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Schweres Asthma

Was hilft, wenn nichts mehr hilft

11.06.2014  09:49 Uhr

Von Maria Pues, Wiesbaden / Nicht alle Patienten sprechen ausreichend auf die gängigen Asthma-Medikationen an. Ändern könnten dies in absehbarer Zeit neue Möglichkeiten in Therapie und Diagnostik.

»Die Zeit, in der wir Asthma als uniforme Diagnose gesehen haben, ist vorbei«, konstatierte Professor Dr. Roland Buhl vom Universitätsklinikum Mainz auf dem Internistenkongress in Wiesbaden. Das hebe aber bekannte Klassifizierungen nicht auf, sondern ergänze sie. Vor allem schwere Asthmaformen würden nun in verschiedene Subgruppen (Phänotypen) unterschieden und jeweils individuell behandelt. Buhl stellte vier wichtige Phänotypen vor. Welche Therapieoptionen für sie derzeit beziehungsweise in Zukunft zur Verfügung stehen könnten, erläuterte Dr. Stephanie Korn, ebenfalls vom Universitätsklinikum Mainz.

 

Vier verschiedene Phänotypen

 

Der erste Phänotyp – das allergische Asthma – ist grundsätzlich bekannt, aber auch hier gibt es schwere Formen. Seine Charakteristik: Die Betroffenen erkranken meist schon in jungen Jahren und haben häufig weitere Komorbiditäten aus dem allergischen Formenkreis. Die Symptome treten allergenbezogen auf und die Diagnose lässt sich oft leicht durch einen Hauttest und den Nachweis des spezifischen Immunglobulins E (IgE) stellen.

 

Die meisten Patienten sprechen gut auf inhalative Glucocorticoide an. Für solche mit schwerem allergischem Asthma steht zusätzlich der IgE-Antikörper Omalizumab zur Verfügung. »Dessen Wirkung kommt über verschiedene Wege zustande«, sagte Korn. Der Antikörper bindet das aus Plasmazellen freigesetzte IgE, senkt die Mediatorfreisetzung nach Allergenkontakt und reduziert hochaffine Fc-Rezeptoren auf Mastzellen und Basophilen. Auf diese Weise vermindert Omalizumab die Zahl der Asthma-Exazerbationen und Symptome, und zwar der Früh- und der Spätreaktion. Ein weiterer, spezifischer IgE-Antikörper befindet sich in der Entwicklung. QGE031, ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen humanes IgE, bindet an FcεRI. Die Substanz hat eine 50-fach höhere Affinität an seinen Rezeptor als Omalizumab.

 

»Auch der zweite Phänotyp ist bereits bekannt«, so Buhl. Es handelt sich dabei um Patienten, die gleichzeitig an Asthma und COPD erkrankt sind. In der englischsprachigen Literatur gebe es für das gleichzeitige Vorkommen von Asthma und COPD in einem Patienten nun einen Begriff: Asthma-COPD-Overlap-Syndrome, kurz ACOS. Vielfach benötige man für deren Identifizierung keinen Labormarker. Patienten mit erhöhtem ACOS-Risiko erkenne man häufig bereits am Geruch: Es sind Asthmatiker, die trotz ihrer Erkrankung rauchen.

 

Interleukine als Targets

 

Als dritten und aktuell interessantesten Phänotyp nannte Buhl das (Hyper-) Eosinophile Asthma. Patienten dieses Subtyps erkrankten meist erst vergleichsweise spät. Viele zeigen eine ausgeprägte Symptomatik mit häufigen Exazerbationen, eine »Achterbahnfahrt« von starken und schwachen bis keinen Symptomen. Zwar können sie auch an Allergien leiden, diese seien jedoch nicht relevant, so Buhl. Eine Polyposis nasi, die der Referent anschaulich mit »Nase zu, nichts mehr hören, nichts mehr riechen« beschrieb, und/oder eine ASS-Intoleranz können dabei ebenfalls vorkommen. Ziel sei es, Patienten mit hoher Eosinophilen-Zahl pro Mikroliter Blut zu identifizieren, erläuterte er weiter. Zwar gebe es dafür derzeit noch keinen Grenzwert, Fachgesellschaften arbeiteten jedoch daran.

 

Welche Mechanismen hinter der Erhöhung der Eosinophilen-Zahl stecken und welche Konsequenzen sie haben, beschrieben belgische Wissenschaftler um Guy G. Brusselle vom Universitätsklinikum Gent im vergangenen Jahr in einer viel beachteten Publikation in »Nature Medicine« (doi: 10.1038/nm.3300). Die Arbeit habe dazu geführt, dass das »Weltbild vervollständigt werden muss«, so Buhl. Demnach werden Zellen, die keine klassischen Lymphozyten, sondern lymphoide Zellen des angeborenen Immunsystems sind, durch nicht allergene Stimuli wie Infekte angestoßen, Zytokine – vor allem die Interleukine (IL) 5 und 13 zu produzieren. IL-5 wiederum fördert den Einstrom von eosinophilen Granulozyten in die Lunge, die dort das Gewebe zerstören. Hemmt man IL-5, so bremst man die chronische Entzündungsreaktion der Atemwege sowie deren Überempfindlichkeit, erläuterte Korn. Mepolizumab, ein IL-5-Antikörper, wird derzeit in Phase-III-Studien geprüft.

 

Eher mittelfristig wird nach Buhls Einschätzung Phänotyp Nummer vier wichtig: das Th2-dominierte Asthma. Als Marker könnte zukünftig Periostin infrage kommen. Das Eiweiß spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese der asthmatischen Entzündung. Es wird in der entzündeten Bronchialschleimhaut gebildet und lockt Eosinophile in das Gewebe. Es ist außerdem wichtig für die subepidermale Fibrose und die Schleimproduktion beim chronischen Asthma. Für diesen Phänotyp könnte es »nicht morgen, aber übermorgen« einen ELISA-Test geben, mit dessen Hilfe Patienten mit Th2-dominiertem Asthma identifiziert werden könnten. Zielstruktur in der Behandlung dieses Phänotyps ist IL-13. Die Studienphase IIb eines entsprechenden Antikörpers, Lebrikizumab, wurde kürzlich abgeschlossen. Ebenfalls in Phase II der klinischen Prüfung befindet sich der Antikörper Dupilumab, ein potenter Inhibitor von IL-4 und IL-13.

 

Trotz Fortschritts fehlen Therapien

 

Trotz aller Fortschritte blieben jedoch immer noch »offene Posten«. »Nichts anzubieten hat man bisher Patienten mit einem nicht eosinophilen Asthma«, sagte Buhl abschließend. Und das seien gar nicht so wenige. Hier gebe es derzeit einzelne kleine Studien und Off-Label-Therapien mit unterschiedlichen Arzneistoffen, zum Beispiel Azithromycin und Clarithromycin oder Roflumilast, so Korn. /

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