Laborbefunde kritisch beurteilen |
28.10.2014 10:58 Uhr |
Von Falko Strotmann / Kaum eine ärztliche Diagnose kommt ohne Laboruntersuchungen aus. Allerdings kann ein Laborbefund allein einen Erkrankten nicht von einem Gesunden unterscheiden. Erst die Kombination aus Laborwerten, klinischer Untersuchung und Anamnese erlaubt eine gesicherte Diagnose. Auch in der Apotheke haben klinisch-chemische Analysen ihren festen Platz.
Klinisch-chemische Analysen können schon aus kleinsten Mengen Probenmaterial einen enormen Informationsgehalt liefern, sofern sie richtig ausgeführt und interpretiert werden. Jeder Laborwert wird dazu mit seiner entsprechenden Referenz angegeben. Für die überwiegende Zahl der Parameter, zum Beispiel Nüchternblutzucker, Leberenzyme oder Elektrolyte, gelten Referenzbereiche. Dagegen wird beispielsweise für Tumormarker eine obere Grenze – der Cutoff – angegeben, deren Überschreiten als verdächtig zu werten ist. Dabei gilt: Ist die klinische Entscheidungsgrenze zu niedrig angesetzt, wird eine größere Zahl der Untersuchten fälschlicherweise als krank eingestuft. Umgekehrt birgt ein zu hoher Grenzwert die Gefahr, Erkrankungen zu übersehen.
Ein Referenzbereich wird üblicherweise so gewählt, dass alle Ergebnisse als normal gelten, die innerhalb eines Bereichs von zwei Standardabweichungen unter- und oberhalb des Mittelwerts eines repräsentativen Kollektivs liegen. Kann eine Normalverteilung nicht angenommen werden, bleiben stattdessen an der Unter- als auch an der Obergrenze jeweils 2,5 Prozent der Probanden unberücksichtigt, sodass die Untergrenze der 2,5-Perzentile, die Obergrenze der 97,5-Perzentile entspricht (95 Prozent-Intervall). Dadurch liegt der Messwert bei jedem 20. Gesunden außerhalb des Referenzbereichs, ohne dass dies als pathologisch zu werten ist.
Referenzbereiche werden statistisch aus einer Gruppe vergleichbarer gesunder Probanden ermittelt (Kasten). Die Auswahl des Kollektivs ist dabei sehr wichtig. So ist beispielsweise in den USA und Kanada die Anreicherung des Mehls mit Folsäure zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten gesetzlich vorgeschrieben (1). Nordamerikaner weisen somit im Schnitt deutlich höhere Folsäure-Spiegel auf als Europäer, was bei der Festlegung von Referenzbereichen für die jeweiligen Staaten berücksichtigt werden muss.
Blut ist nicht nur ein besonderer Saft, sondern auch ein besonders aussagekräftiger. Physiologische und pathophysiologische Prozesse spiegeln sich hier wider.
Foto: Superbild
»Das Hämoglobin ist seit gestern von 15,3 auf 15,0 g/dl gefallen!« Diese Aussage mag zwar inhaltlich korrekt sein, sie zeugt aber von wenig Verständnis der klinisch-chemischen Analytik. Messergebnisse und Referenzbereiche variieren je nach Analysenmethode und Testhersteller und gelten oft nur für eine genau beschriebene Methode. Analysen für Verlaufs- und Therapiekontrollen sollten daher unbedingt immer mit der gleichen Methode erfolgen. Methodenbedingte Schwankungen von bis zu 5 Prozent zwischen Wiederholungsmessungen und 10 Prozent von einem auf den nächsten Tag sind tolerabel und kaum zu vermeiden, nicht zuletzt da die biologische Variabilität zum Teil noch größer ist (2).
Bis auf wenige Ausnahmen (Entzündungsmarker, Elektrolyte) zeigen Messparameter keine sprunghaften Veränderungen. Daher sollte man ein Messergebnis möglichst auch anhand vorheriger Resultate des Patienten – dem Trend – beurteilen. Zu beachten ist, dass einige Tumormarker, je nach Halbwertszeit, nach operativer Tumorresektion innerhalb weniger Stunden auf normale Werte abfallen können.
