Jetzt geht’s App |
21.10.2014 09:48 Uhr |
Von Nicole Schuster / Spezielle Anwendungsprogramme für das Smartphone gehören für die meisten Menschen zum Alltag. Viele nutzen auch Apps zu Gesundheitsthemen. Apotheker punkten als Gesundheitsexperten, wenn sie im Kundengespräch die Chancen und Risiken dieser Form der Informationsvermittlung darstellen. Der Titelbeitrag gibt einen Überblick für Einsteiger und Anwender.
Unterwegs kurz den Fitnesszustand checken oder Antworten auf Ernährungsfragen finden: Applikationen für ein Smartphone oder einen Tablet-PC (kurz »App« genannt; Kasten) machen das möglich. Die Applikationen richten sich je nach Thematik und Design an eine bestimmte Zielgruppe: Gesunde und Kranke, Männer und Frauen, Alt und Jung, Leistungssportler und »Couch-Potatoes«.
Kein Training ohne Smartphone und Fitness-App: Für viele junge Leute ist das selbstverständlich.
Foto: Shutterstock/Syda Productions
Tatsächlich genutzt werden Apps vor allem von der jungen Generation. Etwa 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen geben laut einer repräsentativen Umfrage der Kommunikationsberatung MSL Germany von 2012 an, dass sie Gesundheits-Apps gerne um Rat fragen. Besonders beliebt sind solche mit Fitness- und Ernährungstipps. Interessant ist, dass in Deutschland vor allem Männer die Mini-Programme nutzen, während dies in den USA vor allem Frauen tun.
Apps zu gesundheitsbezogenen Themen werden unter dem Begriff »Mobile Health« (mHealth) zusammengefasst. Professor Dr. Viviane Scherenberg, Dekanin des Fachbereichs Prävention und Gesundheitsförderung an der Apollon-Hochschule der Gesundheitswirtschaft GmbH in Bremen, weist auf einen wichtigen Unterschied zwischen Medizin- und Gesundheits-Apps hin. Während theoretisch jeder medizinische Laie mit den nötigen Programmierkenntnissen sein Halbwissen zu Themen wie Fitness, Vorsorge oder Impfen mit einer App verbreiten könne, seien bei Medizin-Apps die Auflagen strenger, erläutert die Expertin gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. »Medizin-Apps verfolgen eine medizinische Zweckbestimmung, etwa zur mobilen Visite, zur Betrachtung von Röntgenbildern oder Unterstützung der Diagnostik und Therapieentscheidung. Solche Apps unterliegen dem Medizinproduktegesetz und müssen vor ihrem Markteintritt ein Zulassungsverfahren durchlaufen.«
Unter der Kurzbezeichnung »App« versteht man Anwendungsprogramme für Smartphones und Tablet-Computer, die dem Nutzer bestimmte Funktionen zur Verfügung stellen. Programme wie Taschenrechner, Wecker oder Kalender sind in der Regel schon beim Kauf des Geräts vorhanden. Wer jedoch erweiterte Funktionen, zum Beispiel gesundheitsbezogene, nutzen möchte, muss entsprechende Programme herunterladen. Die meisten Applikationen sind über den AppStore (für Apple-Geräte) und Google Play (für Android-Geräte) verfügbar und lassen sich mit wenigen Klicks auf dem Endgerät installieren. Voraussetzung dafür ist eine Verbindung zum Internet.
Vielfältige Anbieter
Wie gut Apps im Berufsalltag ankommen können, zeigt eine Umfrage von Kantar Media. Demnach nutzen etwa 78 Prozent der Ärzte ihr Smartphone zu beruflichen Zwecken. In Deutschland können Fachgruppen, etwa Apotheker, von speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Apps profitieren. In der Tabelle 1 (Seite 30) sind etliche Beispiele aufgeführt.
