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HIV-Therapie

Weltweit bessere Versorgung

29.11.2011  17:34 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Auf der ganzen Welt haben immer mehr HIV-Infizierte Zugang zu einer wirksamen Therapie. Das geht aus einem aktuellen Bericht des HIV/Aids-Programms der Vereinten Nationen (UNAIDS) hervor. Dennoch bleiben die Probleme rund um die Immunschwächekrankheit groß.

Michel Sidibé brachte gute Nachrichten mit nach Berlin. Selbst in einer schwierigen Zeit wie der Finanzkrise erzielten viele Länder Erfolge in der Aids-Bekämpfung, sagte der geschäftsführende Direktor von UNAIDS bei der Vorstellung des World Aids Day Report 2011. »Es gab einen deutlichen Aufwärtstrend beim Zugang zur HIV-Behandlung mit dramatischem Einfluss auf das Leben vieler Menschen auf der ganzen Welt.«

 

50 Prozent werden therapiert

 

Nach Schätzungen von UNAIDS haben 2010 rund 50 Prozent der Menschen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen, die für eine antiretrovirale Therapie infrage kommen, Zugang zu entsprechenden Medikamenten erhalten. Das ist ein Plus von rund 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Dem Report zufolge sinkt zudem die Zahl der Neuinfektionen. 2010 haben sich weltweit 2,7 Millionen Menschen mit dem Erreger infiziert. Gegenüber 2009 hat sich die Zahl zwar kaum verändert. Verglichen mit dem Höhepunkt der Epidemie 1997 steckten sich 2010 aber rund ein Fünftel weniger Menschen an. Insgesamt lebten im vergangenen Jahr 34 Millionen Menschen mit dem HI-Virus, davon knapp 70 Prozent allein in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara.

 

Die Zahl der Aids-bedingten Todesfälle lag mit 1,8 Millionen so niedrig wie seit vielen Jahren nicht mehr. Auch bei der Infektion Neugeborener gab es Fortschritte: 390 000 Kinder wurden 2010 mit HIV geboren, im Jahr davor waren es noch 430 000 gewesen.

 

Als positives Beispiel hebt der Bericht Botsuana hervor. Noch im Jahr 2000 hatten dort lediglich 5 Prozent der Betroffenen Zugang zu einer antiretroviralen Therapie, heute sind es rund 80 Prozent. Der Grund für diese Entwicklung liegt in den Versorgungsstrukturen: Botsuana war das erste afrikanische Land, das ein nationales Therapieprogramm für HIV-Infizierte auf die Beine stellte. Seit Ende der 1990er Jahre ist die Zahl der HIV-Neuinfektionen dort um mehr als zwei Drittel gefallen – und das obwohl Botsuana im südlichen Afrika liegt, das weltweit am stärksten von HIV und Aids betroffen ist.

 

Trotz dieser positiven Zahlen gibt es nach wie vor große Pobleme rund um die Krankheit. So steigen die Infektionszahlen in Osteuropa und Zentralasien, aber auch im Mittleren Osten, in Ozeanien und Nordafrika. Sidibé betonte die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit im Kampf gegen HIV und Aids. »Nur gemeinsam können wir die Vision einer Welt ohne Neuinfektionen, ohne Diskriminierung und ohne Aids-bezogene Todesfälle erreichen.« Auch Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte: »Jede Neuinfektion ist eine zu viel. Darum muss hier weiter intelligent investiert werden.«

 

»Sozialer Impfstoff« Bildung

 

Im Mittelpunkt sollten dabei die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung stehen, so Niebel. In vielen Ländern würden Drogensüchtige kriminalisiert, sie könnten sich und andere damit nicht vor HIV schützen. Deutschland sei Vorreiter im Bereich präventiver Ansätze für Süchtige. »Wir werden unser Engagement in diesem Bereich ausbauen«, sagte Niebel. Daneben sei Bildung als »sozialer Impfstoff« zentrale Voraussetzung für Prävention. »Junge Menschen müssen lernen, wie sie sich und andere vor HIV schützen.«

 

Deutschland ist einer der größten Geber für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Diesen hatten die Vereinten Nationen 2001 gegründet, heute werden dort mehr als 20 Prozent der Mittel für den weltweiten Kampf gegen HIV verwaltet. Zum Eklat kam es, als Anfang dieses Jahres Korruptionsvorwürfe gegen den Fonds laut wurden. Deutschland fror daraufhin seine Unterstützung von jährlich 200 Millionen Euro ein. Inzwischen hat sich der Untreue-Verdacht bestätigt. Ein Reformpaket soll den Globalen Fonds nun umstrukturieren, künftig soll es ein besseres Risikomanagement und mehr Schutz vor Korruption geben.

 

Niebel gibt deutsche Mittel wieder frei

 

Niebel lobte die Reformbeschlüsse und kündigte vergangene Woche an, die zurückgehaltenen Mittel wieder freizugeben. Auch 2012 will Deutschland den Fonds demnach mit 200 Millionen Euro unterstützen – vorausgesetzt, die Reform wird erfolgreich umgesetzt. Die Deutsche Aidshilfe (DAH) übte Kritik an dieser zurückhaltenden Förderpolitik. Deutschland müsse die Unterstützung für die kommenden beiden Jahre verbindlich garantieren, sagte Sylvia Urban, DAH-Vorstandsmitglied. »Der Globale Fonds braucht in der Not keine Nörgler, sondern starke Freunde.«

 

In Deutschland sinkt die Zahl der HIV-Neuinfektionen stetig. Für das Jahr 2011 geht das Robert-Koch-Institut (RKI) von rund 2700 Infektionen aus (2009: 2885; Höchststand 2006: 3400). »Zu den wichtigsten Ursachen für diese positive Entwicklung gehören die intensivierte Prävention und die zunehmend frühere Diagnose und Behandlung HIV-Infizierter, die dann weniger infektiös für ihre Sexualpartner sind«, sagte RKI-Präsident Reinhard Burger. Dennoch sei eine HIV-Infektion nach wie vor nicht heilbar.

 

Insgesamt leben in Deutschland 73 000 Menschen mit HIV oder Aids. Diese Zahl steigt seit Mitte der 1990er-Jahre an, da die Zahl der Neuinfektionen höher ist als die der Todesfälle. Nach Angaben der Deutschen Aids-Hilfe nehmen rund 80 Prozent der Betroffenen in Deutschland Medikamente gegen die Virusvermehrung, das sind so viele wie nie zuvor. Die am stärksten von HIV betroffene Gruppe sind nach wie vor Männer, die Sex mit Männern haben (45 000). In diesem Jahr hat das RKI erstmals eine neue Berechnungsmethode eingesetzt, die es erlaubt, den Infektionszeitpunkt sehr viel genauer zu bestimmen. Die Schätzung für 2011 ist daher nicht direkt mit den Werten vorangegangener Jahre vergleichbar.

 

Stigmatisierung HIV-Infizierter abbauen

 

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zeigte sich erfreut angesichts der sinkenden Infektionszahl. Aber: »Jede Neuinfektion ist eine, die vermieden werden kann«, so Bahr. Auch die Stigmatisierung HIV-Infizierte müsse weiter abgebaut werden. »Die Betroffenen gehören in die Mitte unserer Gesellschaft.« / 

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