Bläschen im Blut, besseres Bild |
11.11.2008 12:12 Uhr |
Bläschen im Blut, besseres Bild
Von Sven Siebenand, Berlin
Eine Kontrastmittelsonografie kann zuverlässig Auskunft geben, ob ein Lebertumor benigne oder maligne ist. Der Einsatz der injizierten Gasbläschen könnte noch bei weiteren Anwendungsgebieten hilfreich sein.
Ob Untersuchung des Bauchraums, der Schilddrüse oder in der Schwangerschaft: Mit einer Ultraschallbehandlung haben die meisten schon einmal Bekanntschaft gemacht. Seit mehr als 40 Jahren stellt die Sonografie häufig das erste bildgebende diagnostische Verfahren in Arztpraxen und Krankenhäusern dar. Es beruht auf der Darstellung akustischer Gewebeeigenschaften. Das Gerät sendet Ultraschallwellen aus, nimmt die reflektierten Schallwellen, also die Echos, wieder auf und bildet sie entsprechend ihrer Intensität als Bildpunkte auf dem Monitor ab. So lassen sich Größe, Form und Struktur der untersuchten Organe, Weichteilgewebe und Gefäße darstellen.
»Die konventionelle Sonografie ist einer Computertomografie oder einer Magnetresonanztomografie deutlich unterlegen, da sie viele Körperregionen nicht oder nur unzureichend erfassen kann«, erklärte Professor Dr. Thomas Albrecht, Berlin, auf einer Presseveranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) in Berlin. So seien zum Beispiel alle Strukturen, die sich hinter Knochen oder Luft, zum Beispiel im Darm oder in der Lunge, verbergen, mittels Ultraschall nicht einsehbar. Die Tatsache, dass mittlerweile auch Ultraschall-Kontrastmittel zur Verfügung stehen, hat dem Verfahren Albrecht zufolge einen deutlichen Schub verliehen. Sie erweitern das Spektrum der Ultraschall-Einsatzmöglichkeiten in der Medizin und können in einer Reihe von Fällen weitere, auch kosten- und zeitintensivere, Untersuchungen ersparen. »Umgekehrt bleibt aber auch der hohe Stellenwert von CT und MRT bestehen«, stellte Albrecht klar. Kontrastsonografie, CT und MRT seien nicht zuletzt komplementäre Verfahren.
Schallsender Gasblase
Eine Kontrastultraschall-Behandlung unterscheidet sich für den Patienten nur in einem Punkt von der konventionellen Sonografie: Bevor der Arzt die betreffende Körperregion mit dem Schallkopf abfährt, injiziert er ein Kontrastmittel in die Vene, von wo es nach Herz- und Lungenpassage über die arteriellen Gefäße in die Organe gelangt. Das verwendete Kontrastmittel enthält kein Iod, sondern besteht aus sehr kleinen Gasbläschen (Größe: etwa ein Viertel bis ein Drittel eines Erythrozyten), die von einer Phospholipidhülle umgeben sind. Diese hat mehrere Funktionen: Zum einen verhindert sie das Zusammenfließen der Bläschen, zum anderen gibt sie ihnen die nötige Flexibilität im Schallfeld. So werden sie nicht zerstört, sondern in Schwingung versetzt. »Die Bläschen werden selbst zu Schallsendern«, erklärte Dr. Hans-Peter Weskott, Hannover. Die Anforderungen an die eingesetzten Geräte sind hoch. Denn einerseits müssen sie die für die Bläschen geeigneten Frequenzen abgeben und andererseits die empfangenen Echofrequenzen analysieren können. »Bereits wenige Sekunden nach der Injektion können wir beobachten, wie das Kontrastmittel zum Beispiel in den Leberarterien anflutet«, so Weskott. In den folgenden etwa fünf Minuten erkennt der Arzt an den charakteristischen Durchblutungsmustern, ob es sich um einen gut- oder bösartigen Tumor handelt. Nach einer Viertelstunde ist der Großteil der injizierten Substanz bereits wieder aus dem Körper verschwunden. Die Hüllsubstanz wird in der Leber abgebaut, das inerte und geruchlose Gas Schwefelhexafluorid über die Lunge abgeatmet. Die rasche Eliminierung gestattet somit auch Wiederholungsuntersuchungen in kurzen Zeitabständen.
Unnötige Operationen vermeiden
»Eine Ultraschall-Behandlung mit Kontrastmittel könnte dazu beitragen, über Sinn und Unsinn einer Operation schon im Vorfeld zu entscheiden«, so Dr. Stephan Kersting, Dresden. Oft decke sich die Diagnose vor der OP nicht mit dem, was die Ärzte während der OP vorfinden. So werde manchmal erst nach dem Schnitt in die Bauchdecke festgestellt, dass sich ein Tumor operativ nicht entfernen lässt. Andererseits stellen sich Befunde gelegentlich erst dann als gutartig heraus, wenn der Arzt das entfernte Tumorgewebe untersuchen lässt. In beiden Fällen wäre eine Operation nicht zwingend nötig gewesen.
»Bei Lebertumoren bietet die Kontrastsonografie im Vorfeld bereits eine weitaus genauere Unterscheidung zwischen gut- und bösartigen Gewebeveränderungen als bisher«, so Kersting. Eine Studie der DEGUM mit mehr als 1300 Patienten in 14 Kliniken belegt, dass die Treffsicherheit der Kontrastmittelsonografie an der Leber mehr als 90 Prozent beträgt. Zudem zeigen Untersuchungen, dass sich durch den Kontrastmitteleinsatz während der Operation die Detektionsrate von Metastasen um bis zu 20 Prozent steigern lässt. Das führt Kersting zufolge zu einer höheren Rate an kurativ operierten Patienten. Weskott fügte hinzu, dass ein weiterer Vorteil in der erhöhten diagnostischen Zuverlässigkeit in der Nachsorge bösartiger Erkrankungen besteht.
In den aktualisierten Leitlinien des Dachverbandes der europäischen Ultraschallgesellschaften (EFSUMB) seien die Anwendungsgebiete der Kontrastsonografie erweitert worden, so Weskott. Der klinische Nutzen sei neben Lebererkrankungen unter anderem auch für verschiedene Erkrankungen von Niere und Bauchspeicheldrüse belegt. »Zum Beispiel Nie-reninfarkte, die sonst oft mit Nierensteinen verwechselt werden, lassen sich hervorragend mit Kontrastmittelultraschall diagnostizieren«, sagte Weskott. Auch Schlaganfallpatienten könnten von der verbesserten Bilddarstellung profitieren. 2010 wollen die Experten die Leitlinie erneut aktualisieren. Gut möglich, dass dann auch Tumoren der Geschlechtsorgane und die Diagnostik bei rheumatischen Erkrankungen mit auf der Liste stehen.