Blutprobe im richtigen Röhrchen
Für eine korrekte Analyse von Blutparametern ist unter anderem die Wahl des richtigen Entnahmeröhrchens von größter Bedeutung. Die Röhrchen enthalten verschiedene Zusätze und lassen sich an ihrer farbigen Verschlusskappe unterscheiden (Abbildung 1). Die Bedeutung der diversen Zusätze für die geplante Analytik wird im Folgenden erläutert.
Abbildung 1: Probenentnahmeröhrchen mit verschiedenen Zusätzen lassen sich an ihrer Farbcodierung unterscheiden (von links). Weiß: Neutralröhrchen ohne Zusatz; braun: Serum-Trenngelröhrchen; pink: EDTA-Röhrchen für Blutbilderstellung; gelb: NaF-Röhrchen zur Glucosebestimmung; grün: Citrat-Röhrchen für Gerinnungsdiagnostik; blau: NH4-Heparin-Röhrchen; orange: Lithium-Heparin-Röhrchen; gelb: Urin-Röhrchen (alle Röhrchen Monovette® Firma Sarstedt)
Fotos: Labor Volkmann
Praktisch unmittelbar nach der Blutabnahme setzt die Gerinnung ein. Wird Vollblut nach Abschluss der Gerinnung (etwa 20 bis 60 Minuten) zentrifugiert, lässt sich der zelluläre Teil (Hämatokrit) vom Serum trennen. Zur Serumgewinnung hat sich die Verwendung von Trenngel-Röhrchen durchgesetzt. Das enthaltene Gel legt sich aufgrund seiner Dichte während der Zentrifugation als Trennschicht auf den Blutkuchen und bildet eine stabile Diffusionsbarriere aus, die ein erneutes Vermischen verhindert.
Zur Erstellung eines Blutbilds wird mit K2-EDTA antikoaguliertes Blut verwendet. EDTA (Ethylendiamintetraacetat) unterbindet die Gerinnungskaskade durch Komplexierung von Calcium, ohne die Blutzellmorphologie zu stark zu beeinflussen. Für die Gerinnungsdiagnostik ist EDTA-Blut jedoch ungeeignet, da die Gerinnungsfaktoren irreversibel inaktiviert werden. Hierfür eignet sich Citrat-Blut. Die Antikoagulation mit Citrat erfolgt ebenfalls über die Calciumbindung. Kurz vor der Analyse werden die Gerinnungsfaktoren durch Zugabe einer definierten Menge Calcium reaktiviert (3).
Wird Vollblut durch Antikoagulanzien wie Heparin, EDTA oder Citrat ungerinnbar gemacht und anschließend zentrifugiert, erhält man als Überstand das Plasma, das im Gegensatz zum Serum noch Gerinnungsfaktoren enthält. EDTA komplexiert neben Calcium auch Metallkationen wie Zn2+ und Mg2+ aus den aktiven Zentren degradierender Enzyme und ermöglicht so die Bestimmung von Proteinen sowie von instabilen Analyten wie ACTH (Adrenocorticotropes Hormon), Histamin, Calcitonin oder Parathormon. Es ist einleuchtend, dass viele Enzyme aus EDTA-Plasma nicht mehr bestimmt werden können. Zudem kontaminieren Na3-Citrat, K2-EDTA, Li- und NH4-Heparin das Plasma mit Kationen und verfälschen damit die Werte von Elektrolyten und Spurenelementen. Heparin verdrängt manche Analyten aus ihren Bindungsproteinen, sodass Hormone und besonders deren freie Anteile im Serum gemessen werden sollten.
