, die sich um das Geisterschiff rankten, das auf ewig dazu verdammt war, in den Gewässern des Kaps der guten Hoffnung herumzuirren, inspirierten viele Literaten, unter ihnen Sir Walter Scott und Heinrich Heine, die die Sage in ihren Dichtungen aufgriffen. Wilhelm Hauff verwertete die geschichtliche Vorlage in „Die Geschichte von dem Gespensterschiff“. Richard Wagner setzte den Stoff im „Fliegenden Holländer“ musikalisch um.
Die Infektionen von Affe und Mensch dienen dem Virus der Vermehrung. Das eigentliche Reservoir sind jedoch die Stechmücken. Denn die weiblichen Insekten können das Virus an ihre Nachkommen weitergeben. Da die Mückeneier im Gegensatz zu den Adulten gegenüber Trockenperioden resistent sind, überbrückt das Virus so Trockenzeiten.
In Südamerika sind vor allem Waldarbeiter von der Infektionskrankheit bedroht – Gelbfieber gilt hier als Berufskrankheit. Infektionen treten meist in den Monaten Januar bis März auf. Währenddessen sind die Haemagogus-Mücken, die das Virus in den Waldgebieten übertragen, auf Grund der starken Niederschläge und der hohen Temperaturen am aktivsten.
Die letzte urbane Epidemie in Südamerika ereignete sich nach Angaben der WHO 1928/29 in Rio de Janeiro, die letzte urbane Gelbfiebererkrankung wurde 1942 registriert. 1949 startete eine große Kampagne aller vom Gelbfieber betroffenen Länder Südamerikas zur Bekämpfung von Aedes aegypti. Bis 1965 waren sowohl die Mücke als auch das Virus aus den meisten Städten verschwunden. Allerdings geriet die Krankheit später in Vergessenheit und die Bekämpfungsmaßnahmen ließen deutlich nach.
Umweltveränderungen wie Entwaldung und Verstädterung verbesserten die Bedingungen für die Übertragung des Virus, und internationale Reisen trugen wahrscheinlich zusätzlich zur Verbreitung der Erkrankung bei. Dadurch ist die Stechmückenpopulation wieder angewachsen, und in vielen Gebieten sind erneut gute Bedingungen für Epidemien entstanden. Heute kommt Aedes aegypti wieder in den meisten Gebieten Zentral- und Südamerikas vor und hat viele Regionen besiedelt, die an endemische Regenwaldgebiete angrenzen – eine tickende Zeitbombe.
Ein dritter Zyklus in Afrika
Im Gegensatz zu Südamerika übertragen in Afrika viele unterschiedliche Stechmückenarten das Gelbfiebervirus. In vielen Regionen hat sich dort neben dem silvatischen und dem urbanen ein zusätzlicher Gelbfieberzyklus etabliert. Der so genannte intermediäre Zyklus tritt vor allem in der feuchten und halbfeuchten Savanne auf, wo verschiedene Überträgermücken sowie Menschen und Affen auf engem Raum zusammenleben. In dieser so genannten Notstandszone entstehen die meisten Epidemien und lokalen Ausbrüche.
Welche Ausmaße eine Gelbfieberepidemie annehmen kann, zeigt sich an der Geschichte Äthiopiens. Von 1960 bis 1962 ereignete sich hier die größte Gelbfieberepidemie überhaupt. Dabei erkrankten 10 Prozent der eine Million Einwohner zählenden Bevölkerung Westäthiopiens, 30.000 Menschen starben.
Frühe Impfstoffentwicklung 1848 äußerte Josiah Clark Nott als erster den Verdacht, dass Stechmücken Gelbfieber übertragen. Der kubanische Arzt C. J. Finlay publizierte 1881 die erste wirklich ernst zu nehmende Theorie zur Übertragung des Gelbfiebers durch Mücken. Den Beweis dafür lieferte 1900 die Gelbfieberkommission der nordamerikanischen Armee unter der Leitung von Walter Reed. 1927 wurde das Virus isoliert und 1931 der erste abgeschwächte Lebendimpfstoff am Menschen getestet. Massenimmunisierungen mit dem französischen Impfstoff aus Mäusegehirn begannen 1938 in Brasilien, 1940 in den frankophonen Ländern Westafrikas. Daraufhin ging die Inzidenz der Erkrankung dramatisch zurück, aber viele Kinder erkrankten auf Grund der Nebenwirkungen des Impfstoffs an Enzephalitiden. 1961 wurden aus diesem Grund die Impfungen von Kindern unter zehn Jahren eingestellt. In den britischen Kolonien, wo die Vakzine nicht als Plfichtimpfung eingeführt worden war, kam es zur gleichen Zeit zu schweren Epidemien. Seit 1980 wird der französische neurotrope Impfstoff nicht mehr hergestellt.
