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Venenleiden

Von Besenreisern und Varizen

11.11.2011  13:41 Uhr

Von Andrea Gerdemann, Ebersberg / Krampfadern sind nicht nur ein kosmetisches Problem. Gegebenenfalls müssen frühzeitig und konsequent therapeutische Maßnahmen ergriffen werden, um die Progredienz der Veneninsuffizienz aufzuhalten beziehungsweise zu verlangsamen.

Die Zahlen sprechen für sich: Der Gesundheitsbericht des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahre 2009 zum Thema Venenerkrankungen der Beine postuliert, dass neun von zehn deutschen Erwachsenen zumindest leichte Veränderungen der Beinvenen, meist sogenannte Besenreiser, haben.

 

Laut der 2003 im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie durchgeführten »Bonner Venenstudie« mit 3.072 Testpersonen im Alter von 18 bis 79 Jahren leiden sogar jeder sechste Mann und jede fünfte Frau unter einer chronischen Veneninsuffizienz (CVI) mit Varizen und Beschwerden unterschiedlichen Schweregrades (1).

Dabei ist die Häufigkeit von Beinbeschwerden deutlich altersabhängig und nimmt von 46,8 Prozent der 20- bis 29-Jährigen auf 74,1 Prozent der 70 bis 79 Jahre alten Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zu.

 

Oft schleichender Prozess

 

Meist konstitutionell durch familiäre Bindegewebsschwäche bedingt, ist die primäre (idiopathische) Varikose auf eine verlangsamte Mikrozirkulation zum Beispiel durch mangelnde oder fehlende Bewegung zurückzuführen. Betroffen sind bei dieser degenerativen Wanderkrankung die epi-, intra- und transfaszialen, also oberflächlichen, tiefen und »verbindenden« Venen der Beine (2).

 

Prädisponierende Faktoren sind stehende oder sitzende Tätigkeit, Adipositas oder Schwangerschaft. Die primäre Varikose kann bereits im Kindesalter auftreten. Allerdings steigt ihre Prävalenz mit zunehmenden Lebensjahren. Zu den Risikofaktoren zählen neben genetischer Disposition, Alter und Übergewicht auch das (weibliche) Geschlecht, übermäßiger Nikotinkonsum, die Einnahme oraler Kontrazeptiva oder Hormonersatztherapie.

Die sekundäre Varikose als Folge der Insuffizienz der Gefäßwände und/oder Venenklappen, aber auch des Venenverschlusses zum Beispiel durch Blutgerinnsel oder Beintraumata, ist charakterisiert durch die Tatsache, dass der venöse Rückstrom des Blutes zum Herzen nur noch eingeschränkt möglich ist.

 

Es entsteht eine venöse Hypertonie. Die venöse Volumenüberlast führt zu geweiteten Gefäßen und zu einer Minderversorgung des Gewebes und der Haut mit Nährstoffen und Sauerstoff. Die Patienten klagen zunächst über Schweregefühl und Schwellungen sowie Jucken und Schmerzen der Beine. Zudem werden nächtliche Wadenkrämpfe beschrieben (2).

 

Im fortgeschrittenen Stadium kommen – langsam und schleichend – Störungen der Mikrozirkulation, Hautveränderungen, Gewebeverhärtungen oder auch Ödeme hinzu. Unbehandelt kann sich innerhalb von Jahren und Jahrzehnten das Risiko für Komplikationen wie beispielsweise chronisches Ödem, trophische Hautveränderungen oder letztlich Ulcus cruris dramatisch erhöhen (2).

Anhand der klinischen Ausprägung wird die CVI nach Widmer in verschiedene Stadien eingeteilt. Grad 1 ist von Krampfadern ohne nennenswerte Beschwerden geprägt. Die Krampfadern gehen bei Grad 2 mit Dysästhesien, Juckreiz, Schwere- und Spannungsgefühl sowie leichter Schwellneigung der Beine und Wadenkrämpfen einher.

 

Grad 3 ist durch Krampfadern bei gleichzeitig stärkerer Ausprägung der Grad-2-prägenden Beschwerden sowie trophischen Hautstörungen wie Bindegewebshyperplasie, Pigmentierungen, Dermatitis, Ekzem und Atrophie gekennzeichnet. Grad 4 schließlich geht mit Krampfadern, einer noch stärkeren Ausprägung der Beschwerden und Komplikationen gemäß Grad 3 sowie unterschiedlich stark entwickelten Unterschenkelgeschwüren einher.