Eine der häufigsten Laboruntersuchungen ist gleichzeitig auch eine der präanalytisch am meisten unterschätzten: die Blutzuckerbestimmung (2). Da die Erythrozyten im Vollblut weiterhin Glucose verbrauchen, nimmt die Glucosekonzentration stündlich um bis zu 10 Prozent ab. Neben dem zügigen Abtrennen der Blutzellen vom Serum hat sich die Zugabe von Hemmstoffen der Glykolyse wie Natriumfluorid (NaF) bewährt. NaF-Blut ist daher neben Serum das Probenmaterial der Wahl zur Bestimmung von Blutzucker sowie weiterer rasch abgebauter Metaboliten wie Lactat und Pyruvat.
Weitere Materialien: Urin und Liquor
Ein einfach zu gewinnendes Untersuchungsmaterial ist Spontanurin. Viele Analyten werden im Urin konzentriert ausgeschieden und lassen sich hier besser nachweisen als im Blut, zum Beispiel Drogen und Dopingsubstanzen, Hormonmetaboliten, Katecholamine oder Keime (3). Allerdings schwankt die Konzentration der Analyten je nach ausgeschiedenem Urinvolumen erheblich. Sinnvoller, wenn auch aufwendiger, ist daher die Urinsammlung über 24 Stunden (24-h-Urin).
Viele physiologische und pathologische Vorgänge im zentralen Nervensystem (ZNS) sind im Blut nicht erfassbar, da der Stoffaustausch zwischen Blut und ZNS durch die Blut-Hirn-Schranke stark eingeschränkt ist. Die direkte Analyse des Nervenwassers, des Liquor cerebrospinalis, umgeht dieses Problem. Die Liquorgewinnung mittels Lumbalpunktion ist aufwendig, aber unentbehrlich für die Diagnostik demyelinisierender und demenzieller Erkrankungen sowie von Infektionen des Zentralnervensystems.
Auch das Material des Probengefäßes kann das Analysenergebnis beeinflussen. Dies gilt zum Beispiel für Demenzmarker im Liquor, wie β-Amyloid, Tau-Protein und Phospho-Tau. Im Liquor von Alzheimer-Patienten finden sich erniedrigte Werte für β-Amyloid und erhöhte für Tau-Protein und Phospho-Tau. Aus Glas- und Polystyrol-Röhrchen erhält man aufgrund von ausgeprägten Adhäsionseffekten an der Gefäßwand stark verfälschte niedrige Resultate (6). Für Röhrchen aus Polypropylen sind keine Adhäsionsprozesse beschrieben. Da die Adhäsion unmittelbar einsetzt, muss bereits die Abnahme des Liquors in ein geeignetes Röhrchen erfolgen.
Hämolyse & Co.
Abbildung 2: Serum-Trenngelröhrchen (von links): Serum mit Trenngelschicht, hämolytisches und stark lipämisches Serum (Sarstedt S-Monovette® Serum-Gel Blutentnahmeröhrchen 7,5 ml)
Manche Laborbefunde sollten nur unter Vorbehalt beurteilt werden. Dies gilt zum Beispiel für Messungen aus hämolytischem, lipämischem oder ikterischem Probenmaterial (Abbildung 2). Was versteht man darunter?
Hämolyse bedeutet eine Lyse der Erythrozytenmembran. Dies passiert vorrangig durch Fehler bei der Blutentnahme und mechanische Einflüsse (Einfrieren von Vollblut, Schütteln), aber auch bereits im Körper durch Immunreaktionen, Toxine oder Medikamente. Dabei wird Hämoglobin aus Erythrozyten freigesetzt und färbt das Serum oder Plasma je nach Hämolysegrad rot. Dies kann photometrische Analysen und Farbreaktionen stören (4). Bei Parametern mit hohem Konzentrationsgefälle zwischen Plasma und Erythrozyten wie Kalium, Hämoglobin, Eisen und Lactatdehydrogenase ergeben sich falsch hohe Werte.