Auch die Pharmazeutische Zeitung bietet eine App an. Damit können sich die Nutzer mit Nachrichten des Tages aus Pharmazie, Medizin, Gesundheitspolitik und Wirtschaft auf dem Laufenden halten, haben Zugriff auf Stellen- und Kleinanzeigen für pharmazeutisches Fachpersonal und können sich über neue Produkte, Aktionen und Infomaterial rund um die Gesundheit informieren.
Es gibt sowohl kostenpflichtige als auch kostenlose Programme. Einige Apps sind besonders trickreich. Sie kosten an sich nichts, doch der volle Nutzen ist kostenpflichtig. Krankenkassen bieten Anwendungen für verschiedene Zwecke in der Regel kostenlos an. Wenn ein Kunde beispielsweise eine Reise plant, kann er sich mit der App »Auf Reisen« von der Techniker Krankenkasse über notwendige Reiseimpfungen informieren. Eine fachliche Reiseberatung durch den spezialisierten Arzt oder Apotheker ersetzt dies freilich nicht. Für werdende Eltern kann die Baby-App der AOK Bayern interessant sein. Die Anwendung informiert zur Schwangerschaft und deren Verlauf, hilft bei der Namenswahl und erinnert nach der Geburt an Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen für das Kind. In einem Babytagebuch können Eltern besonders schöne Erinnerungen festhalten.
Informativ und nützlich: die PZ Info App (links) und der Apotheken-Notdienstfinder der ABDA
Foto: ABDA/PZ
Institutionen wie der aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. (aid) erweitern mit Apps ebenfalls ihren Service. Vom aid gibt es beispielsweise die Applikation »Was ich esse«. Verbraucher dokumentieren, was sie pro Tag zu sich nehmen, und erhalten eine Auswertung gemäß der wissenschaftlich fundierten aid-Ernährungspyramide. Die von der App erstellte, individuelle aid-Ernährungspyramide kann über soziale Netzwerke wie Facebook mit anderen geteilt werden. Auch Pharmafirmen haben den Wunsch der Verbraucher nach den kleinen mobilen Programmen erkannt. Wer ihre Apps nutzt, muss allerdings oft Eigenwerbung in Kauf nehmen, die mitunter auch versteckt ist.
Die großen Apothekensoftware-Häuser wie Lauer-Fischer, Awinta, Pharmatechnik, ADG und Asys bieten ebenfalls Applikationen an. Diese sind teilweise kostenlos und bieten Services wie Apothekensuche oder eine Direktverbindung in die Apotheke mit der Möglichkeit, dort Medikamente zu bestellen. Sie helfen auf vielfältige Weise bei der Kundenbindung und ermöglichen es, die individuelle Medikation eines Patienten ständig im Blick zu halten. Auch ein Büro für unterwegs ist im Angebot, das besonders bei Filialapotheken interessant sein dürfte.
Apps helfen nicht nur Anbietern im Gesundheitswesen, ihre Kundengruppen gezielt anzusprechen und zu informieren, sondern können auch der Forschung nützen. Dies ist dann möglich, wenn Forscher die Daten der Nutzer verarbeiten dürfen. So ergab die Auswertung aus Zyklus-Apps, dass der durchschnittliche weibliche Zyklus in Asien etwa drei Tage länger dauert als angenommen.
In puncto Prävention ist lobenswert, dass sich dank Apps anscheinend auch Menschen mit dem Thema Gesundheit beschäftigen, die sonst eher als Gesundheitsmuffel galten. Aufklärung und Informationen zu Vorsorge und Vorbeugung können gezielt zur Prävention genutzt werden.
