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Insektenabwehr

Distanz wahren

19.04.2017  10:46 Uhr

Von Sandra Westermair / Mit den ersten warmen Frühlingstagen wird das Thema Repellenzien wieder aktuell in Apotheken. Wichtig bei der Beratung ist, auf den Einzelfall abgestimmte, effektive und nebenwirkungsarme Mittel empfehlen zu können. Andere prophylaktische Maßnahmen gehören ebenfalls dazu.

Repellenzien sind keine Arzneimittel, müssen aber zugelassen werden. Ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind, prüft in Deutschland die Bundesanstalt für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz, auf EU-Ebene die European Chemicals Agency in Helsinki. Die Behörden untersuchen die Mittel hinsichtlich Verträglichkeit und Wirksamkeit und lassen sie als Biozide deutschland- oder europaweit zu.

Die Substanzen wirken vor allem abschreckend, töten die Tiere aber in der Regel nicht. Daher sind bei dieser Biozid-Gruppe auch kaum Resistenzen ­bekannt. Insektizide wie Permethrin dagegen wirken als Kontakt- oder Fraßgifte und töten die Tiere ab, indem sie ihre Nervenbahnen lähmen. Sie dienen meist der Imprägnierung von Kleidung und Moskitonetzen oder werden bei Krätzmilben- und Lausbefall topisch angewandt.

 

Um auf der Haut verdunsten und so einen gasförmigen Oberflächenfilm bilden zu können, müssen Repellenzien niedrige Dampfdrücke und Siedepunkte zwischen 100 bis 300 °C haben. So werden Insekten einerseits direkt über den Substanzgeruch abgewehrt, andererseits können die Wirkstoffe auch deren Chemorezeptoren für CO2 und bakterielle Abbauprodukte im Schweiß blockieren. Die Haut des Wirts wird dadurch als wenig attraktiv wahrgenommen und bei korrekter Anwendung sinkt das Stichrisiko um mehr als 75 Prozent. Das geht aus einer Übersichtsarbeit im »Deutschen Ärzteblatt« aus dem Jahr 2013 hervor (110(29-30): A-1432).

 

Regelmäßig auftragen

 

Generell ist der Schutz regelmäßig gemäß Deklaration auf der Verpackung zu erneuern. Je nach Wirkstoff, Konzentration und Tierart gibt es dabei Abweichungen. Zecken können in der Regel nicht so lange ferngehalten werden wie Stechmücken. Auch Hauttyp, sportliche Betätigung, Wetterlage und Abrieb erfordern gegebenenfalls eine Anpassung der Applikationshäufigkeit. Sobald es nicht mehr benötigt wird, sollte das Präparat wieder abgewaschen werden. Für die Kombination mit Sonnenschutzpräparaten gilt: Zunächst Sonnencreme, dann im 20-minütigen Abstand das Repellent auftragen.

 

Obwohl der exakte Wirkmechanismus der einzelnen Stoffe noch ungeklärt ist, ist mittlerweile bekannt, dass verschiedene Mückenarten – darunter sowohl die heimischen Culex- als auch die tropischen Aedes- und Anophelesmücken – Wespen und sogar Zecken ähnliche Duftrezeptoren haben, sodass ein Abwehrmittel relativ breit gegen die verschiedenen Spezies wirken kann. Nichtsdestotrotz sollte der Apotheker im Beratungsgespräch die einzelnen Substanzen hinsichtlich ihrer Effektivität gegen tropische versus heimische Stechmücken sowie Zecken differenzieren können.