Lipämische Proben (erhöhter Anteil an Lipiden) sind an ihrem milchig-trüben Aussehen zu erkennen. Lipämie kann auf eine ernste Störung des Fettstoffwechsels hinweisen. Oft liegt die Ursache aber einfach in der Blutentnahme unmittelbar nach einer fettreichen Mahlzeit. Größere Lipidmengen können durch die zusätzliche Phase beispielsweise die optischen Eigenschaften der Probe sowie Antigen-Antikörper-Bindungen in immunologischen Tests beeinflussen.
Bei einer abnormalen Erhöhung des Bilirubins wird die Probe als ikterisch bezeichnet. Ursache sind meist Erkrankungen der Leber. Bilirubin, ein Abbauprodukt von Hämoglobin, färbt die Probe bräunlich bis grünlich und führt zu optischen Interferenzen.
Unter Präanalytik versteht man alle Arbeitsschritte der klinisch-chemischen Bestimmung, die vor der eigentlichen Laboranalyse liegen. Fehler bei diesen Arbeitsschritten führen zu einer Abweichung, die erheblich größer ist als die analytische Unpräzision der nachfolgenden Labormethoden. Zur Präanalytik zählen unter anderem:
Alles plausibel?
Anhand einiger Beispiele soll deutlich werden, dass Laborresultate immer hinterfragt werden sollten. Bei Extremwerten und unplausiblen Konstellationen sollte die Messung wiederholt oder sogar eine erneute Blutabnahme erwogen werden.
Eine niedrige Thrombozytenzahl (Thrombozytopenie) muss nicht zwingend auf eine Störung der Zellbildung oder eine Knochenmarkerkrankung hindeuten. In etwa 1 Prozent aller Blutbilder kommt es in EDTA-Blut durch Zellaggregation zur EDTA-induzierten Pseudothrombozytopenie mit einer falsch erniedrigten Thyrombozytenzahl von wenigen Zehntausend Thrombozyten pro Mikroliter (normal: 150 000 bis 400 000/µl) (5). Da die Thrombozytenaggregate vom Zählautomaten als Leukozyten erkannt werden können, ist oft gleichzeitig die Leukozytenzahl falsch hoch. Eine Wiederholung aus Citrat-Blut ergibt normale Werte.
Laborresultate müssen immer kritisch hinterfragt werden.
Foto: Fotolia/Zarathustra
Bei der Bewertung des Elektrolythaushalts sollte stets die Plasmaosmolalität berücksichtigt werden, da bei verminderter Flüssigkeitszufuhr oder vermehrtem Verlust (Durchfall, Blutverlust, Fieber) eine Hypo- oder Hypervolämie zu relativen Elektrolytverschiebungen führen kann. Zu den für den Organismus wichtigen Elektrolyten zählen die Kationen Natrium, Kalium, Calcium und Magnesium sowie die Anionen Chlorid, Phosphat und Bicarbonat. Aufgrund seines überwiegend intrazellulären Vorkommens finden sich erhöhte Kaliumwerte vorrangig bei Erkrankungen, die mit einem Gewebeuntergang (Traumata, Zytostatika- und Strahlentherapie) einhergehen. Eine artifizielle Pseudohyperkaliämie lässt sich häufig beobachten und resultiert aus falscher Lagerung von Vollblut und zu langer Venenstauung mit Hämolyse.
Die Untersuchung von Enzymen, die charakteristisch für die Leber sind, ist bei zahlreichen Lebererkrankungen diagnostisch hilfreich (siehe auch Titelbeitrag in PZ 07/2014). Die wichtigsten gemessenen Leberenzyme sind:
Bei der Interpretation der Leberenzymwerte muss man bedenken, dass nur die ALT weitgehend leberspezifisch ist, während sich die AST auch in der Herz- und Skelettmuskulatur findet. Erhöhungen der alkalischen Phosphatase sind noch unspezifischer und können neben einer hepatischen auch ossäre (wie Frakturheilung), renale und endokrine Ursachen haben. Daher ist zur Differenzialdiagnose immer auch die Bestimmung der γ-GT angezeigt. Zudem werden Leberenzyme abhängig vom Schweregrad der Schädigung ins Blut freigesetzt. Während die membrangebundene γ-GT bereits bei Cholestase oder Alkoholismus erhöht ist, steigt die ALT als zytoplasmatisches Enzym erst bei schwerer Leberzellschädigung (Virushepatitis, Leberzirrhose) an. Daher gilt sie auch als Parameter der Leberzellnekrose. Die AST, in den Mitochondrien lokalisiert, steigt erst bei massiver Leberschädigung an.
