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30.07.2013 16:25 Uhr |
Von Eckart Bauer und Claudia Zickermann (1) / Zum 1. August 2013 nimmt der Nacht- und Notdienstfonds (im Folgenden: Notdienstfonds) des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) offiziell seine Arbeit auf. Im nachfolgenden Beitrag soll die Geschichte seiner Entstehung und der aktuelle Stand der Umsetzung dargestellt werden.
Am 18. Juli 2013 ist das Apothekennotdienst-Sicherstellungsgesetz (ANSG) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Damit wurde besiegelt, was sich seit längerer Zeit abgezeichnet hat: Zum 1. August 2013 wird dem DAV als sogenanntem ‚Beliehenem‘ die hoheitliche Aufgabe des Betriebs eines Notdienstfonds übertragen. Letzterer wird damit in seinen Aktivitäten einer Bundesbehörde gleichgestellt.
Seit 1. August 2013 wird jede Apotheke für den Nacht- und Notdienst mit einer Pauschale vergütet.
Foto: dpa
Ziel des ANSG ist es, die wirtschaftlichen Belastungen der öffentlichen Apotheken durch Notdienste zu verringern, indem ein von der jeweiligen Inanspruchnahme des Notdienstes durch Patienten unabhängiger Zuschuss pro Notdienst gewährt wird.
Historie
Dieser Ansatz ist nicht neu: Im Rahmen der Forderungen der Apothekerschaft nach einer Anpassung der Apothekenentgeltung wurde auch eine stärker an den tatsächlichen Kosten der Vorhaltung orientierte Notdienstentgeltung gefordert. Bei der Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung konnte sich der Gesetzgeber nicht zu einer entsprechenden Änderung entschließen. Aber (auch) infolge der deutlichen Manifestationen aus der Apothekerschaft, dass die Erhöhung des Fixentgeltes unzureichend war, wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mitgeteilt, man »beabsichtig[e] zudem, zeitnah die Einführung einer Sicherstellungspauschale für Apotheken im Nacht- und Notdienst vorzubereiten«. (2)
Schon kurze Zeit später gab es erste Kontakte zwischen dem BMG und der ABDA zur möglichen Ausgestaltung der Pauschale und der Aufbringung der hierfür erforderlichen Finanzmittel.
Seit Jahresbeginn konkretisierte sich immer mehr der letztlich beschrittene Ansatz: Die vorgesehenen Finanzmittel werden durch eine Erhöhung des Fixentgeltes generiert. Sie sind von den Apotheken an eine ‚Sammelstelle‘ abzuführen und von dieser nach Maßgabe der Zahl der geleisteten Notdienste an die Apotheken auszuschütten. Die Überlegungen konzentrierten sich immer stärker auf die Frage, wie das Verfahren genau ausgestaltet werden soll. Fixpunkte hierbei waren sowohl eine ‚verwaltungsschlanke‘ Lösung als auch aus verfassungsrechtlichen Gründen die Einbeziehung aller durch die Erhöhung des Fixentgeltes aufgebrachten Mittel.
Letzteres bedeutete, dass der organisatorisch besonders einfache Ansatz, ausschließlich die auf Abgaben von zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erzielten Finanzmittel über die Apothekenrechenzentren (ARZ) an diese Sammelstelle – den Notdienstfonds – abzuführen, nicht weiter verfolgt wurde.
Das BMG legte das für die Sicherung des Notdienstes einzusetzende Finanzvolumen auf jährlich 120 Millionen Euro und den hierfür notwendigen Zuschlag auf 0,16 Euro pro Packung fest. Um einen Anreiz für wirtschaftliche Strukturen zu setzen, sollte die Organisation der Abwicklung in den Händen der Apothekerschaft verbleiben und die Verwaltungskosten von den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln abgezogen werden.