Name | Herausgeber | Preis | Das leistet sie |
---|---|---|---|
Apotheken-App der ABDA | ABDA | Ab 0,79 Euro | ermittelt den aktuellen Standort und erstellt eine Liste der zehn nächstgelegenen Apotheken (tagsüber und Notdienst); ortsbezogene Suche der rund 21 000 deutschen Apotheken |
Apotheke vor Ort – Ihre Stammapotheke | Wort & Bild Verlag | kostenlos | Antworten auf Gesundheitsfragen in acht Sprachen |
Arznei aktuell | ifap | kostenlos | vollständige und aktuelle Arzneimitteldatenbank von ifap |
Arzneimittel Pocket | Börm Bruckmeier Verlag GmbH | 24,98 Euro (14,99 Euro Arzneimittel-Teil, 9,99 Euro Therapie-Teil) | schnelle Information über Arzneimittel mittels Suchfunktion nach Handelsnamen, Wirkstoffen oder Therapieindikation |
Embryotox | Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité | kostenlos | Auskunft zum Risikoprofil von über 420 Wirkstoffen in Schwangerschaft und Stillzeit |
Glow Ovulation Period Tracker | Glow®, Inc. | kostenlos | Eisprungkalender zeigt fruchtbare Zeit |
Labormedizin Pocket | gesponsert von Roche Diagnostics | kostenlos | ausführliche Informationen zu allen wichtigen klinischen Parametern, inklusive Normwerten, Messmethoden und Hilfestellungen zur Interpretation |
Medscape | WebMD, LLC | kostenlos | schnelles Nachschlagen von Arzneimitteln und Krankheitsbildern auf Englisch |
PZ Info | Govi-Verlag | kostenlos | bietet tagesaktuelle Nachrichten, einen Marktkompass, den Stellen-/PZ-Markt und die Pollenflugvorhersage |
Rote Liste® Medikamente | Rote Liste® Service GmbH | 7,99 Euro | Arzneimittelverzeichnis für Deutschland |
Alle Apps für die Betriebssysteme Android und iOS. Android ist das von Google kontrollierte Betriebssystem für mobile Geräte. iOS ist das von Apple entwickelte mobile Betriebssystem, das auf Apple-Geräten wie dem iPhone oder iPad genutzt werden kann.
Die Bedeutung moderner Medien zur Gesundheitsinformation untersuchte jüngst die MSL-Gesundheitsstudie 2014, die die Kommunikationsagentur MSL Germany zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen SKOPOS durchgeführt hat. Im Mittelpunkt der Umfrage stand das Apothekenteam.
102 PTA wurden zu verschiedenen Multimedia-Themen befragt und die Ergebnisse anschließend in telefonischen Interviews mit zehn Apothekern vertieft.
»Die Ergebnisse der MSL-Gesundheitsstudie zeigen, dass die Digitalisierung auch in der Apotheke angekommen ist. Apotheker und PTA nutzen das Internet für berufliche Zwecke, unter anderem zur Information und Weiterbildung«, fasst Wigan Salazar, Geschäftsführer der MSL-Group Germany, zusammen. Viele PTA könnten sich zudem vorstellen, Apps in die Beratung einzubeziehen. 79 Prozent der befragten PTA gaben an, das Web mindestens einmal täglich für berufliche Zwecke zu nutzen; rund 52 Prozent finden Apps sinnvoll, die Kontraindikationen mit anderen Medikamenten aufzeigen. Für 46 Prozent sind Apps mit einer Erinnerungsfunktion für die Medikamenteneinnahme eine gute Idee.
Mehr Fitness mit App-Hilfe
Zu Gesundheits-Apps zählen auch Anwendungen zur Verbesserung der Fitness. Doch nicht jeder dieser Applikationen gelingt es, den Nutzer längerfristig zu motivieren.
»Eine gute Fitness-App ist leicht verständlich und anschaulich und gibt am besten gesprochene Erläuterungen«, erklärt Professor Dr. Christine Graf, Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft an der Deutschen Sporthochschule Köln und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. Viel Text, der erst mühsam auf dem kleinen Gerät gelesen werden muss, sei eher abschreckend. Eine gute Applikation sollte vielseitig sein, also verschiedene Sportarten bedienen oder zu einer Sportart viele Übungen anbieten. Vorteilhaft sei es, wenn individuelle Faktoren wie Körpergewicht oder Fitnessziele berücksichtigt werden. Dass eine App, etwa ein Schrittzähler, valide sein muss, sollte sich von selbst verstehen.