Tumormarker nicht zum Screening
Ein sensibles Thema ist die Bestimmung von Tumormarkern. Diese werden zur Differenzialdiagnose, Lokalisation, Therapiekontrolle und Prognosebeurteilung von malignen Erkrankungen herangezogen. Allerdings sind die meisten Marker weder organ- noch tumorspezifisch und können auch bei benignen Erkrankungen erhöht sein. Zum Beispiel kann der CEA-Spiegel (Carcinoembryonales Antigen) bei Rauchern – ohne Hinweis auf einen Tumor – bis zu 20 ng/ml betragen (normal: Cutoff < 5 ng/ml). CEA ist unspezifisch bei vielen malignen Erkrankungen erhöht, in erster Linie bei Tumoren des Gastrointestinaltrakts und der Lunge.
Als Screeningparameter zur Krebsvorsorge sind Tumormarker in der Regel gänzlich ungeeignet. Eine der wenigen, aber viel diskutierten Ausnahmen ist das Prostata-spezifische Antigen (PSA) zur Früherkennung eines Prostatakarzinoms.
Arzneimittel als Störfaktoren
Eine ganze Reihe von Arzneistoffen kann Laborwerte klinisch relevant verändern. Sofern die Grunderkrankung es zulässt, sollte der Patient die Therapie vor der Blutentnahme aussetzen.
Ein klassischer unterschätzter Störfaktor für klinisch-chemische Analysen: orale Kontrazeptiva
Foto: Fotolia/thingamajiggs
Die Schilddrüsenfunktion wird anhand des basalen TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon) und der freien Hormone Thyroxin (fT4) und Triiodthyronin (fT3) bestimmt. Die medikamentöse Therapie einer Hypothyreose (erniedrigtes fT4 bei erhöhtem TSH) erfolgt mit L-Thyroxin. Da dieses chemisch identisch mit körpereigenem T4 ist, wird es bei der Therapiekontrolle im Schilddrüsenstatus miterfasst. Je nach Fragestellung ist dem Patienten daher zu raten, die tägliche L-Thyroxin-Dosis erst nach der Blutentnahme einzunehmen.
Das iodhaltige Klasse-III-Antiarrhythmikum Amiodaron ist nicht nur aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite problematisch. Es ist auch mit zahlreichen Störungen der Schilddrüsenfunktionsparameter assoziiert. Ursache ist neben seinem hohen Gewichtsanteil an Iod (39 Prozent) vor allem die strukturelle Ähnlichkeit zu Thyroxin und Triiodthyronin. Unter Dauertherapie resultiert eine über dem 100-Fachen des täglichen Bedarfs liegende Iodfreisetzung mit Induktion einer therapiepflichtigen Hypo- oder Hyperthyreose. Amiodaron kann beispielsweise über eine Konversionsstörung bei der Umwandlung von fT4 in fT3 zu unplausiblen Schilddrüsenwerten mit erniedrigtem fT3 und gleichzeitigem Anstieg von fT4 und TSH führen (7). Therapiebegleitend ist es daher notwendig, die Schilddrüse regelmäßig zu kontrollieren und Veränderungen ohne Krankheitswert von manifesten, behandlungsbedürftigen Funktionsstörungen zu unterscheiden.
Methadon, Phenylbutazon und Furosemid verändern die Schilddrüsenhormonwerte durch Einfluss auf die Konzentration der Transportproteine. Salicylate und insbesondere Heparine konkurrieren um freie Bindungsstellen und erhöhen somit akut die fT4-Konzentration (8).