Mit Blick auf die Heilberufsgesetze der Länder wurde eine ursprünglich in den Blick genommene Verwaltung des Notdienstfonds durch die Landesapothekerkammern nicht weiter verfolgt. Rein praktische Gründe sprachen letztlich dafür, den Deutschen Apothekerverband als ‚Beliehenen‘ einzusetzen. Zukünftig werden die Apothekerkammern der Länder nicht nur die Apotheken zum Notdienst einteilen, sondern mit ihrer Mitteilung der geleisteten Notdienste dem Fonds die Basis für die Verteilung der Notdienstpauschale schaffen.
Mit der sich seit April dieses Jahres klar abzeichnenden Struktur des Verfahrens wurden im Deutschen Apothekerhaus die vorbereitenden Maßnahmen für die Errichtung des Notdienstfonds intensiviert. Der Fonds stellt letztlich eine Behörde dar, seine Geschäftsstelle ist getrennt von der des DAV – und damit der ABDA – zu führen. Auf Dauer darf es keine finanziellen und personellen Verknüpfungen geben. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die dem Fonds zufließenden Gelder ausschließlich für die Belange des Fonds aufgewendet werden, die Kosten des Fondsunterhalts wiederum nicht aus dem ABDA-Haushalt getragen werden.
Außerdem wird der Fonds in Erfüllung seiner vom Gesetzgeber verliehenen Aufgaben sensible personenbezogene und wirtschaftliche Daten sammeln und verarbeiten. Der Fonds muss daher sehr hohen datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen. Er darf sich dabei auch nur Dienstleister bedienen, die selber wiederum diesen Anforderungen entsprechen. Und selbstverständlich darf (und wird) es zu keiner Vermischung der Daten des Fonds und der ABDA-Geschäftsstelle kommen.
Besonders in strukturschwachen Landregionen werden Apotheken durch die Nacht- und Notdienst-Pauschale finanziell entlastet.
Foto: dpa
Der Notdienstfonds unterliegt der Fach- und Rechtsaufsicht des BMG. Eine strikte Trennung ist mithin auch aus Gründen des Selbstschutzes des DAV erforderlich: Nur so kann verhindert werden, dass das BMG mittelbar den DAV in seinem gesundheitspolitischen Agieren kontrolliert. Andererseits kann sich der DAV seiner Verantwortung für eine sachgerechte Konzeption und Verfahrensordnung des Fonds genauso wenig entziehen wie der für eine zugleich ordnungsgemäße als auch verwaltungskostenschlanke Erledigung der Fondsgeschäfte.
Fondserrichtung
Erst seit der Entscheidung des Bundesrates am 5. Juli 2013, beim ANSG auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zu verzichten, besteht für den Nacht- und Notdienstfonds in Gründung hinreichend Sicherheit, um notwendige vertragliche Verpflichtungen eingehen zu können. Möglichst schnell muss jetzt die Geschäftsstelle des Fonds aufgebaut und eingerichtet werden. Nachfolgend skizzenhaft einige Hinweise hierzu:
Datenmanagement und -logistik bilden die Grundlage der Abläufe des Fonds. Bei den benötigten Daten ist zwischen Stamm- und Prozessdaten zu unterscheiden.
Stammdaten
Die Abwicklung der Notdienstpauschale muss betriebsstättenbezogen erfolgen. Damit der Fonds mit allen Apotheken in Kontakt treten kann, ist der Aufbau eines zentralen Stammdatenverzeichnisses, das den Notwendigkeiten des Fonds genügt, erforderlich. Diese Stammdatenbasis bildet dann die Grundlage, um die ordnungsgemäße und zeitgerechte Erstellung von circa 165 000 Bescheiden pro Jahr – sowohl für den ANSG-Festbetragsanteil als auch für die Auszahlung der Notdienstpauschale – sicherstellen zu können.
