Häufig und hartnäckig |
20.08.2013 14:49 Uhr |
Von Maria Pues / Keiner leichten Aufgabe sehen sich Apotheker gegenüber, wenn sie Patienten mit Verdacht auf Nagelpilz vom Arztbesuch überzeugen wollen. Dabei gibt es in diesem Fall gleich mehrere gute Gründe für den prüfenden Blick des Profis.
Über 70, Diabetiker, meist männlich – wenn man die Fingernägel sieht, möchte man sich lieber nicht vorstellen, wie die dazugehörigen Füße und Zehennägel aussehen. Der dringende Rat zum Arztbesuch wegen offensichtlich verfärbter, verdickter, bröselnder Nägel wird mit einem ungeduldigen Nicken quittiert: »Ja, ja.« Soll heißen: Bitte belästigen Sie mich nicht weiter. Vermutlich gibt es nur wenige Apotheker, denen zu dieser – zugegebenermaßen sehr groben – Skizze nicht zumindest ein Gesicht einfällt. Zum Glück ist die Mehrzahl der Patienten zugänglicher. Dennoch: Onychomykosen werden nicht selten unterschätzt.
Viele Patienten mit Nagelpilz verstecken befallene Nägel aus Scham auch im Sommer unter Socken. Manche Lösung ist modisch etwas zweifelhaft.
Foto: Fotolia/G.G. Lattek
Risiko steigt mit dem Alter
Nagelpilz ist verbreiteter als gemeinhin angenommen und innerhalb der Bevölkerung recht ungleichmäßig verteilt. Während man ihn bei Kindern allenfalls in Ausnahmefällen (0,2 Prozent) findet, sind schätzungsweise mehr als 40 Prozent der Über-70-Jährigen betroffen. Dass sich mit steigendem Alter der Nagel langsamer erneuert, begünstigt die Ansiedelung der Erreger und erschwert die Behandlung. Dass mögliche Anfangsstadien oft lange unbemerkt bleiben, da die Betroffenen sie aufgrund verschlechterten Sehvermögens oder mangels Beweglichkeit nicht wahrnehmen können, kommt noch hinzu.
Ein zusätzlich erhöhtes Risiko haben Menschen mit einer genetischen Disposition sowie Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen oder einem Immundefizit. Auch Sportler sind häufig betroffen. Nagelpilz kommt außerdem an Zehennägeln etwa zehnmal häufiger vor als an Fingernägeln. Die Gründe liegen auf der Hand: Feuchtwarmes Klima in möglicherweise zu engem Schuhwerk, Fußfehlstellungen und unbemerkte Verletzungen leisten der Erkrankung Vorschub.
Viele Patienten unterschätzen außerdem die Ansteckungsgefahr, die von einem Nagelpilz ausgeht. Kann etwas ansteckend sein, das so fest im Nagel sitzt, dass man nicht mal mit »normalen Pilzmitteln« rankommt? Das wächst sich doch bestimmt aus. Tut es aber nicht. Darauf weist nicht zuletzt die Leitlinie Onychomykose der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften hin, die dem Nagelpilz »keine Selbstheilungstendenz« bescheinigt und davor warnt, dass dieser zum Ausgangspunkt weiterer Mykoseherde der Haut werden könne. Der Pilz lebt von und auf (Horn-) Hautschüppchen, über die er sich auch weiter verbreitet. Hier setzen Prophylaxemaßnahmen an (siehe Kasten).
Einen pilzverdächtigen Nagel möglichst frühzeitig vom Arzt begutachten zu lassen, kann Patienten aus verschiedenen Gründen nützen. Je weniger Zeit der Erreger hatte, sich auf dem Zeh- oder Fingernagel auszubreiten, umso besser stehen die Chancen, dass eine Nagelpilzbehandlung zum Erfolg führt. Hinzu kommt, dass nicht alles, das wie ein Nagelpilz aussieht, auch einer ist. Angeborene oder erworbene Nageldystrophien, sogenannte Ekzemnägel oder ein Lichen ruber auf einem Nagel kommen bei entsprechenden Symptomen ebenfalls als Ursache infrage. Eine diffizile Stellung nimmt die Psoriasis ein: Sie kann einerseits das Risiko für einen Nagelpilz erhöhen, andererseits aber selbst auch Symptome verursachen, die einem Nagelpilz zum Verwechseln ähnlich sehen, ohne dass eine Infektion vorliegt.
Nicht zuletzt gibt das Erscheinungsbild einer Nagelpilzinfektion dem Arzt erste Hinweise, welche Behandlung sich am besten eignen könnte. So unterscheiden Mediziner verschiedene Onychomykoseformen. Am häufigsten tritt die distolaterale subunguale Onychomykose auf. Der Pilz, meist Trichophyton rubrum, dringt dabei von der umgebenden Haut unter die Nagelplatte vor und arbeitet sich weiter zur Matrix vor. Die damit einhergehende Hyperkeratose hebt den Nagel an, der sich an diesen Stellen außerdem gelblich verfärbt.
