»Apotheker können zufrieden sein« |
30.07.2013 17:28 Uhr |
Von Stephanie Schersch und Ev Tebroke, Berlin / Nach vier Jahren Schwarz-Gelb zieht Heinz Lanfermann eine positive Bilanz in Sachen Gesundheitspolitik. Auch für die Apotheker hätten Union und FDP gemeinsam einiges erreicht, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP im Interview mit der PZ. Einer künftigen Dynamisierung des Apothekenhonorars steht er allerdings skeptisch gegenüber.
PZ: Nach den Erfahrungen der vergangenen vier Jahre sind viele Apotheker massiv enttäuscht von der FDP, insbesondere aufgrund der Belastungen durch das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG). Können Sie das nachvollziehen?
Heinz Lanfermann ist gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. Mit der Notdienstpauschale und der Anhebung des Fixhonorars hätten Union und FDP für die Apotheker einiges erreicht, sagt er.
Fotos: PZ/Jürgen Engler
Lanfermann: Ich denke, die Apotheker können eigentlich sehr zufrieden sein mit den vergangenen vier Jahren. Wir mussten zu Beginn der Legislaturperiode in der Gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Defizit von bis zu 11 Milliarden Euro rechnen und haben daher verschiedene Sparmaßnahmen eingeführt. Im Laufe der Zeit hat sich die finanzielle Situation glücklicherweise entspannt. So konnten wir eine Anpassung des Fixhonorars für Apotheker um 25 Cent durchsetzen und die Notdienstpauschale einführen.
PZ: Das heißt also, die Belastungen durch das AMNOG waren gerechtfertigt?
Lanfermann: Sie waren auf jeden Fall notwendig. Problematisch war allerdings, dass es eine gemeinsame Einsparregelung für Apotheken und Großhandel gab. Beide Parteien haben daraufhin geklagt, sie würden jeweils zu stark belastet. Für die Politik war die tatsächliche Situation der jeweiligen Seite schwer einzuschätzen. Sollten wir noch einmal in eine solche Situation kommen, würde ich versuchen, eine andere Lösung zu finden.
PZ: In ihrem Wahlprogramm machen sich die Liberalen unter anderem für eine angemessene Honorierung der Apotheker stark. Das dürfte viele Apotheker freuen. Die Anhebung des Fixhonorars zu Jahresbeginn reicht aus ihrer Sicht nicht aus. Sie fordern, dass ihre Vergütung künftig regelmäßig anhand bestimmter Parameter angepasst wird. Wäre das aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Lösung?
Lanfermann: Wir halten das für keinen guten Weg. Es ist völlig unklar, auf Basis welcher Parameter eine solche Dynamisierung erfolgen soll beziehungsweise welche Faktoren als Spiegelbild der Kostensituation in Apotheken herangezogen werden könnten. Wichtig ist aber natürlich, dass die Vergütung regelmäßig überprüft wird. In der Vergangenheit ist das zum Teil nur in sehr großen Zeitabständen erfolgt, das kritisieren die Apotheker zu Recht. Hätte es eine Überprüfung und mögliche Anpassung bereits alle zwei bis drei Jahre gegeben, wäre die Forderung nach einer Dynamisierung vermutlich gar nicht erst aufgekommen.
PZ: Neben dem Packungshonorar geht es in der aktuellen Debatte auch um eine bessere Honorierung bestimmter Einzelleistungen, wie zum Beispiel der Rezepturherstellung. Mit der Nacht- und Notdienstpauschale hat die schwarz-gelbe Koalition diesen Weg bereits einmal beschritten. Können Sie sich vorstellen, diesen Kurs fortzusetzen?
Lanfermann: Diese Frage muss nach der Wahl beantwortet werden. Einige Leistungen können die Apotheker nicht kostendeckend erbringen, so zum Beispiel die Belieferung mit Betäubungsmitteln. Viele andere Aufgaben sind aber Gemeinwohlpflichten und gehören zum Bild der inhabergeführten Apotheke. Gerade diese Leistungen sollen ja über das packungsbezogene Fixhonorar abgedeckt werden. Eine gesonderte Honorierung ist daher schwierig.
PZ: Vor Kurzem haben sich Krankenkassen und Apotheker auf eine Paketlösung für den Apothekenabschlag bis zum Jahr 2015 geeinigt. Vorausgegangen waren allerdings lange und zähe Verhandlungen. Hat sich die Selbstverwaltungslösung beim Abschlag aus Ihrer Sicht bewährt?