Tabelle: Gebräuchliche Repellenzien in der Übersicht

Wirkstoff Handelsname (Beispiele) Effektivität Spektrum Unerwünschte Wirkungen
DEET AntiBrumm® Forte, NoBite® Hautspray, Autan® Tropical hoch, ab 20-prozentiger Formulierung tropentauglich Bremsen, Fliegen, Stechmücken, weniger Zecken Hautreizungen, bei falscher Anwendung Neurotoxizität, Anlösen von Kunststoffen
Icaridin AntiBrumm® Classic, Mosquito® Classic, Autan® Protection Plus ähnlich DEET, 20-prozentige Formulierung tropentauglich Stechmücken, Zecken Selten Überempfindlichkeitsreaktionen, Nasenbluten
EPAAB Ballistol® Stichfrei kids hoch gegen heimische Insekten, nicht tropentauglich Bremsen, Fliegen, Stechmücken, Wespen, Bienen, Zecken Bisher keine bekannt
PMD Anti Brumm® Naturel, Care Plus® Naturel Relativ hoch, nur kurze Wirkdauer gegen Stechmücken und Zecken Stechmücken, Zecken Sensibilisierungs­potenzial

Diethyltoluamid (DEET) ist der älteste Vertreter der Repellenzien und gilt als das am stärksten wirksame Mittel zur Abwehr von Stechmücken in den Tropen. Bei den in Deutschland verbreiteten Schildzecken (Ixodidae) hat es sich als weniger effektiv erwiesen. Aufgrund mehr als 50-jähriger Erfahrung kann es in topischen Dosierungen von 10 bis 50 Prozent als relativ sicher eingestuft werden. Einzelne Berichte über neurotoxische Nebenwirkungen sind in der Regel auf Überdosierungen oder Verschlucken zurückzuführen.

 

Die Substanz hemmt den Abbau von Ammoniak im hepatischen Harnstoffzyklus, sodass es insbesondere bei prädisponierten Personen und Kindern zu Parästhesien und Krampfanfällen kommen kann. Bei ihnen soll DEET nicht großflächig, das heißt auf mehr als ein Fünftel der Körperoberfläche, aufgetragen werden. Auch die gleichzeitige Anwendung mit resorptions­begünstigenden Hilfsstoffen in Cremes wie Harnstoff oder Salicylsäure ist nicht zu empfehlen. Außerdem kann der Wirkstoff Kunststoffe wie Brillengläser und Möbellacke angreifen. Bei Schwangeren und Stillenden sollte immer streng das Risiko gegen den Nutzen, zum Beispiel als Prävention einer Infektion mit dem Zikavirus, abgewogen werden. Für Kinder sind die Präparate erst ab drei Jahren zugelassen.

 

Alternativen zu DEET

 

Icaridin oder auch Picaridin hat ebenfalls eine gute Schutzwirkung. 10- bis 20-prozentige Lösungen sind hinsichtlich ihrer Effektivität gegen alle Arten von Mücken mit DEET vergleichbar. Bei der Abwehr von Zecken hat sich Icaridin sogar als überlegen erwiesen. Auch in der Applikationshäufigkeit ähneln sich beide Wirkstoffe. Zum Schutz vor Zecken soll Icaridin alle vier bis fünf Stunden aufgetragen werden, als Mücken­schutz alle sechs bis acht Stunden. Icaridin kann ebenfalls zur Prävention von Malaria- und Zikavirus-Infek­tionen eingesetzt werden und stellt eine wertvolle Alternative bei DEET- Unverträglichkeit sowie in der Schwangerschaft dar. Es löst keine Kunststoffe und hat kaum zentralnervöse Nebenwirkungen. Nur selten kommt es zu Überempfindlichkeitsreaktionen und Nasenbluten. Seine Zulassung gilt bereits für Kleinkinder ab zwei Jahren.

Ethylbutylacetylaminopropionat (EPAAB, IR3535) ist im Gegensatz zu Icaridin und DEET auch gegen Wespen, Bienen und Sandmücken, die Überträger von Leishmaniose, wirksam. Es wird allerdings weniger zur Prophylaxe von Tropenkrankheiten, sondern eher in gemäßigten Klimazonen eingesetzt. Bisher sind in den 20 Jahren seiner Verwendung keine nennenswerten Nebenwirkungen bekannt geworden. Die Wirkdauer ist vergleichbar mit DEET und Icaridin, eventuell sogar etwas länger. Entsprechende Präparate sind in Deutschland zum Teil schon ab zwei Monaten sowie in Schwangerschaft und Stillzeit zugelassen. Hier sollte jedoch der Hinweis erfolgen, das Repellent nicht auf den Händen oder im Gesicht des Kindes zu verteilen, um auszuschließen, dass es in den Mund oder auf Schleimhäute von Augen und Nase gelangt.