»Ganz wichtig sind auch Belohnersysteme. Sie müssen eingebaut sein, um die Anwender bei der Stange zu halten«, so Graf. Eine aktuelle Studie wirkt hier eher ernüchternd. Ein Vergleich von Apps habe gezeigt, dass Strategien wie Rückfall-Management, motivierende Beratung oder Detektion von Hindernissen selten angeboten werden.
Immer nah, immer da: Wearables
Blutdruck und Puls prüfen und die Daten schnell an den Computer schicken: Gesundheits-Apps machen’s möglich.
Foto: Shutterstock/Denys Prykhodov
Zusätzlichen Schwung könnte die Nachfrage nach Fitness-Apps durch die neuen Wearables (wearable computer) bekommen. Dies sind kleine, tragbare Geräte, die am Körper des Nutzers befestigt sind.
Ein Beispiel sind die gerade angesagten Fitness-Armbänder, die man beim Sport oder auch im Alltag am Handgelenk trägt. Die Geräte messen, am besten über einen Brustgurt, physiologische Funktionen wie die Herzfrequenz, zählen Schritte und informieren über den Kalorienverbrauch. Sie lassen sich an das Smartphone oder einen Tablet-PC anschließen. Über eine App werden die aufgezeichneten Daten ausgewertet, Angaben zum körperlichen Leistungsstand und Trainingsvorschläge gemacht. Mit den Daten können sich Anwender mit anderen Sportlern messen.
Völlig risikofrei ist das nicht. Denn angefeuert von Appellen der App und angestachelt durch andere, vermeintlich bessere Athleten ist die Versuchung groß, sich zu überfordern und Überlastungssignale zu überhören. Der Grat zwischen ausreichender Motivation und ungesundem Ehrgeiz ist also schmal. Ein weiteres Minus ist, dass die App – anders als ein menschlicher Trainer – nicht auf Haltungsfehler aufmerksam macht.
Datenschutz mit Fragezeichen
Bei mHealth werden sensible, personenbezogene Daten auf möglicherweise fraglichen Wegen übertragen und verarbeitet. Beim Datenschutz heißt es daher: genau aufpassen und immer das Kleingedruckte lesen.
Vertrauenswürdige Apps machen in ihrem Impressum Angaben zur Datennutzung. Fehlt das Impressum, sollte das misstrauisch machen. Apps, die nicht ausschließen, dass empfindliche Daten an Dritte weitergegeben oder anderweitig zweckentfremdet genutzt werden können, sind nicht seriös. Gelangt beispielsweise eine Versicherung an bestimmte Informationen, schließt sie die Person möglicherweise von bestimmten Leistungen aus oder versichert sie nur gegen Auflagen. Im eigenen Interesse sollten Nutzer auf Apps mit unklarem Datenschutz besser verzichten.
Eine grundsätzliche Empfehlung sind Anbieter, die ihren Sitz oder eine datenverarbeitende Niederlassung in Deutschland haben. Sie unterliegen dann dem hiesigen Datenschutz, der um einiges strenger ist als in anderen Ländern, beispielsweise den USA.
Wichtig sind eine gute Verschlüsselung für die Passworteingabe, ein sicheres Passwort, das nicht auf dem Gerät gespeichert wird, und eine sichere Internetverbindung. Zu bedenken ist auch, was mit den Daten geschieht, wenn das Handy verloren geht oder gestohlen wird.
Seriöse Apps weisen darauf hin, dass die selbst ermittelten Diagnosen nicht den Arztbesuch ersetzen.
Foto: Shutterstock/spaxiax
Viele Apps greifen auf andere Programme und Funktionen des Endgeräts zu. Doch das ist für ein reibungsloses Funktionieren meist gar nicht nötig. Man sollte sich fragen, wozu die Anwendungen die Daten dann brauchen. Auch auf Informationen im Nutzerprofil von sozialen Netzwerken wie Facebook greifen bestimmte Apps zu. Wer hier aktiv ist, sollte sich ebenfalls überlegen, wie viel Zugriffsrechte eine App auf die dort hinterlegten Angaben haben darf. Bei bereits installierten Apps kann man beispielsweise unter »Einstellungen« überprüfen, welche Berechtigungen verzeichnet sind.
