Voneinander lernen |
27.08.2013 18:57 Uhr |
Lust auf ein wirklich kontroverses Thema? Da haben wir doch was für Sie. In dieser Ausgabe der Pharmazeutischen Zeitung beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit alternativen Heilmethoden. Von der Homöopathie (lesen Sie dazu Homöopathie: Glaubenskrieg um Globuli) über die Neurostimulation (Neurostimulation: Elektrische Signale gegen Schmerzen) bis zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM: Im Westen was Neues) reicht die Palette der Heilverfahren, die wir einzeln vorstellen und kritisch beleuchten.
Alternative Heilverfahren polarisieren. Es gibt kaum ein anderes Thema, das innerhalb und außerhalb der medizinischen Fachwelt so starke Reaktionen hervorruft. »Alles Humbug«, sagen die einen. »Das einzig Wahre«, behaupten die anderen. Dabei ist in vielen Fällen noch nicht einmal klar, was man sich unter Alternativmedizin überhaupt vorzustellen hat (lesen Sie dazu auch Seriös beraten: Wegweiser in der Alternativmedizin). Die Definition der Weltgesundheitsorganisation, wonach es sich dabei um Behandlungen handelt, die »nicht Teil der Tradition eines Landes sind und nicht in das vorherrschende Gesundheitssystem integriert sind«, dürfte wohl den wenigsten geläufig sein. Sie lässt zudem einigen Interpretationsspielraum.
Klar ist: Alternative Heilmethoden sprechen viele Menschen an, bei Weitem nicht nur diejenigen, die von der Schulmedizin enttäuscht sind, weil diese für ihr individuelles gesundheitliches Problem keine Lösung bietet. Klar ist aber auch: Einen Wirknachweis, der wissenschaftlichen Kriterien genügt, können die allermeisten Alternativverfahren nicht vorweisen. Diese Diskrepanz lässt sich nicht auflösen. Respekt für die Meinung anderer ist eine gute Möglichkeit, mit ihr umzugehen. Anhänger der Homöopathie wegen ihrer Leichtgläubigkeit zu belächeln, ist ebenso fehl am Platz wie eine Totalverweigerung gegenüber der Schulmedizin, wie sie manche Heilpraktiker an den Tag legen – zum Schaden der von ihnen betreuten Patienten.
Ein wichtiger Grund für den Zulauf, den alternative Heilverfahren hierzulande erfahren, ist ihre ganzheitliche Betrachtung des Patienten. Niemand lässt sich gerne auf einzelne Körperfunktionen reduzieren, die in der von Zeitmangel und Budgetzwängen geprägten Schulmedizin leider häufig einzig Gegenstand der ärztlichen Bemühungen sind. Hier kann und muss die Schulmedizin viel von der Alternativmedizin lernen. Auf der anderen Seite müssen aber auch manche Verfechter alternativer Heilmethoden lernen, ihre Grenzen zu akzeptieren. Denn in der Therapie schwerwiegender oder gar lebensbedrohlicher Erkrankungen muss Evidenz mehr zählen als Erfahrung.
Annette Mende
Redakteurin Pharmazie