 

Pflanzliche Mittel

 

Das effektivste pflanzliche Mittel im Spektrum ist p-Menthandiol (PMD, Citriodiol) aus dem chinesischen Zitroneneukalyptus. In Deutschland erhältliche Produkte beinhalten synthetisch hergestelltes PMD in Konzentrationen von 10 bis 40 Prozent und sind ab drei Monaten beziehungsweise einem Jahr zugelassen. Laut einem Review aus dem vergangenen Jahr (»Wilderness Environment Medicine«, DOI: 10.1016/j.wem.2015.11.007) ähnelt das Spektrum dem des Icaridins, der Effekt hält allerdings für Mücken und Zecken nur zwei Stunden an. Zudem sollte PMD aufgrund von potenziellen Hautirritationen bei Atopikern nur mit Vorsicht angewandt werden. Für die Schwangerschaft fehlen zuverlässige toxikologische Studien, sodass die Anwendung nicht empfohlen werden kann.

 

Verschiedene ätherische Öle und langkettige, gesättigte Fettsäuren (Citronellaöl, Kokosfett mit dem Hauptwirkstoff Laurinsäure) haben ihre Berechtigung vor allem bei Kindern oder sehr sensiblen Personen. Meist sind diese Mittel gut hautverträglich und Laurinsäure dient nachweislich der Zeckenabwehr. Aufgrund ihrer kurzen Wirkdauer muss die Anwendung allerdings alle zwei bis vier Stunden wiederholt werden und auch ihre Stärke ist nicht mit der der anderen Präparate vergleichbar. Ätherische Öle besitzen zudem ein dem PMD vergleichbares Allergisierungspotenzial.

 

Lange Kleidung und Moskitonetze

 

Generelle Schutzmaßnahmen in Risikogebieten sollten immer Teil der Beratung sein. Insbesondere bei Kindern unter einem Jahr, bei denen keine tropenwirksamen Repellenzien angewandt werden können, haben sie einen großen Stellenwert. Das beginnt beim Tragen heller, langärmliger Kleidung und geschlossenen Schuhwerks. Zudem sind die Zeiten der Dämmerung für Outdoor-Aktivitäten in Malariagebieten zu meiden. In der Nacht bietet ein Moskitonetz mit maximaler Maschenweite von 1,2 mm (bei Sand­mücken 0,6 mm) Schutz. Da in tropischen Breitengraden auch viele tagaktive Mücken existieren, sollten Insektizid-behandelte Textilien stets mit topisch angewandten Repellenzien kombiniert werden.

 

Sogenannte »Mückenstecker« werden an herkömmliche Steckdosen angeschlossen und wirken als Biozidverdampfer. Sie enthalten Wärmeplatten und Wirkstoffplättchen getränkt mit Pyrethroiden wie Prallethrin (NexaLotte® Mückenstecker) oder Transfluthrin (Globol® Mückenstecker). Damit können Räume für etwa acht Stunden von heimischen und tropischen Mücken befreit werden. Allerdings sind die verbreiteten Insektizide in Sachen Umwelt- und Personenschutz nicht unbedenklich. So werden Wasserorganismen bei unsachgemäßer Entsorgung stark belastet und häufig kommt es zu Reizungen der Haut, Augen und Atemwege. Ist die Anwendung dennoch nötig (etwa bei starker Mückenbelastung in Ferienhäusern oder in Epidemiegebieten), so sollten die Räume besonders von empfindlichen Personen und Kindern in dieser Zeit nicht betreten werden. Anschließend ist es wichtig, Fliegengitter anzubringen und gut zu lüften.

 

Des Weiteren existieren Ultraschallgeräte (Isotronic® Mückenstecker), die auf Basis von 7000 bis 10 000 Hertz-Wellen Insekten akustisch vertreiben sollen. Ihre Wirksamkeit konnte bisher nicht wissenschaftlich belegt werden und die Anwendung ist daher ebenfalls nicht empfehlenswert. /

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