Der mit Hilfe von Hühnerembryonen hergestellte 17D-Impfstoff, der heute noch eingesetzt wird, wurde 1937 erstmals appliziert. Seit 1952 wurde dessen Anwendung bei Kindern unter sechs Monaten ausgeschlossen – ebenfalls auf Grund von Enzephalitiden.
Nach einer Häufung von Epidemien wurde die Gelbfieberimpfung von 18 der 34 Risikoländer in Afrika ins Kinderimpfprogramm aufgenommen. Nach Angaben der WHO ist dies kostengünstiger und wirksamer als Notfallimpfungen während einer Epidemie. Zumal ein rasch greifendes Meldesystem, das dafür nötig wäre, in den meisten Ländern nicht vorhanden ist.
Um eine Epidemie zu vermeiden, müssen – in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen – zwischen 60 und 90 Prozent der Einwohner geimpft sein. Nur wenige Länder Afrikas haben dieses Ziel bislang erreicht. Weil es um das Meldesystem für Gelbfieber schlecht steht, bedeutet ein bestätigter Gelbfieberfall einen Ausbruch der Erkrankung.
Anfänglich wie eine Erkältung
Eine Infektion mit dem Gelbfiebervirus kann sich sehr unterschiedlich äußern. Bei einigen Infizierten kommt es zu asymptomatischen oder sehr leichten Verläufen, andere erkranken schwer und sterben an einem hämorrhagischen Fieber. In der Regel setzen nach einer Inkubationszeit von drei bis sechs Tagen erkältungsähnliche Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Rückenschmerzen, Übelkeit und Schwindel ein. Währenddessen sind die Patienten für die Stechmücken infektiös. Diese erste Phase der Erkrankung dauert meist einige Tage. Danach sinkt das Fieber, und die meisten Patienten erholen sich vollständig von der Infektion.
Bei etwa 15 Prozent der Betroffenen kehrt die Erkrankung jedoch 2 bis 24 Stunden später umso heftiger zurück. Die Patienten leiden während dieser Intoxikationsphase an Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Auf Grund der eingeschränkten Nierenfunktion kommt es zunächst zur Albuminurie und schließlich zur Anurie. Gleichzeitig entwickeln viele Patienten Symptome einer Gelbsucht, die jedoch häufig viel weniger intensiv ausgeprägt sind, als der Name der Erkrankung vermuten lässt. Zudem steigen die Transaminasespiegel im Serum an. Hämorrhagische Phänomene treten auf wie schwarzes Erbrechen, Uterusblutungen, punktförmige Blutungen in Haut und Schleimhäute, Nasenbluten, Blutungen am Gaumen und an Einstichstellen von Kanülen. Bei Laboruntersuchungen zeigen die Patienten eine Thrombozytopenie, verlängerte Blutgerinnung und reduzierte Blutgerinnungsfaktoren.
Etwa die Hälfte der Patienten stirbt während dieser Phase, sieben bis zehn Tage nach Krankheitsbeginn, an Multiorganversagen. Kurz zuvor leiden die Betroffenen oft unter Schocksymptomen, Untertemperatur, Delirium, Stupor, oder sie fallen ins Koma.
Überleben die Patienten, so brauchen sie lange, um sich zu erholen. Sie leiden unter Schwächegefühl und leichter Ermüdbarkeit. Allerdings heilt die Krankheit letztlich vollständig aus und hinterlässt eine lebenslange Immunität durch neutralisierende Antikörper.