Etliche Arzneistoffe, die zu einer abnormalen Thrombozytenaggregation führen, verfälschen Thrombozyten-Funktionstests (9). Die bedeutsamsten sind Antiphlogistika und β-Lactam-Antibiotika. Acetylsalicylsäure muss zehn Tage, nicht-steroidale Antirheumatika wie Diclofenac oder Naproxen sollten fünf Tage vor der Blutentnahme abgesetzt werden.
Der Tumormarker Chromogranin A eignet sich sowohl für die Primärdiagnostik neuroendokriner Tumoren, insbesondere dem Phäochromozytom, als auch für die Verlaufskontrolle nach Resektion oder Chemotherapie. Unter Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren oder H2-Rezeptor-Antagonisten kann Chromogranin A um den Faktor zehn und mehr erhöht sein. Nach Absetzen normalisieren sich die Werte innerhalb von zwei Wochen (10).
Foto: Fotolia/ Alexander Raths
Gastrin, ein Hormon aus dem Magenantrum, wird für die Differenzialdiagnostik der Gastritis genutzt, beispielsweise bei Verdacht auf das Zollinger-Ellison-Syndrom. Zuvor sollten alle medikamentösen Maßnahmen zur Reduktion der Magensäuresekretion abgesetzt werden, da sie ebenfalls in einer ausgeprägten reflektorischen Hypergastrinämie resultieren.
Ein klassischer unterschätzter Störfaktor sind orale Kontrazeptiva. Die Wirkung der synthetischen Hormone (meist Ethinylestradiol plus Gestagen) macht die Labordiagnostik hormoneller Störungen nahezu unmöglich.
Ethinylestradiol senkt über ein negatives Feedback die Ausschüttung der zyklusregulierenden Hormone Luteinisierendes Hormon (LH) und Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) aus der Hypophyse; im Laborbefund erscheinen diese supprimiert. Gleichzeitig werden Androgene wie Androstendion und Dehydroepiandrosteron gesenkt. Durch die Steigerung der hepatischen Synthese des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) sinkt der Anteil an freiem, biologisch aktivem Testosteron (11). Während die Sekretion von LH und FSH nach Absetzen der Pille praktisch im nächsten Zyklus wieder einsetzt, normalisiert sich der SHBG-Spiegel erst nach etwa drei Zyklen.
Neben physiologischen (Schwangerschaft, Stillen) und pathologischen (Hypophysenadenom) Ursachen führen vor allem Arzneistoffe, die mit dem hypothalamischen/hypophysären Dopaminsystem interagieren, zu einer Hyperprolaktinämie. Hierzu zählen zum Beispiel Metoclopramid, Chlorpromazin, Perphenazin, Haloperidol, Sulpirid und trizyklische Antidepressiva (13). Mögliche Anzeichen eines erhöhten Prolaktinspiegels sind bei Frauen vorrangig Zyklusstörungen (Amenorrhö, Anovulation), bei Männern dominieren Libidoverlust und erektile Dysfunktion. Bei erhöhtem Prolaktin oder entsprechenden Symptomen ist eine sorgfältige Medikamentenanamnese daher obligat.
Das Krankheitsbild des primären Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) ist vorrangig geprägt von einer massiven Hypertonie und betrifft bis zu 12 Prozent aller Hypertoniker (12). Ursache ist ein Aldosteron-produzierendes Adenom der Nebennierenrinde. Zur Diagnostik wird dem Patienten physiologische Kochsalzlösung infundiert. Als Reaktion auf die Natriumzufuhr fällt beim Gesunden durch Suppression der Reninausschüttung das Aldosteron ab; bei Patienten mit Conn-Syndrom bleibt der Abfall aufgrund der autonomen Aldosteronsekretion aus. Für ein verwertbares Testergebnis müssen alle Arzneistoffe, die das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) beeinflussen können (ACE-Hemmer, Sartane, Spironolacton und Diuretika, aber auch Betablocker und Calciumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ) zwei bis vier Wochen vor dem Test abgesetzt werden. Zur Behandlung der Hypertonie kann in dieser Zeit auf α-Rezeptorenblocker wie Doxazosin und Urapidil, den Calciumkanalblocker Verapamil oder den direkten Renininhibitor Aliskiren ausgewichen werden (14).
