Pille danach entzweit Koalition |
18.02.2014 17:14 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Die mögliche Freigabe der Pille danach könnte zu einer Zerreißprobe für die Große Koalition werden. Während die Union an der Rezeptpflicht um jeden Preis festhalten will, spart die SPD nicht mit Kritik an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).
Die Debatte glich in Teilen einem Déjà-vu. Im Bundestag tauschten die Parteien ihre altbekannten Argumente aus, die für oder gegen eine Freigabe der Pille danach sprechen. Wieder einmal waren Grüne, SPD und Linkspartei dabei einer Meinung, sie wollen die Rezeptpflicht aufheben. Die Union hielt als einzige Fraktion dagegen. Eines war dann aber doch anders als bei den Diskussionen im vergangenen Jahr: Seit einigen Woche sitzen CDU, CSU und SPD gemeinsam auf der Regierungsbank. Das hinderte die Parteien allerdings nicht daran, in dieser Sache auf Konfrontationskurs zu gehen.
Union bleibt eisern
Die Pille danach kann eine ungewollte Schangerschaft verhindern. Bislang benötigen Frauen für das Präparat ein Rezept.
Foto: dpa
Anlass für die Debatte im Bundestag waren zwei Anträge, die Grüne und Linke vorgelegt hatten. Darin fordern die Parteien, dass Frauen Levonorgestrel künftig ohne Rezept in der Apotheke erhalten können. Für die Freigabe hatte sich im Januar auch der zuständige Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht zum wiederholten Mal ausgesprochen. Bereits im vergangenen Sommer hatte zudem der Bundesrat gefordert, die Rezeptpflicht aufzuheben.
Das CDU-geführte Bundesministerium für Gesundheit (BMG) stellt sich dennoch weiterhin eisern gegen eine Freigabe von Levonorgestrel. Das machte die parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Annette Widmann Mauz (CDU), vergangene Woche noch einmal deutlich. Man wolle im Interesse der Frauen »nicht auf die ärztliche Beratung verzichten«, sagte sie. Die Patientinnen benötigten zeitnah kompetente medizinische Hilfe. »Das ist mehr als die bloße Abgabe eines Medikaments und es erfordert auch mehr als in der Regel am Nachtschalter einer Apotheke oder gar von einer Versandapotheke, ganz zu schweigen von einer Pick-up-Stelle, geleistet werden kann.« Schließlich gehe es auch darum, weitere Risiken wie sexuell übertragbare Krankheiten abzuklären. »All das steht auf dem Spiel, wenn es zu einer Entlassung aus der Verschreibungspflicht kommt«, so Widmann-Mauz.
Darüber hinaus gebe es mit Ulipristal noch einen zweiten Wirkstoff, der eine ungewollte Schwangerschaft verhindern kann. Frauen, die nicht zum Arzt und lieber gleich in die Apotheke gingen, wären bei einer Freigabe von Levonorgestrel auf nur ein Medikament festgelegt, »und zwar unabhängig davon, ob es in der konkreten Situation für die Frau das medizinisch richtige und geeignetste Präparat ist, so Widmann-Mauz.
Nicht am Kiosk
Birgit Wöllert von der Linkspartei kann die Bendenken der Union nicht nachvollziehen. »Die Pille danach soll es ja nicht am Kiosk oder im Supermarkt geben. Sie bleibt apothekenpflichtig«, sagte sie. An der Pflicht zur umfassenden Beratung wolle man keinesfalls rütteln, betonte auch Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche. »Aber ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum unsere hoch qualifizierten Apothekerinnen und Apotheker diese Beratung nicht mindestens genauso gut leisten können sollen wie der Bereitschaftsdienst am Wochenende, beispielsweise durch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt«, sagte sie.
Auch SPD-Fraktionsvize Professor Karl Lauterbach brach in völlig ungewohnter Manier eine Lanze für die Apotheker. Über den Wirkstoff Levonorgestrel könnten diese »ohne Wenn und Aber beraten«. Mit dem Festhalten an der Rezeptpflicht werde Frauen in einer Notlage das Recht auf Hilfe ohne gute Begründung vorenthalten. »Das ist nicht zeitgemäß«, so Lauterbach. Auch den Verweis der Union auf mögliche Risiken der Pille danach wollte Lauterbach nicht gelten lassen. Levonorgestrel sei seit 1966 auf dem Markt und weltweit in 79 Ländern rezeptfrei erhältlich. Auch die Weltgesundheitsorganisation halte den Arzneistoff für sicher. »Im Wesentlichen ist er einer der sichersten Wirkstoffe, die auf dem Markt sind.«
Petition im Internet
Ebenso deutlich wurde Lauterbachs Parteikollegin Mechthild Rawert. Sie verwies auf das eindeutige Votum im Sachverständigenausschuss. Für Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gebe es nur zwei Möglichkeiten, sich gegen eine Freigabe zu stellen. »Er muss nachweisen, dass die Pille danach gefährlich für die Gesundheit der Frauen ist und dass sie falsch eingenommen wird. Beides kann er nicht«, so Rawert.
Der Bundestag hat die beiden Anträge in die Ausschüsse für Gesundheit und Familie verwiesen. Dort sollen sie zunächst weiter beraten werden. Im Internet haben Feministinnen derweil eine Petition ins Leben gerufen, mit der sie den Gesundheitsminister eindringlich zur Freigabe der Pille danach aufrufen. In Deutschland werde »auf dem Rücken der Frauen eine moralische Debatte geführt, keine medizinische«, heißt es darin. »Dies ist im Jahr 2014 nicht hinnehmbar.« Die Petition hat bereits mehr als 20 000 Unterstützer gefunden – dazu zählen die SPD-Abgeordneten Elke Ferner und Caren Marks. /