Landesapothekerkammern
Die 17 Landesapothekerkammern verfügen über einen vollständigen Überblick über alle Apotheken, die an der Bezuschussung von erbrachten Notdiensten gemäß dem ANSG partizipieren können. Zudem können sie den Notdienstfonds zeitnah über Änderungen, wie beispielsweise Neueröffnungen von Apotheken, informieren. Im Zuge der Amtshilfe unter Behörden werden die Landesapothekerkammern dem Notdienstfonds deshalb eine Liste der Apothekenbetriebsstätten sowie in quartalsweisen Abständen Änderungen von Stammdaten zur Verfügung stellen. Neben dem Namen der Betriebsstätte werden die Adressdaten (Straße, Hausnummer, PLZ und Ort) sowie Angaben zum Betriebserlaubnisinhaber (Name, Vorname, Anrede, gegebenfalls Titel) übermittelt. Die Einhaltung der mit der Datenverarbeitung verbundenen gesetzlichen Richtlinien und Vorgaben des Datenschutzes sind für den Notdienstfonds – genauso wie auch für alle anderen Behörden auf Bundesebene – verpflichtend. Die Apotheker können sicher sein, dass ihre Daten den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend korrekt und regelkonform – und ausschließlich im Rahmen der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages des Fonds – genutzt werden.
Apothekenrechenzentren
Über diese grundlegenden Daten hinaus benötigt der Notdienstfonds weitere Angaben. Hierzu gehören vor allem die von der Apotheke verwendeten Institutionenkennzeichen (IK). Die Angabe der verwendeten IKen ist notwendig, da auf deren Basis die für die Finanzierung der Notdienstpauschale notwendigen Rx-Abgaben in den Apotheken gemeldet werden. Diese Angaben liegen bei den ARZ vor. Die Rechenzentren sind per Gesetz stark in die Umsetzung des ANSG eingebunden, und außerdem eng mit den Finanzströmen der einzelnen Apotheke befasst. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Notdienstfonds und den Rechenzentren ist somit im Sinne einer möglichst verwaltungsschlanken Lösung äußerst vorteilhaft und notwendig. Insofern wurde vereinbart, dass die Apothekenrechenzentren dem Notdienstfonds die betriebsstättenbezogenen Stammdaten zur Verfügung stellen. Dies kann aber ausschließlich nur dann erfolgen, wenn eine Datenfreigabeerklärung der jeweiligen Apothekeninhaber vorliegt. Jede Apotheke sollte deshalb im Laufe des vergangenen Monats einen entsprechenden Brief mit der Bitte um Freigabe der dort aufgeführten Stammdaten zur Übermittlung an den Notdienstfonds von ihrem Rechenzentrum erhalten haben. Für die Apotheken, für welche eine solche unterschriebene Datenfreigabeerklärung vorliegt, werden die jeweiligen Apothekenrechenzentren dem Notdienstfonds die zugehörigen Stammdaten Anfang August initial melden sowie diesen danach regelmäßig über Änderungen im Stammdatensatz informieren.
Mit dem Sonderbeleg meldet der Apotheker die Anzahl der an Selbstzahler abgegebenen Rx-Packungen an die Rechenzentren.
Foto: DAV
Der Notdienstfonds wird diese Daten dann im Laufe des August 2013 zusammenführen und an jede Apotheke eine Information über die bei ihm vorliegenden Stammdaten verschicken mit der Bitte, diese zu bestätigen beziehungsweise zu korrigieren. Auch hier kann jeder Apothekeninhaber sicher sein, dass seine Daten entsprechend den gesetzlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen vertraulich behandelt werden. Die beim Nacht- und Notdienstfonds verwalteten Daten werden ausschließlich für die Zwecke der Umsetzung des ANSG verwendet.
Vollnotdienste
Die Landesapothekerkammern sind per Gesetz verpflichtet, dem Notdienstfonds regelmäßig alle von einer Apotheke in einem Quartal in der Zeit von spätestens 20 Uhr bis mindestens 6 Uhr des Folgetags durchgehend geleisteten Notdienste zu melden. Diese Meldungen werden dann die Grundlage für die Berechnung der zu erhaltenden Notdienstpauschale sein. Aus dem Bescheid, welchen die Apotheke dann vom Notdienstfonds über die Höhe des zu erwartenden Zuschusses erhält, kann sie die Zahl der von der Kammer an den Notdienstfonds gemeldeten Vollnotdienste ablesen. Quartalsübergreifende Notdienste (zum Beispiel vom 30. September 20 Uhr bis 1. Oktober 6 Uhr) werden dem Quartal zugeordnet, in dem der Notdienst begonnen hat.
