Echtheitsprüfung live |
07.01.2013 14:50 Uhr |
Von Elke Wolf, Eschborn / Die Überprüfung der Echtheit einzelner Arzneimittelpackungen bei der Abgabe wird schon bald zum Alltag einer jeden Apotheke gehören. So sieht es die EU-Fälschungsrichtlinie vor. Was das für die Praxis bedeutet, wird seit 1. Januar 2013 mit dem Sicherungskonzept Securpharm in einem Feldversuch getestet. Die PZ sprach mit Dr. Reinhard Hoferichter, Sprecher des Vorstands von Securpharm, und Gerhard Haas, Leiter ABDATA und Koordinator des Projekts für die Apotheken.
Das Fälschungsschutzsystem Securpharm ist eines der größten IT- und Verbraucherschutzprojekte Europas. Dennoch ist sich Hoferichter sicher, dass »die Echtheitsprüfung keine zusätzliche Belastung im Alltag einer Apotheke bringen wird«. Wie läuft diese konkret ab? Zur Verifikation scannt das Apothekenpersonal einen speziellen Code von der Arzneimittelpackung, und es findet eine Online-Überprüfung der Pharmazentralnummer (PZN) und Seriennummer der Packung gegenüber einer zentralen Datenbank statt. Zurückgemeldet wird der dort vermerkte Status der Packung. Ist dieser in Ordnung, kann das Arzneimittel abgegeben werden. Mit der Abgabe der Packung wird anschließend der Status in der Datenbank als »abgegeben« gekennzeichnet. Wird jedoch ein unbekannter oder ein bereits zuvor von einer Apotheke als abgegeben deklarierter Code abgefragt, erhält das Apothekenpersonal eine Warnung vom System. Diesem Vorfall wird Securpharm dann nachgehen.
Seit Anfang Januar wird das Fälschungsschutzsystem Securpharm in der Praxis getestet. Gerhard Haas (links) und Dr. Reinhard Hoferichter standen der PZ Rede und Antwort.
Foto: PZ/Wolf
Hoferichter: »Technisch ist es so, dass die Abfrage in der Regel innerhalb von ein bis zwei Sekunden erfolgt. Der geschwindigkeitsbestimmende Faktor ist hierbei der Internetzugang der Apotheke und nicht die Kommunikation zwischen dem nachgelagerten Apotheken- und Herstellersystem. Wenn das Apothekensystem erreicht ist, dann ist die Verarbeitungszeit für die Verifizierung verschwindend gering.« Bei der konkreten Verifizierung direkt am Kassenabgabeplatz erhält das Apothekenpersonal jedoch weitere Unterstützung, erklärte Haas. »So sind alle mit dem speziellen Code versehenen Produkte im ABDA-Artikelstamm entsprechend gekennzeichnet. Also erhält der Apotheker schon vor dem Scannen einen Hinweis darauf, ob das Produkt einen Verifizierungscode besitzt, der zu scannen ist. Falls dies der Apotheker vergisst, weist ihn das System beim Kassenvorgang darauf hin.«
Data Matrix Code als Kern
Die Verifizierung möglich macht der sogenannte Data Matrix Code (DMC). Er ist deshalb das Kernelement des Securpharm-Modells und enthält neben der PZN eine packungsindividuelle Seriennummer, die jede Packung zu einem Unikat macht und die Echtheitsprüfung einer einzelnen Arzneimittelpackung ermöglicht. Als weitere zusätzliche Information enthält der DMC die Chargennummer und das Verfallsdatum. Damit hat der Apotheker endlich die Möglichkeit, Charge und Verfall maschinell zu erfassen. Haas: »Das war schon lange Wunsch der Apotheker. Damit haben sie jetzt neben der Echtheitsprüfung einen zusätzlichen Mehrwert in der täglichen Arbeit. Langfristig stehen damit all diese codierten Informationen packungsgenau in der Warenwirtschaft der Apotheke zur Verfügung.«
Für die Securpharm-Verifikation ist der Data Matrix Code mit dem Kürzel »PPN« zu verwenden.
Foto: PZ/Wolf
Der DMC ist ein moderner Datenträger, der im Arzneimittelbereich zusätzliche Möglichkeiten bietet. »Der bisherige PZN-Strichcode, auch Code 39 genannt, ist an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gestoßen«, sagte Hoferichter. Auch nach dem Umsetzen der EU-Richtlinie im Jahr 2017 wird es für eine Übergangsphase ein Nebeneinander von Packungen mit PZN-Strichcode und DMC geben, da die Hersteller ihre Produktionslinien erst nach und nach umstellen und für eine Übergangszeit auch Packungen ohne DMC weiterhin abgabefähig bleiben.