 

International hat sich zwischenzeitlich die Einteilung der Venenerkrankungen nach CEAP-Klassifikation von C0 bis C6 etabliert (siehe Tabelle 1).

 

Konservative Therapie

 

Varikose, Thromboseprophylaxe, Throm­bosen, Thrombophlebitis, aber auch sonstige Ödeme wie Lymph- und Lipödeme als häufig bei Frauen mittleren Alters auftretende Schwellungen des Fettgewebes mit Hyperlipoproteinämie: Ziel der konservativen Behandlung, die prinzipiell in jedem Erkrankungsstadium zum Einsatz kommt, ist die Linderung der beschriebenen Beschwerden.

Tabelle 1: Einteilung der Venenerkrankungen nach der CEAP-Klassifikation

Stadium Symptome
C0 Keine Zeichen einer Venenkrankheit
C1 Besenreiser (Teleangiektasien) oder retikuläre Varizen
C2 Varikose ohne klinische Zeichen einer CVI
C3 Varikose mit eindrückbarem, Ödem
C4 Varikose mit Hautveränderungen
C4a Varikose mit Pigmentierung, Ekzem
C4b Varikose mit Dermatoliposklerose, Atrophie blanche
C5 Varikose mit Narbe eines (geheilten) Ulcus cruris
C6 Varikose mit floridem Ulcus cruris (aktivem Unterschenkelgeschwür)

Die Varizen können weder beseitigt noch verhindert werden. Auch kann die Effektivität der konservativen Therapie insbesondere bei hochbetagten und multimorbiden Patient(inn)en an ihre Grenzen stoßen. Zur konservativen Therapie zählen unter anderem Entstauungsmaßnahmen wie Lymphdrainage, Balneotherapie, Gefäßsport oder Venentherapeutika. An erster Stelle allerdings steht die Kompressionstherapie (3).

 

Zur Erinnerung: Die physiologische Hauptaufgabe des Venensystems besteht im Rücktransport von sauerstoffarmem und »abfallreichen« Blut gegen die Schwerkraft zum Herzen. Dabei greifen oberflächliche, tiefe und »verbindende« Venen, die sogenannten Perforansvenen, ineinander.

 

Im gesunden Bein gewährleisten die Venenklappen wie »Rückschlagventile«, dass das durch die »Arterien­pumpe« aufwärts beförderte venöse Blut nur in eine Richtung, von unten nach oben und von innen nach außen, fließt (Abbildung 1 links). Der Rückfluss des Blutes in die Peripherie wird verhindert. Die Muskelpumpe trägt das Ihre dazu bei (Abbildung 1 rechts).

Kontrahieren die Muskeln, kommt es im distalen, venösen Abschnitt zu einem Nachstrom von Blut über die Perforansvenen aus dem oberflächlichen in das tiefe Venensystem. Das Blut fließt herzwärts.

 

Im kranken Bein ist diese venöse Hämodynamik durch Weitstellung oder Erschlaffung von Venenwänden und -klappen empfindlich gestört. Das Blut akkumuliert und »versackt« in den Gefäßen.

 

Sowohl Kompressionsverbände als auch medizinische Kompressionsstrümpfe zur Basistherapie phlebologischer Erkrankungen sind geeignet, die gestörte Dynamik durch Druck wieder zu stärken und somit die erstrebte Linderung der Beschwerden herbeizuführen beziehungsweise das Fortschreiten der Erkrankung durch Einhalt der Volumenüberlast zu verhindern (3).

 

Zur Therapie der unkomplizierten Varikose (Stadien C1 und C2 der CEAP-Klassifikation) werden in der Regel nur Kompressionsstrümpfe genutzt, während ab C3 auch Kompressionsverbände zum Einsatz kommen.

 

Kontraindikationen der Kompressionstherapie sind dekompensierte Herzinsuffizienz, fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit und Phlegmasia coerulea dolens als fulminante tiefe Beinvenenthrombose. Vorsicht ist unter anderem bei schweren Sensibilitätsstörungen der Extremität oder fortgeschrittener peripherer Neuropathie zum Beispiel bei Diabetes mellitus geboten (4).

 

Strümpfe und Verbände

 

Große Bedeutung bei der Therapie phlebologischer und lymphologischer Erkrankungen kommt dem phlebologische Kompressionsverband (PKV) zu. Durch seine komprimierenden Eigenschaften steigert er den venösen und lymphatischen Abstrom und verbessert so die venöse Pumpfunktion.

