Mehr als ein Potenzmittel |
11.12.2012 16:07 Uhr |
Von Sven Siebenand / Der Phosphodiesterase-5-Hemmer Tadalafil (Cialis®) hat eine Indikationserweiterung erhalten. Die 5-mg-Filmtabletten dürfen nun nicht nur bei erektiler Dysfunktion (ED), sondern auch zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS) oder beim gleichzeitigen Auftreten beider Erkrankungen zum Einsatz kommen. Die Leitlinien der European Association of Urology empfehlen bei ED den First-line-Einsatz von PDE-5-Hemmern.
Bei BPS-Syndromen wurden bislang vor allem α-Blocker, aber auch 5-α-Reduktase-Inhibitoren eingesetzt. Wie Hersteller Lilly Pharma meldet, steht durch die Indikationserweiterung erstmals eine gemeinsame Behandlungsoption für ED und BPS zur Verfügung. Laut Fachinformation wird erwachsenen Männern mit ED und BPS eine Konstanztherapie mit täglich 5 mg Tadalafil empfohlen. Aufgrund der langen Halbwertszeit dieses PDE-5-Hemmers von 17,5 Stunden spielt der Einnahmezeitpunkt dabei keine Rolle, allerdings sollten sie die Tablette immer zur gleichen Tageszeit einnehmen.
Benigne Prostatahyperplasie: Die Bestimmung der Prostatagröße wird in der Regel beim Urologen vorgenommen.
Foto: Fotolia/ArTo
Lilly weist darauf hin, dass in Deutschland jeder fünfte Mann über 40 im Laufe seines Lebens an einer ED erkrankt. In vielen Fällen kommen noch weitere Erkrankungen hinzu. Zu den häufigsten Co-Morbiditäten von ED zählt das BPS. Es werden verschiedene Ansätze diskutiert, weshalb Männer mit ED häufig auch unter BPS leiden. Neben einer veränderten Stickstoffmonoxid-cGMP-Signalkaskade kommen eine verstärkte Signalübertragung der RHO-1-Kinase, eine autonome Hyperaktivität, die zu einer Dysregulation des Sympathikus und Parasympathikus führen kann, sowie eine Arteriosklerose des Gefäßsystems im Beckenbereich in Betracht. All diese Mechanismen können auf das urogenitale Gewebe einwirken und tragen potenziell zur Entstehung von ED und BPS bei.
Anders als bei ED ist der genaue Wirkmechanismus von Tadalafil bei BPS bisher noch nicht restlos geklärt. Es wird diskutiert, dass es infolge der PDE-5-Hemmung zur Anhäufung von intrazellulärem cGMP in Prostata und Blase kommen kann. Dies kann eine Muskelrelaxation zur Folge haben. Die Entspannung der glatten Muskulatur könnte damit zu einer weiteren Öffnung des Blasenhalses und einer verbesserten Entleerung führen. Zudem könnte damit die Überaktivität des Detrusors in Blasenhals und -boden abnehmen. Ein anderer Erklärungsversuch geht von einer durch die PDE-5-Hemmung hervorgerufenen Modifikation der afferenten Signalweiterleitung von Blase, Harnröhre und Prostata aus.
Ein dritter möglicher Wirkmechanismus: Ausgehend von der Annahme, dass die Funktionalität des Detrusormuskels der Blase von einer arteriellen Insuffizienz des Beckenbodens beeinträchtigt wird, hat die verstärkte vaskuläre Durchblutung des unteren Harntrakts durch die PDE-5-Hemmung eine therapeutische Funktion und könnte so Beschwerden im unteren Harntrakt (LUTS, lower urinary tract symptoms) vermindern. /