Neue Genmutation bei Depression entdeckt |
31.01.2005 00:00 Uhr |
Amerikanische Forscher haben eine Mutation in dem Enzym entdeckt, das entscheidend für die Biosynthese von Serotonin im Gehirn ist. Diese genetische Veränderung der Tryptophan-Hydroxylase-2 scheint ein Risikofaktor für die Entwicklung einer unipolaren Depression zu sein, denn Betroffene wiesen sie signifikant häufiger auf als gesunde Kontrollpersonen.
Die unipolare Depression tritt mit einer Häufigkeit von 2 bis 19 Prozent in der Bevölkerung auf und ist zu 40 bis 70 Prozent vererbbar. Ihre Ursachen sind vielschichtig und auch heute noch weitgehend ungeklärt. Eine entscheidende Rolle scheint jedoch eine Störung im Serotoninhaushalt des Gehirns zu spielen. Bei der Biosynthese dieses Botenstoffs gilt die Tryptophan-Hydroxylase-2 als das geschwindigkeitsbestimmende Enzym, so dass sich dessen Funktionsstörung auf den Serotoninspiegel auswirkt.
Daher untersuchten die Forscher der Duke-University in North Carolina menschliche DNA-Proben auf Veränderungen in dem Gen, das für die Tryptophan-Hydroxylase-2 codiert, und wurden fündig. Bei der Mutation ist ein einzelnes Nukleotid verändert, was dazu führt, dass an einer bestimmten Stelle im Enzym statt der Aminosäure Arginin nun Histidin vorhanden ist.
Um festzustellen, ob diese Genmutation Auswirkungen auf die Serotoninproduktion hat, führten die Forscher das mutierte menschliche Gen, wie auch das Wildtyp-Gen in Phäochromozytom-(PC12)-Zellen ein. Dabei entdeckten sie einen dramatischen Funktionsverlust des Enzyms: PC12-Zellen, die das mutierte Gen trugen, produzierten 80 Prozent weniger Serotonin als PC12-Zellen mit dem intakten Gen.
Daraufhin suchten die Forscher nach der Genmutation bei Patienten mit Depressionen. Von 87 untersuchten Patienten mit unipolarer Depression trugen neun die Mutation, bei den 219 Kontrollpersonen waren es mit nur drei signifikant weniger (p < 0,001). Bei Patienten, die unter einer bipolaren Störung litten, also manisch-depressiv waren, fand sich hingegen kein signifikanter Unterschied zu den Kontrollpersonen.
Eine Störung im Serotoninhaushalt des Gehirns wird auch bei anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Aggressivität, Selbstmordgedanken oder der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) diskutiert.
Bestätigt wurde ein solcher Zusammenhang dadurch, dass sechs der neun depressiven Patienten mit der Genmutation an Selbstmord dachten oder sogar schon versucht hatten, sich das Leben zu nehmen. Vier litten zusätzlich unter einer generalisierten Angststörung und bei sieben Personen fanden sich Geisteskrankheiten oder Drogen- beziehungsweise Alkoholmissbrauch in der Familiengeschichte.
Die drei Kontrollpersonen mit der Genmutation litten nach definierten Diagnosekriterien zwar nicht unter einer unipolaren Depression, zeigten aber klinische Symptome verwandter Erkrankungen. Ein Patient wies eine generalisierte Angststörung auf, die beiden anderen waren leicht depressiv und in der Familiengeschichte fanden sich entweder Geisteskrankheiten oder Drogen- und Alkoholmissbrauch. Alles in allem deuten diese Ergebnisse daher darauf hin, dass Personen mit einer Mutation in der Tryptophan-Hydroxylase-2 ein höheres Risiko tragen, an bestimmten neuropsychiatrischen Erkrankungen zu erkranken.
Möglicherweise erlaubt die Bestimmung der Mutation künftig zudem eine Prognose für das Ansprechen auf Antidepressiva. Denn sieben der neun Patienten mit Genmutation sprachen nicht auf selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) an. Bei den restlichen zwei Patienten waren nur Höchstdosen der SSRIs wirksam.
Quelle: Zhang, X., et al., Neuron 45 8 (2005) 11-16.
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