Kaum Behandlungsmöglichkeiten
Eine spezifische Therapie steht für Gelbfieberpatienten nicht zur Verfügung. Mangels antiviraler Medikamente empfiehlt die WHO Rehydratation und Paracetamol gegen Fieber. Zur Behandlung der Patienten auf Intensivstationen, wie dies in Deutschland empfohlen wird, liegen kaum Erfahrungen vor. In jedem Fall sollte der Erkrankte in eine Klinik mit tropenmedizinischer Erfahrung verlegt werden. Die Krankheit ist meldepflichtig, für Beratung und Spezialdiagnostik steht hierzulande das Konsiliarlaboratorium für tropische Virusinfektionen am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg zur Verfügung.
Diagnostikmethode der Wahl ist eine Polymerasekettenreaktion, mit der RNA in DNA umgeschrieben und anschließend vermehrt wird (RT-PCR). Damit sind die Viren bereits am ersten Krankheitstag nachweisbar. Ein direkter Erregernachweis gelingt meist erst später, und Antikörper zirkulieren erst fünf bis zehn Tag nach Krankheitsbeginn in für die Diagnostik ausreichenden Mengen im Blut, informiert das Robert-Koch-Institut (RKI). Molekularbiologische Nachweismethoden dürften allerdings nur selten in den Endemiegebieten etabliert sein.
Auf Grund der Symptome ist Gelbfieber vor allem in frühen Phasen nur schwer zu diagnostizieren. Verwechslungsgefahr besteht mit Hepatitis E, Leptospirose, Dengue-Fieber, Krim-Kongo-Fieber, Rift-Valley-Fieber, Ebola, West-Nil-Fieber, Typhus und Vergiftungen. Außerdem treten Malaria und Gelbfieber oft in denselben Gebieten auf – ebenfalls mit einem zumindest anfangs sehr ähnlichen Krankheitsbild. Selbst wenn sich Malariaerreger im Blut nachweisen lassen, sollte man Gelbfieber nicht ausschließen, rät die WHO.
Gelbfieberimpfung
Schutz vor einer Infektion bietet die Gelbfieberimpfung. Der heute verfügbare 17D-Impfstoff (Stamaril®) ist bereits seit mehr als 60 Jahren auf dem Markt. Um diesen abgeschwächten Lebendimpfstoff herzustellen, wird das Gelbfiebervirus in Hühnerembryonen vermehrt. Bei 95 Prozent der Geimpften entwickelt sich innerhalb von zehn Tagen eine schützende Immunität, die sehr lange, wahrscheinlich lebenslang anhält. Das RKI empfiehlt jedoch, den Impfschutz, falls Expositionsgefahr besteht, alle zehn Jahre zu erneuern.
Einige Länder machen die Gelbfieberimpfung prinzipiell zur Einreisebedingung. Die Mehrzahl besteht vor allem dann darauf, wenn Reisende zuvor Endemiegebiete besucht haben. Prinzipiell sollten sich jedoch alle Reisende in Gelbfieberinfektionsgebiete impfen lassen, unabhängig von den gesetzlichen Vorschriften und davon, ob das entsprechende Land Gelbfieberfälle gemeldet hat oder nicht, so RKI und WHO. Denn die Gebiete, in denen das Virus tatsächlich übertragen wird, reichen weit über die offiziell gemeldeten Gelbfieberzonen hinaus, begründet die WHO ihre Empfehlung. Außerdem sollten die Impfärzte die Impfanforderungen der Ziel- oder Transitländer beachten. Die Impfung muss in einer von den Gesundheitsbehörden zugelassenen Gelbfieberimpfstelle erfolgen. Das dort ausgestellte Impfzertifikat im internationalen Impfpass erlangt am zehnten Tag nach Applikation Gültigkeit.
Erfolgsgeschichte Gambias Nach einer Epidemie 1979/80 begannen die Behörden in Gambia mit Massenimpfungen. Später wurde die Gelbfieberimpfung in das Kinderimpfprogramm aufgenommen. Im Jahr 2000 waren etwa 85 Prozent der Bevölkerung gegen Gelbfieber geimpft. Seit 1980 ist in dem afrikanischen Land keine einzige Gelbfiebererkrankung mehr aufgetreten, obwohl sich das Virus in der Umwelt nachweisen lässt.
