EMA will MCP- Einsatz drosseln |
30.07.2013 12:55 Uhr |
Von Sven Siebenand / Ein Gremium der europäischen Arzneimittelbehörde EMA hat vorgeschlagen, den Gebrauch von Metoclopramid (MCP) einzuschränken. Damit sollen das Risiko schwerer neurologischer Nebenwirkungen sowie die Gefahr von seltenen, aber ernsten kardiologischen Effekten minimiert werden.
Grundlage der Empfehlung ist eine Untersuchung der EMA zu Nutzen und Risiken des Wirkstoffs, die auf Betreiben der französischen Arzneimittelagentur ANSM eingeleitet wurde. Diese hatte 2011 in einer Auswertung nationaler Daten zum Einsatz von MCP bei Kindern festgestellt, dass trotz verschiedener Maßnahmen zur Risikominimierung nach wie vor über Nebenwirkungen in dieser Altersgruppe berichtet wurde. Auch beim kürzlich beschlossenen Aus für Tetrazepam hatte die ANSM den Stein ins Rollen gebracht.
Risiko steigt mit Dosis und Dauer der Therapie
Die EMA-Überprüfung von MCP bestätigte die bekannten Nebenwirkungen des Wirkstoffs. Sie ergab, dass akute neurologische Effekte wie extrapyramidale Störungen vor allem bei Kindern auftreten, während Spätdyskinesien eher bei Älteren vorkommen. Das Risiko steigt mit der Dosis und der Therapiedauer. Ebenso konnten vor allem für die intravenöse MCP-Gabe Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System belegt werden.
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Im Einzelnen schlägt das Committee on Medicinal Products for Human Use (CHMP) der EMA jetzt folgende Maßnahmen vor: MCP soll nur noch für einen Zeitraum von bis zu fünf Tagen verordnet werden. Für den dauerhaften Einsatz, zum Beispiel bei Gastroparese, Dyspepsie oder Refluxerkrankung, wäre es dann tabu.
Bei Erwachsenen soll der Wirkstoff nur noch zur Prävention von postoperativem Erbrechen und Übelkeit, von Radiotherapie-induziertem Erbrechen und Übelkeit sowie von verzögertem (aber nicht akutem) Chemotherapie-induziertem Erbrechen und Übelkeit zum Einsatz kommen. Im Zusammenhang mit akuter Migräne soll MCP ferner noch zur symptomatischen Behandlung von Übelkeit und Erbrechen zur Verfügung stehen.
Bei Kindern soll MCP dem Vorschlag zufolge nur noch als Zweitlinien- Option zur Prävention von verzögertem Chemotherapie-induziertem Erbrechen und Übelkeit sowie zur Behandlung von postoperativem Erbrechen und Übelkeit eingesetzt werden. Bei Kindern unter einem Jahr wäre der Wirkstoff kontraindiziert.
Als maximale Tagesdosis gibt das CHMP sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen 0,5 mg Wirkstoff pro Kilogramm Körpergewicht vor. Die übliche Einzeldosis, die bis zu dreimal täglich gegeben werden kann, soll bei Erwachsenen 10 mg betragen. Für Kinder sind 0,1 bis 0,15 mg MCP pro Kilogramm Körpergewicht vorgesehen, die ebenfalls bis zu dreimal täglich gegeben werden können.
Viele deutsche Präparate zu hoch dosiert
Flüssige MCP-Formulierungen zur oralen Einnahme standen laut EMA häufig mit Überdosierungen bei Kindern in Verbindung. Daher empfiehlt das CHMP, flüssige Formulierungen mit mehr als 1 mg/ml MCP vom Markt zu nehmen. Hier wären sehr viele Präparate auf dem deutschen Markt betroffen, die 4 mg/ml MCP enthalten. Dasselbe Schicksal hätten 20-mg-MCP-Suppositorien und intravenöse Formulierungen mit Konzentrationen über 5 mg/ml MCP. Apropos intravenöse Formulierungen: Sie sollten, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren, über einen Zeitraum von mindestens drei Minuten, also langsam injiziert werden.
Die Europäische Kommission wird sich nun mit der Empfehlung des CHMP befassen und eine EU-weit geltende Entscheidung treffen müssen. /
MCP ist in Deutschland das mit großem Abstand am häufigsten verordnete motilitätssteigernde Mittel. Laut »Arzneiverordnungsreport 2012« wurden im Jahr 2011 56,1 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) abgegeben; 99 Prozent davon waren Generika. Eine DDD Metoclopramid kostete netto durchschnittlich 0,97 Euro.
Vorschlag mit Augenmaß
Der Vorschlag der EMA, den Gebrauch von Metoclopramid einzuschränken, verdient Respekt und Anerkennung. Respekt deshalb, weil mit MCP nach Tetrazepam ein weiterer Altarzneistoff auf den Prüfstand gestellt wurde, dessen Gebrauch in der Vergangenheit immer wieder Fragen der Sicherheit aufgeworfen hat. Anerkennung gebührt dem Expertengremium deshalb, weil es mit Augenmaß Anwendungsbeschränkungen vorschlägt, die nicht zur völligen Aufgabe dieses wichtigen Arzneistoffs führen. Die zeitliche Limitierung des Einsatzes bei klarer Indikationsstellung und verminderter Dosierung in Kombination mit dem Wegfall hoch dosierter Arzneiformen werden zu einer Schärfung des Sicherheitsprofils von MCP führen. Ärzte und Apotheker sind gut beraten, die neuen Empfehlungen ab sofort in die Praxis umzusetzen.
Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz
Mitglied der Chefredaktion