Prozessdaten
Die Apothekenrechenzentren sind per Gesetz verpflichtet, dem Notdienstfonds die Zahl der verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel zur Anwendung beim Menschen, die von den einzelnen Apotheken zulasten der GKV oder als Sachleistung abgegeben wurden, zu übermitteln. Dies geschieht automatisch, ohne dass der Apotheke dazu zusätzlicher Aufwand entsteht. Sollte eine Apotheke für die in ihrer Apotheke zulasten der GKV abgegebenen Rx-Fertigarzneimittel nicht die Leistungen eines Rechenzentrums in Anspruch nehmen, muss sie diese Abgaben im Wege der Selbsterklärung an den Notdienstfonds übermitteln (siehe unten).
Andere Rx-Abgaben
Die Zahl der Abgaben von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur Anwendung beim Menschen, die nicht zulasten der GKV oder nicht als Sachleistung abgegeben wurden, muss die Apotheke im Wege einer Selbsterklärung an den Notdienstfonds melden. Um diesen Meldeprozess so verwaltungsschlank wie möglich zu halten, wurde in enger Zusammenarbeit mit Apothekenrechenzentren und -softwarehäusern der Sonderbeleg Selbsterklärung entwickelt. Dieser Sonderbeleg basiert auf dem Muster 16, sodass er in bereits bestehende Rezeptabrechnungsprozesse eingebunden werden kann.
Entscheidet sich die Apotheke für die Annahme der entsprechenden Serviceangebote der ARZ, so nimmt sie am jeweils ersten Werktag nach Monatsende die Bedruckung des Sonderbeleges vor, und reicht ihn gemeinsam mit den anderen Rezepten bei ihrem ARZ ein. Dabei ist für jedes IK, welches die Apotheke verwendet, ein eigener Sonderbeleg zu bedrucken, auch wenn im aktuellen Monat kein Arzneimittel über dieses IK abgegeben wurde.
Falls die Apotheke sich nicht für die Nutzung des ANSG-Serviceangebotes ihres ARZ entscheidet, so muss sie am ersten Werktag nach Quartalsende für jeden Monat und für jede IK den entsprechenden Beleg ausfüllen und direkt beim Notdienstfonds einreichen.
Wie kommt der Sonderbeleg in die Apotheke?
Jede Apotheke soll in der zweiten Augusthälfte automatisch per Post mehrere Sonderbelege sowie eine detaillierte Anleitung zum Umgang mit diesen vom Notdienstfonds erhalten. Der Versand wird – im Auftrag des Fonds – vom mit dem Druck beauftragten Verlag erfolgen. Bei diesem Verlag sollen die Apotheken später auch bei Bedarf weitere Exemplare des Sonderbelegs abfordern können.
Finanzströme
Nutzt die Apotheke die ANSG-Services ihres ARZ, so erfolgt die Abrechnung zwischen ihr und dem Notdienstfonds vollständig über das ARZ im Rahmen der normalen Rechnungslegung, wobei die Bescheide des Fonds an die Apotheke und eine elektronische Kopie an das beauftragte ARZ gehen. Andernfalls erfolgt die spätere Auszahlung der Notdienstpauschale – verwaltungsaufwendiger – vom Fonds direkt an die Apotheke.
Ausblick
Wenn Datenstrukturen, -ströme und -verarbeitung in ihren grundsätzlichen Formen geklärt und die grundlegenden Vereinbarungen mit Apothekenrechenzentren sowie Dienstleistern für die Datenverarbeitung et cetera geschlossen worden sind, muss sich der Fonds um eine Vielzahl weiterer Detailfragen kümmern. Hierzu gehört auch der Umgang mit unvermeidlichen Korrekturen der eingereichten Daten.
Bis der Nacht- und Notdienstfonds zu einem Routinebetrieb übergehen kann, wird es noch viel Einsatzes bedürfen. Aber die ersten Schritte sind gemacht. /