Vier Gruppen von Reisenden sollten auf keinen Fall geimpft werden, es sei denn, das Risiko für eine Erkrankung ist höher als das Risiko für Nebenwirkungen der Impfung. Dazu zählen Kinder unter sechs Monaten, da sie häufig virale Enzephalitiden entwickeln. Auch Schwangere sollten auf Grund der theoretischen Gefahr, dass sich der Fetus mit Gelbfieberviren aus der Vakzine infiziert, nicht geimpft werden. Zudem sollten Menschen mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Hühnereiweiß den Impfstoff nicht erhalten. Ist eine Impfung dennoch dringend nötig, weil die Reise nicht vermieden werden kann, sollte bei Patienten mit Hühnereiweißallergie eine Testdosis intradermal unter medizinischer Überwachung appliziert werden.
Die vierte Personengruppe, die nicht geimpft werden sollte, schließt Immunsupprimierte ein. Dazu zählen Aids-Kranke, Patienten mit Lymphomen oder Leukämie und durch Medikamente oder Bestrahlung Immungeschwächte. Wie Schwangere und Eltern von Säuglingen sollten diese Patienten am besten die Reise verschieben. Asymptomatische HIV-Infizierte können dann geimpft werden, wenn sich der Aufenthalt in einem Gelbfiebergebiet nicht vermeiden lässt.
Bei medizinischen Kontraindikationen besteht die Möglichkeit der Impfbefreiung (exemption certificate), die in englischer oder französischer Sprache in den internationalen Impfpass eingetragen werden muss, unterschrieben und abgestempelt von einer zugelassenen Impfstelle. Länder mit Gelbfieberimpfpflicht müssen die Impfbefreiung jedoch nicht anerkennen. Im Extremfall müssen die Betroffenen bei der Einreise mit Nachimpfungen, Quarantäne oder Zurückweisung rechnen. Nach einer Impfung treten selten lokale Reaktionen wie kurzes Fieber, milde Kopfschmerzen und Krankheitsgefühl auf.
Seltene Impfzwischenfälle
Zwischen 1996 und 2001 ist es bei sieben Geimpften zu schweren Impfzwischenfällen gekommen, sechs starben. Fünf Patienten – ein Australier und vier US-Amerikaner - wurden wegen einer anstehenden Reise geimpft. Besonders tragisch: Die Impfung wäre bei zweien gar nicht nötig gewesen. Sie wollten in Länder reisen, in denen niemals lokal erworbenes Gelbfieber aufgetreten war. Zwei lebten in Brasilien und waren während einer großen Impfkampagne geimpft worden.
Alle sieben Geimpften erkrankten zwei bis fünf Tag nach der Impfung so schwer, dass sie intensivmedizinisch versorgt werden mussten. Alle waren vorher gesund. Die Symptome ähnelten einer Gelbfiebervirusinfektion, die Patienten starben an Multiorganversagen. Vor 1996 waren solche Impfzwischenfälle niemals beobachtet worden, obwohl seit 1965 acht Millionen Dosen des Impfstoffs an Reisende verimpft worden waren, 300 Millionen Dosen wurden in Endemiegebieten appliziert. Auf alle seit 1996 Geimpften hochgerechnet, beträgt die Inzidenz solcher schwerer Nebenwirkungen 1:400.000 Geimpfte. Auffällig war, dass außer den beiden Brasilianern alle Betroffenen über 50 Jahre alt waren.
Wer in ein Gelbfieberendemiegebiet reist, sollte sich trotzdem impfen lassen. Denn die Gefahr, dort an Gelbfieber zu sterben, ist wesentlich größer als an Impfkomplikationen. Nach Angaben der WHO hat sich das Infektionsrisiko für ungeimpfte Reisende in den vergangenen Jahren sogar noch erhöht, weil sich die Übertragungsgebiete in urbane Regionen mit einer hohen Bevölkerungsdichte und allgegenwärtigen Stechmücken ausgedehnt haben.
Die Vermeidung von Mückenstichen durch Kleidung und Repellents gestaltet sich bei Aedes aegypti schwierig. Denn die Stechmückenart ist tag- und nachtaktiv und sticht oft, ohne dass der Betroffene etwas davon bemerkt. Trotzdem bieten Repellents sowie langärmlige Kleidung, die möglichst auch mit Pyrethroiden imprägniert ist, einen gewissen Schutz. Allgemeine Maßnahmen zur Mückenbekämpfung bringen im Falle einer Epidemie einen Zeitgewinn, bis der Impfschutz greift.
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