Körper und Seele im Zwiegespräch |
18.02.2015 09:54 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, München / Körper und Psyche sind eng miteinander verbunden. So hemmt etwa Dauerstress das Immunsystem und begünstigt Entzündungsprozesse, während Wohlbefinden diese dämpft. Das Wechselspiel zwischen Nerven-, Hormon- und Immunsystem zu erforschen, ist Ziel der Psychoneuroimmunologie (PNI).
Das Immunsystem und das neuroendokrine System des Körpers haben eine »gemeinsame biochemische Sprache«, erklärte Professor Dr. Christian Schubert von der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie, Innsbruck, beim BKK-Tag in München. Das bedeutet, dass Neurotransmitter, Hormone und Zytokine von beiden »verstanden« würden. Diese Erkenntnisse könnten einen Paradigmenwechsel in der heutigen körper- und defizitorientierten Medizin einleiten.
Viele Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen psychischem Dauerstress, Immunsystem und negativen körperlichen Folgen.
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Als einen wichtigen Mediator stellte der Arzt und Psychologe das proinflammatorische Zytokin Interleukin-6 vor. In akuten Stresssituationen unterstütze IL-6 das Abtöten von Krankheitserregern, löse Fieber aus und locke Immunzellen in eine Wunde. Bei chronischem Stress schlägt der positive Effekt jedoch ins Gegenteil um: Immunfunktionen werden gehemmt. Ein Zusammenhang zwischen psychischem Dauerstress, Immunsystem und körperlichen Folgen sei in vielen Studien gemessen worden. Ein Beispiel: Ältere Menschen, die demenzkranke Angehörige pflegten, hatten vierfach höhere IL-6-Spiegel als nicht-pflegende Gleichaltrige. Andauernder Pflegestress führe zu vorschnellem Altern des Immunsystems, erhöhter Krankheitslast und kürzerer Lebenserwartung, berichtete Schubert.
Erhöhte Spiegel von Entzündungsmarkern wie IL-6 und C-reaktives Protein (CRP) sind mit vielen Erkrankungen des Alters assoziiert, etwa Hypertonie, KHK, Osteoporose, Arthritis, Typ-2- Diabetes, Demenz, Depression, Sarkopenie und Krebs. »Alterserkrankungen sind Entzündungserkrankungen«, schlussfolgerte der Wissenschaftler.
Angst ist ein Killer
Psychischer Stress könne das Krebswachstum über verschiedene Wege fördern. Schubert nannte eine erhöhte Ausschüttung von Cortisol und von proinflammatorischen Zytokinen sowie eine direkte Interaktion von sympathischem Nervensystem und Tumorzellen. Die Aktivierung des sympathischen Nervensystems steigere die Resistenz gegen Chemotherapeutika und triggere die Vermehrung und Metastasierung von Krebszellen. Plakativ gesagt: »Die Angst vor dem Rückfall ist ein Killer.« Umgekehrt konnten Betablocker, die den Sympathikus dämpfen, bei Frauen mit Brustkrebs das Risiko für Metastasen und die Mortalität deutlich senken.
Auch Entzündung und Depression können im Wechselspiel stehen und sich gegenseitig triggern. Schubert stellte das »Sickness-Behaviour«-Syndrom vor. Ausgelöst durch Infektionen, Entzündungen oder Traumata werden proinflammatorische Zytokine gebildet, die im Gehirn das typische Krankheitsverhalten auslösen: man fühlt sich müde, erschöpft und traurig, hat kaum Interesse und Appetit und kapselt sich sozial ab. Dies sei eine sinnvolle, immunologisch vermittelte Anpassungsleistung, die dem Körper hilft, Energie zu sparen für die Auseinandersetzung mit der Krankheit, sagte Schubert. Ähnliche Symptome und erhöhte Spiegel an entzündungsfördernden Zytokinen findet man auch bei depressiven Menschen. Eine chronische Immunaktivierung, zum Beispiel im Alter oder bei entzündlichen Erkrankungen, sei mit Depression assoziiert.
Positive Interaktion
Körper und Psyche können auch positiv interagieren. Frauen, die sich wohlfühlten, in guten Beziehungen lebten und ausgeprägte Lebensziele hatten, hatten in einer Studie geringere IL-6-Spiegel. Dies galt auch für Personen, die regelmäßig in die Kirche gehen. Laut Schubert habe die Studie eine lineare Beziehung zwischen der Häufigkeit des Kirchgangs und der Abnahme von IL-6-Spiegeln und Mortalität gezeigt. »Spiritualität wirkt immunprotektiv, aber das wichtigste Lebenselixier sind positive menschliche Beziehungen.« /