Auch die Zuverlässigkeit und Funktion bergen ein potenzielles Sicherheitsrisiko. Patienten, die beispielweise mithilfe von Apps ihren Herzrhythmus, Blutzucker oder Blutdruck überwachen, sind darauf angewiesen, dass die Programme einwandfrei funktionieren. Für Verbraucherschützer ist die Balance schwierig: Einerseits wollen sie technische Neuerungen, die Erleichterungen schaffen können, nicht behindern. Andererseits muss natürlich die Patientensicherheit an erster Stelle stehen.
Woran erkennt man eine gute App?
Nutzerkommentare und Angaben des Herausgebers können Anhaltspunkte geben, wie viel oder wenig Vertrauen man einer App entgegenbringen sollte. Doch für den Laien bleibt es schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Um die Qualität von Gesundheits-Apps einzuschätzen, kann sich der Apotheker als Ansprechpartner anbieten. Zur Unterscheidung einer guten von einer schlechten App gibt es mittlerweile von Experten definierte Kriterien (Tabelle 2). Von einer App mit unbekanntem Herausgeber oder einem Herausgeber, der mit Gesundheit nichts zu tun hat, sollte abgeraten werden.
Qualitätskriterium | Erläuterungen |
---|---|
Autorenschaft und medizinische Richtigkeit | Die gesundheitsbezogenen Inhalte der App müssen von einem medizinischen Experten erstellt oder geprüft sein. Name und Angabe der fachlichen Qualifikation sowie Kontaktadresse sind abrufbar. |
Aktualität und Relevanz der verwendeten Quellen | Alle gesundheitsbezogenen Aussagen sind durch wissenschaftlich akzeptierte und aktuelle Quellen belegt. |
Produkt- und Werbefreiheit | Die gesundheitsbezogenen Aussagen werden weder durch Werbepartner noch durch Sponsoren beeinflusst. |
Sponsorenhinweis | Ist ein Sponsor an der Finanzierung der App beteiligt, so wird dieser auf der Startseite der App genannt. |
Finanzierungsquelle | Eine Finanzierung durch Sponsoren, Werbepartner, öffentliche Fördermittel, Steuergelder et cetera wird angegeben. |
Daten- und Verbraucherschutz | Es werden durchgehend die gültigen Datenschutzbestimmungen nach deutschem Recht erfüllt. Die App erfragt nur Berechtigungen, die für ihre Funktion notwendig sind. |
Freiwillige Selbstkontrolle | Verstöße gegen den HealthOn-App-Ehrenkodex kann jeder Nutzer melden und der Anbieter muss diese beseitigen. Bei Einhaltung kann ein App-Anbieter mit dem HealthOn-App-Siegel werben. |
Der Preis ist indes kein hilfreiches Kriterium. Kostenlos bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Qualität schlecht ist. Scherenberg erklärt, dass es vielmehr auf das ökonomische Interesse ankomme. »Krankenkassen und Pharmaunternehmen initiieren kostenlose Gesundheits-Apps, um Krankheitskosten einzusparen, ihr Image zu steigern oder Kunden zu gewinnen oder zu binden.« Sie rät Nutzern, sich an bewährten Transparenzkriterien, beispielsweise dem HealthonApp-Siegel (www.healthon.de) von der HealthOn-Initiative zu orientieren (entwickelt von der Initiative Präventionspartner unter Leitung von Apothekerin Dr. Ursula Kramer). Hier erhalten Verbraucher Hinweise, worauf beim Datenschutz, bei Finanzierungsquellen, fachlicher Qualifikation des Autors und den verwendeten Datenquellen zu achten ist.