Lanfermann: Ich bin sehr froh, dass hier eine einvernehmliche Einigung gefunden wurde. Der Weg über die Selbstverwaltung ist meiner Ansicht nach der richtige. Natürlich dürfen Entscheidungen bei den Verhandlungen aber nicht zu lange hinausgezögert werden. Hier muss es für beide Seiten Anreize geben, schnell ein Ergebnis zu erzielen. Am Ende eines Schlichtungsverfahrens muss zudem immer ein verbindlicher Schiedsspruch stehen, der für Rechtssicherheit sorgt. Wenn Schlichtersprüche vor Gericht angefochten werden können, sind sie praktisch wertlos.
PZ: Was ab 2016 mit dem Abschlag geschieht, ist noch unklar. Apotheker und Kassen wollen bei der Politik darum werben, das Nebeneinander verschiedener Anpassungsoptionen beim Apothekenhonorar zu beseitigen. Der Apothekenabschlag könnte demnach künftig festgeschrieben werden. Halten Sie das für den richtigen Weg?
Lanfermann: Wenn der Staat etwas festschreibt, ist das eigentlich immer die schlechtere Lösung. Die Festsetzung des Apothekenabschlags wäre daher nur die Ultima Ratio. Letztlich ist es aber eine Frage des Vorschlags. Wenn Kassen und Apotheker gemeinsam eine praktikable Lösung vorstellen, die keine neuen Probleme schafft, wäre die Politik sicher nicht dagegen.
PZ: Die FDP will das duale Krankenversicherungssystem beibehalten. Eine starke Private Krankenversicherung ist den Liberalen sehr wichtig. Warum?
Lanfermann: Das duale System hat sich bewährt. Der Wettbewerb zwischen den beiden Versicherungstypen hat in Deutschland Qualitätsstandards geschaffen, die sich weltweit sehen lassen können. In Ländern mit einer Einheitsversicherung kommt die viel beschworene Zweiklassenmedizin zudem viel eher zur Geltung. Wer es sich leisten kann, kauft sich einfach die besseren Versorgungsleistungen, während alle anderen auf das unzureichende Einheitssystem angewiesen bleiben. So ist es beispielsweise in Großbritannien oder auch in anderen Ländern mit Einheitssystem.
PZ: Viele Krankenkassen verfügen derzeit über rekordverdächtige Reserven, über die Verwendung der Rücklagen gab es viel Streit. Was sollte aus Ihrer Sicht mit dem Geld geschehen?
Lanfermann: Die Überschüsse resultieren aus den Beiträgen der Versicherten. Neben einigen Leistungsverbesserungen und angemessenen Rücklagen gilt es vor allem auch, den Versicherten ihr Geld durch Prämien zurückzuzahlen. Einige Kassen sind in diesem Bereich bereits mit gutem Beispiel vorangegangen.
PZ: Mit Blick auf die flächendeckende Versorgung wollen die Liberalen das wohnortnahe Apothekennetz erhalten und sichern, so steht es im Wahlprogramm. Sehen Sie diese Strukturen in Gefahr?
Lanfermann: Ich sehe diese Strukturen dann nicht in Gefahr, wenn wir uns mit dieser Koalition und unserem Gesundheitsminister weiter für die inhabergeführte Apotheke als Garant für die wohnortnahe Versorgung einsetzen können. Bei einer Regierungsbeteiligung von SPD oder Grünen würden hingegen die Schleusen für Veränderungen im System bis hin zu Apothekenketten geöffnet werden.
PZ: Vor vier Jahren ist die schwarz-gelbe Koalition mit dem Versprechen angetreten, Pick-up-Stellen zu verbieten. Passiert ist in dieser Sache bis heute allerdings nichts. Union und FDP verweisen dabei immer wieder auf laufende Beratungen mit Innen- und Justizministerium. Haben diese Gespräche inzwischen zu einem Ergebnis geführt?
Lanfermann: Nein, die Rechtslage hat sich nicht geändert. Pick-up-Stellen sind aus unserer Sicht die falsche Lösung, wir würden sie daher sofort verbieten, wenn wir es könnten. Es gibt aber die Bedenken der Verfassungsressorts. Einen Vorschlag der Ministerien, wie ein Verbot dennoch möglich wäre, hat die ABDA nicht akzeptiert. Der Vorschlag der Apotheker wiederum hätte die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ausgeräumt. Davon abgesehen glaube ich aber auch nicht, dass Pick-up-Stellen derzeit ein relevantes Thema sind. Schließlich entfallen nur wenige Prozent vom Umsatz im Apothekenmarkt auf den Versandhandel.
PZ: Unabhängig davon, wer die kommende Wahl gewinnt: Welchem gesundheitspolitischen Thema muss sich die neue Bundesregierung am dringendsten widmen?
Lanfermann: Mit Priorität werden wir nach der Wahl die Reform der Krankenhausfinanzierung, die Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sowie die stärkere Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung über einkommensunabhängige Beiträge angehen, etwa über den Einstieg in ein Prämiensystem. /