Einige Hersteller bringen bereits seit Längerem einen DMC auf ihre Packungen auf. Er ist aber noch nicht für die Securpharm-Verifikation geeignet. Für die Echtheitsprüfung ist der DMC abzuscannen, der zusätzlich mit dem Schriftzug »PPN« gekennzeichnet ist, informierte Haas. Fehlt der Code mit der PPN-Kennzeichnung, muss der Apotheker weiter den bisherigen Strichcode für die Datenerfassung verwenden. »Die PPN, die Pharmacy Product Number, ist letztendlich eine erweiterte PZN. Denn: Damit die PZN europaweit als Codierung eingesetzt werden kann, wurde sie in einen zusätzlichen Ziffern-Mantel eingebettet. Dieser Mantel macht aus einer PZN eine PPN und damit international einsetzbar. Für den Apotheker entscheidend: Die eindeutige Identifikation des Arzneimittels erfolgt dabei weiterhin durch die zentral vergebene PZN.«
Welche Kosten kommen auf die Apotheker zu? »Das Modul für die Arzneimittelverifizierung wird letztendlich von den Apotheken-Softwarehäusern in die Warenwirtschaftssysteme der Apotheken integriert. Sofern die heute in der Apotheke eingesetzten Scanner nicht ohnehin schon einen DMC lesen können, müssten diese zusätzlich bis 2017 nachgerüstet werden. Dies kann etwa im Zuge der planmäßigen Erneuerung der Computerausstattung erfolgen. Schätzungen ergeben, dass durch den routinemäßigen Austausch der IT-Hardware bis 2017 dabei etwa 90 Prozent der Apotheken automatisch mit der erforderlichen Scanner-Technik ausgestattet sein werden.« Deshalb geht Hoferichter davon aus, dass die Einführung der Echtheitsprüfung von Arzneimitteln für die meisten Apotheken ohne Zusatzkosten möglich ist.
Chance zur Profilierung
Hoferichter: »Securpharm soll nicht als Belastung empfunden werden, das unauffällig im Hintergrund laufen muss. Ich betrachte die Echtheitsprüfung auch als eine Chance für die Apotheken, sich als sicherste Quelle für Arzneimittel zu profilieren. Schließlich findet die Originalitätsprüfung unmittelbar vor den Augen des Patienten statt. Das bietet die Gelegenheit, mit Kunden aktiv darüber zu sprechen, dass nur der Vertriebsweg Apotheke den optimalen Schutz vor Arzneimittelfälschungen bietet. Das sensibilisiert den Verbraucher für die Gefahren anderer Vertriebswege, besonders des illegalen Internethandels.«
Langfristig müssen sich auch die Versandapotheken an das System der Arzneimittelverifizierung anschließen; die Richtlinie macht keinen Unterschied zwischen Präsenz- und Versandapotheken. »Securpharm steht für alle offen, die von der Richtlinie betroffen sind. Das gilt auch für ausländische Versandapotheken. Wir wollen unser System nicht dazu benutzen, um irgendwelche Entwicklungen im Markt zu korrigieren«, stellte Hoferichter klar. »Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zwischen der Echtheitsprüfung des Versandhandels und der in der öffentlichen Apotheke. In letzterer findet die Originalitätsprüfung vor den Augen des Patienten statt. Und diesen kleinen Unterschied werden die Apotheker hoffentlich zu nutzen wissen.«
Pilotversuch zum Ausloten
Seit Januar wird das Sicherungskonzept in einem mindestens dreimonatigen Feldversuch mit etwa 300 Apotheken unter Alltagsbedingungen getestet und anschließend kontinuierlich weiter ausgebaut. Beteiligt sind die fünf Apothekensystemanbieter ADG, ASYS, Awinta, Cida und Pharmatechnik. Die teilnehmenden pharmazeutischen Hersteller stellen über den Großhandel zunächst 80 kodierte Produkte zur Verfügung. Bis 2017 sollen dann alle Hersteller mit allen relevanten Präparaten, alle Großhändler und alle Apotheken an Bord genommen werden. »Nach der Pilotphase werden wir uns den Marktteilnehmern annehmen, um die wir uns aus technischen Gründen wegen anderer Softwareausstattung bislang nicht kümmern konnten, wie die Krankenhausapotheken«, steckte Hoferichter das zukünftige Programm ab.
Die Erstellung der »black and white list«, das heißt die Beantwortung der Frage, welche Arzneimittel überhaupt die Sicherheitsmerkmale tragen müssen, soll in der delegierten Rechtsakte geklärt werden.
Foto: Fotolia/victoria p.
Für Haas behandelt der Feldversuch vorerst die Standard-Abgabe von Arzneimitteln in der Apotheke und soll demonstrieren, inwieweit die Apotheke in der Lage ist, das Verifizierungskonzept umzusetzen. »Ab Januar werden wir dabei eine Reihe von Situationen und Konstellationen lokalisieren, für die das Securpharm-Modell langfristig weiter ausgebaut wird. Das ist aber genau das Ziel des Pilotprojekts und der Jahre bis 2017, die Zeit zu nutzen, um für alle praxisrelevanten Fragen eine Antwort zu finden. Die Vorschläge dazu kommen dabei direkt vom Berufsstand der Apotheker, und die Antworten werden gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden und der Politik erarbeitet.« Haas machte klar, dass beim Einsatz des Modells für alle konkreten Alltagsprobleme in der Offizin wie Auseinzeln oder patientenindividuelles Verblistern uneingeschränkt die Regelungen der Apothekenbetriebsordnung gelten und in der Verantwortung des Apothekers liegen.