Seltener erfolgt die Infektion über die Haut des Nagelwalls, weiter über die Kutikula und dann entlang des Eponychiums (Epithel der Unterseite des Nagelwalles). Von der Nagelmatrix aus dringen die Pilze in die Nagelplatte ein und wachsen darin weiter Richtung Fingerkuppe (proximale subunguale Onychomykose).
Mit steigendem Alter und abnehmender Beweglichkeit fällt die Fußpflege immer schwerer.
Foto: imago/Paul von Stroheim
Weiße oberflächliche Nagelpilzinfektionen werden meist von Trichophyton interdigitale hervorgerufen und finden sich in den oberen Schichten des Nagelkeratins (Leukonychia trichophytica). Überwiegend durch Candida-Arten werden die dystrophische Onychomykose und die Onychia und Paronychia candidosa verursacht.
Einen genauen Erregernachweis erhalten Mediziner unter anderem durch eine Pilzkultur. Wichtig: Eine antimykotische Lokaltherapie, vor allem mit Lacken, muss mindestens zwei (besser vier) Wochen ausgesetzt sein, um lebende Pilze für eine Kultur isolieren zu können.
Lokal oder systemisch
Die Behandlung einer Nagelpilzerkrankung erfolgt – je nach Form und Ausmaß der Ausbreitung des Pilzes – lokal und/oder sytemisch. Ist nur ein einzelner Nagel nicht mehr als 50 Prozent und ohne Matrixbefall betroffen, kann die Therapie laut Empfehlung einer internationalen Konsensus-Konferenz topisch erfolgen. Dafür stehen antimykotische Nagellacke mit Ciclopirox (wie in Nagel-Batrafen® oder Ciclopoli®) oder Amorolfin (wie in Loceryl®) zur Verfügung. Patienten sollten darauf achten, vor allem die seitlichen Nagelanteile nicht zu vernachlässigen, da der Wirkstoff senkrecht in das Keratin diffundiert. Daneben gibt es Zubereitungen, die eine hoch konzentrierte Harnstoffsalbe zur atraumatischen Nagelablösung mit einem Antimykotikum wie Bifonazol (wie in Canesten® Extra Nagelset) kombinieren oder wie Onychomal® nur eine Zubereitung zur Nagelablösung enthalten.
Vor dem Beginn einer sytemischen Therapie sollten Leber- und Nierenfunktion überprüft und wegen des Wechselwirkungspotenzials ein Medikations-Check durchgeführt werden. Vor allem bei betagten Patienten gilt es nachzufragen, ob ein Nagelwachstum überhaupt noch erkennbar ist, vor allem, wenn die Dauer der Behandlung davon abhängig gemacht wird, dass der Nagel gesund nachgewachsen ist wie bei Griseofulvin und Fluconazol (wie in Diflucan Derm®). Die Behandlung mit Griseofulvin, die als Dauertherapie erfolgt, kann dennoch zwölf oder mehr Monate in Anspruch nehmen. Eine atraumatische Entfernung befallener Nagelanteile kann sinnvoll sein, um die Erregerlast zu senken.
Terbinafin (wie in Lamisil®) wird ebenfalls in Dauertherapie gegeben. Die Behandlung erfolgt meist über drei Monate. Als Pulstherapie erfolgt eine Behandlung mit Itraconazol (wie in Sempera®). Eine Woche Therapie wechselt mit drei Wochen Therapiepause ab. Die Behandlungsdauer sollte drei Monate nicht überschreiten und durch eine atraumatische Nagelentfernung eingeleitet werden. Die Kombination von Terbinafin (systemisch) und Amorolfin (lokal) hat sich außerdem in Studien als effektiver erwiesen als die systemische Therapie allein.
Die Geduld der Patienten wird bei der Behandlung oft auf eine empfindliche Probe gestellt. Zugleich bestehen – nicht nur durch eine möglicherweise nachlassende Therapietreue – eine hohe Rückfallgefahr und das Risiko, dass eine Therapie erfolglos bleibt. Einer der Gründe sind Ruheformen der Pilze (Sporen), die in Hohlräumen der Hyperkeratosen, wie sie bei subungualen Mykosen vorkommen, über Wochen und Monate lebensfähig bleiben. Für Antimykotika, die in die Ergosterolbiosynthese eingreifen (Azole, Amorolfin, Terbinafin) sind sie unangreifbar. Umso wichtiger ist es, früh und konsequent zu behandeln, Patienten über Risiken und Probleme aufzuklären, wenn Pilzinfektionen verschleppt werden und nicht zuletzt Personen mit einem höheren Nagelpilzrisiko über erste Anzeichen einer Erkrankung aufzuklären. /