ANALYT | INDIKATION/RISIKO |
---|---|
Kapillarblut (Test in der Apotheke) | |
Glucose (auch Heimtest) | Diabetes mellitus |
HbA1c | Diabetes mellitus |
Quick/INR | Antikoagulans-Therapie |
Lipidprofil: HDL-, LDL-Cholesterol, Triglyceride | Gefäßerkrankungen |
C-reaktives Protein (CRP) | Infektionen, Entzündungen |
Kreatinin | Nephropathie |
Hämoglobin | Anämie |
Harnsäure | Gicht |
Leberenzyme (γ-GT, ALT, AST) | Hepatitis |
Urin (Heimtest) | |
Mikroalbumin | Nephropathie |
HCG | Schwangerschaft |
Stuhl (Heimtest) | |
Okkultes Blut | Darmpolypen |
HCG: humanes Choriongonadotropin, HDL: High Density Lipoprotein, LDL: Low Density Lipoprotein, INR: International normalized ratio
Klinische Chemie in der Apotheke
Das pharmazeutische Personal kann klinisch-chemische Untersuchungen in der Apotheke in Form von patientennaher Sofortdiagnostik (Point-of-Care-Testing, POCT) anbieten (Tabelle). Die rechtliche Grundlage ist durch § 1a der Apothekenbetriebsordnung gegeben, der die Durchführung zu den apothekenüblichen Dienstleistungen zählt. Seit 2008 gilt auch für Apotheken die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen, kurz RiliBÄK (15).
Typisch für die patientennahe Sofortdiagnostik ist die Teststreifenanalytik, die den manuellen Aufwand minimiert und eine kurze Messdauer erlaubt. Schritte zur Probenvorbereitung wie Zentrifugation, Extraktion oder Verdünnung entfallen, gemessen wird aus einfach zu gewinnenden Materialien wie Kapillarblut. Dessen Verwendung aus leicht zugänglichen Punktionsstellen wie Fingerbeere, Ohrläppchen oder Ferse ist besonders vorteilhaft, wenn für Analysen nur sehr kleine Blutvolumina erforderlich sind oder die Probengewinnung, wie bei Kleinkindern, schwierig ist.
Analysen in der Apotheke eignen sich eingeschränkt zur Früherkennung von Erkrankungen wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen oder Lebererkrankungen. Auch Untersuchungen, die der Patient zu Hause durchführt, wie die Überwachung des Blutzuckerspiegels, die Verwendung von Urinteststreifen sowie der Schwangerschaftstest zählen zur patientennahen Sofortdiagnostik. Die Resultate der Schnelltests können eine ärztliche Diagnose nicht ersetzen; auffällige Ergebnisse erfordern immer einen Arztbesuch zur weiteren Abklärung. Hieraus resultiert eine besondere Verantwortung des Apothekers. Entsprechend vorsichtig und im Kontext sollte er Testergebnisse beurteilen. /
Falko Strotmann studierte Pharmazie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Nach der Approbation 2007 begann er seine Dissertation am Institut für Biochemie und wurde 2011 promoviert. Parallel absolvierte er den Studiengang Chemie und schloss 2012 mit dem Master of Science ab. Seitdem ist er im Labor Dr. Volkmann in Karlsruhe als Wissenschaftlicher Leiter der Abteilung Endokrinologie/Immunologie tätig.
Dr. Falko Strotmann
MVZ Labor PD
Dr. Volkmann und Kollegen GbR
Kriegsstraße 99
76133 Karlsruhe
E-Mail-Adresse: f.strotmann(at)laborvolkmann.de