Bestmöglicher Datenschutz
Der Datenschutz wird bei Securpharm großgeschrieben. Haas: »Wir haben ein Verbund-System, das aus drei Komponenten besteht: zum einen eine Hersteller-Datenbank, in dem die Industrie ihre packungsbezogenen Daten für ihre in den Verkehr gebrachten Packungen einbringt. Zum anderen gibt es ein Apothekensystem, das die Anfragen der einzelnen Apotheken entgegennimmt. Diese werden anonymisiert und an das Industriesystem weitergegeben. Das bedeutet: Die Apotheke gibt sich nur am Apothekenserver zu erkennen, und das Industriesystem weiß nicht, von welcher Apotheke die Anfrage konkret kommt. Damit ist nicht nachzuvollziehen, welche Apotheke eine Packung mit einer bestimmten Seriennummer abgegeben hat. Die Apotheke wiederum erhält keinen direkten Zugang zur Hersteller-Datenbank mit den Informationen, welche Produkte und Packungen insgesamt im Handel sind. Das dritte System ist das Securpharm-Zentralsystem, das den Gesamtprozess überwacht, um Fälschungsverdachtsfälle zu erkennen und zu recherchieren.«
Der Verdacht, das System sei letztendlich ein Apothekenüberwachungssystem, ist also falsch? »Durch die Tatsache, dass der Betreiber des Apothekenservers letztlich die Apothekerschaft selbst ist – durch die Konzeption als Stakeholder(Anteilseigner)-Modell mit dem Deutschen Apothekerverband beziehungsweise der ABDATA –, sind die Apotheker optimal geschützt. Durch das dreigeteilte System bleibt jeder Herr seiner Daten. Nur bei Fälschungsverdachtsfällen haben sich Hersteller, Großhändler und Apotheker darauf verständigt, alle Daten offenzulegen, um dem Verdacht nachgehen zu können«, sagte Haas.
Auch wenn mit Securpharm hohe Kosten für die Hersteller verbunden sind, rechtfertigt Hoferichter, selbst Apotheker und bei Sanofi Aventis tätig, die Einführung der neuen Schutzmaßnahmen. »Der Nutzen dieser neuen Sicherungstechnologie überwiegt deutlich. Sichere Vertriebswege werden noch sicherer, Verbraucher werden für die Gefahren des Arzneimittelkaufs im Internet sensibilisiert und das Vertrauen in Arzneimittel mit der Bezugsquelle Apotheke gestärkt. Es ist eine Verpflichtung der Industrie, die eigenen Produkte fälschungssicher zu machen. Die Unternehmen, die dieser Aufgabe nicht nachkommen, werden dann auch den Schaden davontragen.« /
Um das Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Vertriebskette zu verhindern, verabschiedete das europäische Parlament 2011 eine entsprechende Fälschungsrichtlinie. Damit wird für die Mitgliedsländer der EU ein einheitlicher Fälschungsschutz für verschreibungspflichtige Arzneimittel vorgeschrieben, verbunden mit der Auflage, die geforderten Maßnahmen bis 2017 umzusetzen. Die Vorgaben der Richtlinie wurden im Herbst 2012 mit der 16. AMG-Novelle in deutsches Recht überführt. So sieht die Richtlinie vor, dass Arzneimittel mit Sicherheitsmerkmalen ausgestattet sein müssen, die es zum einen ermöglichen, die Echtheit des Arzneimittels zu überprüfen und zum zweiten einzelne Packungen zu identifizieren. Außerdem wird ein sogenannter Originalitätsverschluss (wie Klebepunkte oder -siegel, bestimmte Packmittelfaltungen oder perforierte Öffnungslaschen) Pflicht, um eventuelle Manipulationen an der Packung erkennen zu können.
Um die technischen und organisatorischen Anforderungen zu entwickeln und um der Politik ein funktionsfähiges Modell zu präsentieren, gründeten Apothekerschaft, Arzneimittelhersteller und Großhändler das gemeinsame Projekt Securpharm. Es ist kein deutsches Projekt, sondern der deutsche Baustein für ein europäisches Netzwerk. Die Richtlinie macht keine genauen Vorgaben zur technischen Umsetzung. Diese müssen im Rahmen der sogenannten delegierten Rechtsakte, die die EU-Kommission voraussichtlich 2014 erlassen wird, festgelegt werden. Hier wird auch geregelt, welche verschreibungspflichtigen Arzneimittel die Sicherheitsmerkmale nicht und welche rezeptfreien Arzneimittel sie tragen sollen (»white list«/»black list«).