»Eine seriöse App weist darauf hin, dass sie keinen Arztbesuch ersetzen kann«, betont Scherenberg. Dies ist ein wichtiger Punkt in der Beratung von Patienten, da gerade junge Menschen die Bedeutung von Informationen aus dem Internet oder von Apps überschätzen. Der Umfrage von MSL Germany aus dem Jahr 2012 zufolge holen etwa 60 Prozent der 18- bis 29-Jährigen bei leichten Erkrankungen wie Erkältung, Warzen oder trockener Haut im Internet Informationen ein und versorgen sich anschließend selbst mit den empfohlenen Medikamenten. Der Arzt hat in diesem Modell ausgedient. Davor warnt die Expertin: »Diagnose-Apps können nie das Wissen, die Erfahrung, das menschliche Einfühlungsvermögen und das technische Equipment eines niedergelassenen Arztes ersetzen.«
Vor diesem Hintergrund hält Scherenberg zum Beispiel Hautkrebs-Apps für kritisch. Diese Programme sollen die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung mittels automatisierten Algorithmen zur Auswertung von Muttermal-Bildern berechnen. Knapp ein Drittel der Testfälle werde falsch negativ eingeschätzt, das heißt der Patient ist krank, der Test erkennt das aber nicht. Zudem entscheide kein Arzt, welche Muttermale überhaupt näher angeschaut werden müssen, sondern der Patient selbst. Fehleinschätzungen sind laut Scherenberg programmiert.
Apotheker können im Berufsalltag von Apps profitieren, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Foto: Shutterstock/racorn
Mittlerweile haben einige Institutionen erkannt, dass beim Qualitätsmanagement von Gesundheits-Apps Handlungsbedarf besteht. So bietet der TÜV als kostenpflichtiges Prüfverfahren die »Check your App«-Zertifizierung an, mit der auch Apps zu Gesundheitsthemen geprüft werden können. Auf der Plattform www.appcheck.de können Nutzer Ergebnisse des Zentrums für Telematik im Gesundheitswesen (ZTG) einsehen, das Gesundheits-Apps mit Schwerpunkt Diabetes prüft. Eine technische und inhaltliche Überprüfung aller Gesundheits-Apps durch eine unabhängige Instanz ist jedoch angesichts der immensen Flut an diesen Anwendungen nicht möglich.
Zukunft ungewiss
Die Entwicklungsmöglichkeiten, die Apps bieten, haben mittlerweile auch Politiker erkannt. So ist mHealth seit Anfang April 2014 Thema eines von der EU-Kommission angeregten, öffentlichen Diskurses mit dem Ziel, das Potenzial der Anwendungen besser auszuschöpfen.
Ob die heute so gefragten Gesundheits-Apps in ein paar Jahren noch eine Rolle spielen, kann heute keiner voraussehen. »Im Hinblick auf die Qualität und die Wirksamkeit von Apps gibt es noch keine Langzeitstudien und -erkenntnisse«, sagt Scherenberg.
Sie hält eine Marktbereinigung für wahrscheinlich und glaubt, dass sich Gesundheits-Apps erst einmal langfristig beweisen müssen. »Erste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass ein Drittel aller Apps schon nach drei Monaten nicht mehr genutzt werden oder direkt nach dem Download wieder gelöscht werden.« Grundsätzlich wichtig und zukunftsweisend sei eine stärkere Nutzeraufklärung. »Nur so können sich seriöse Apps unter der Mitarbeit von gesundheitlichen Experten durchsetzen.«
Hilfreich können Apps schon heute vor allem für Patienten sein, die an chronischen Erkrankungen wie Diabetes leiden. Der Apotheker kann sich hier als moderner Gesundheitsexperte beweisen, der Potenziale kennt, aber auch vor Gefahren warnt. /
Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin in Bonn, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach dem zweiten Staatsexamen und der Approbation 2010 absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und arbeitet seitdem an ihrer Dissertation zu traditionellen pflanzlichen Heilmitteln.
Nicole Schuster
Zimmererstraße 9
92318 Neumarkt
E-Mail-Adresse: nicole.m.schuster(at)gmx.de