Der PKV kommt als Wechsel- (in der Regel täglich) oder als Dauer­verband (Tragedauer meh­rere Tage) zur An­wendung. Er sollte nur durch geschulte und geübte Personen ange­legt werden, damit ein Druck von distal nach proximal gewährleistet und das Risiko von Schmerzen, Gewebe­schäden oder sogar Nekrosen ausge­schlos­sen wird (3,4).

 

Die Binden sind mehr­fach verwendbar. Wenn sie nicht gummihaltig sind, sind sie in der Regel unempfindlich gegen Fette, Öle und Cremes. Empfohlen wird, die Binden gemäß Pfle­geanweisung häufig zu waschen, da Schweiß und Schmutz das Mate­rial der Binden angreifen.

 

In der Therapie phlebo­logischer und auch lymphologischer Er­kran­kungen spielt auch der medizinische Kompres­sions­strumpf (MKS) eine wichtige Rolle. In den Strumpf eingearbeitete elastische Fäden verleihen diesem die notwendigen komprimierenden Eigenschaften.

 

In der Regel wird der MKS individuell angemessen, da er seine Wirkung nur entfalten kann, wenn die jeweilige Anatomie des Patienten berücksichtigt wird. Für die Herstellung von MKS werden unterschiedliche Materialien wie beispielsweise Polyamid, Elastan, Baumwolle, Elastodien, Viskose oder auch Mikrofaser verwendet, die in ihrer Zusammensetzung variieren (4).

 

Kompressionsstrümpfe werden je nach Intensität des ausgeübten Druckes im Fesselbereich in verschiedene Kompressionsklassen eingeteilt (Tabelle 2).

 

Compliance stärken

 

Zur Therapie von Venenerkrankungen ist das regelmäßige Tragen von Kompressionsstrümpfen unerlässlich. Der Venenquerschnitt kann reduziert, der venöse und lymphatische Rückstrom beschleunigt, die Klappenfunktion der Venen verbessert und die Gefahr eines Extremitätenödems reduziert werden.

 

Die Compliance ist dennoch gering. Gemäß »Bonner Venenstudie« trugen zwei Drittel der befragten Männer und Frauen ihre Strümpfe nicht oder nicht regelmäßig (1).

Tabelle 2: Kompressionsklassen je nach Intensität des ausgeübten Druckes an der Fessel

Kompressions-Klasse Intensität Kompression in mmHg Kompression in kPA
1 leicht 18 bis 21 2,42,8
2 mittel 23 bis 32 3,14,3
3 kräftig 34 bis 46 4,56,1
4 sehr kräftig 49 und größer 6,5 und größer

»Je höher der Leidensdruck, desto größer die Compliance«: Dieses konnte in einer anderen Studie gezeigt werden. Die Therapietreue bei Patienten im CEAP-Stadium C4 war doppelt so hoch wie die bei unkomplizierten Varizen (5).

 

Zur Stärkung der Therapietreue und Mitarbeit des Patienten trägt in jedem Fall die umfassende Information und Beratung des Patienten bei. Weitere Grundvoraussetzung für einen guten Therapieerfolg ist die genaue Passform des Strumpfes (6).

 

Diese wird durch die korrekte Vermessung des Beines morgens, wenn es am »dünnsten« ist, erzielt. Sinnvoll kann es sein, die Vermessung am stehenden Patienten vorzunehmen. Sind beide Beine betroffen, wird jedes Bein einzeln vermessen, da der Umfang der Beine unterschiedlich sein kann.

Kompressionsstrümpfe sind in vielen Farben und Materialien erhältlich (Abbildung 3). Dicke, hautfarbene Gummistrümpfe gehören glücklicherweise der Vergangenheit an. Für Männer gibt es spezielle Strümpfe, die sich optisch nicht von Kniestrümpfen unterscheiden. Moderne Kompressionsstrümpfe sind angenehm zu tragen, da sie hautverträglich und atmungsaktiv sind.

 

Information und Beratung

 

Strümpfe mit pflegenden Zusatzstoffen wie zum Beispiel Aloe vera Extrakt können der in vielen Fällen vom Patienten beklagten trockenen Haut entgegenwirken. Auch wenn es spezielle Haut-Pflegeprodukte gibt, die die Funktion des Kompressionstrumpfes nicht beeinträchtigen, so gilt generell die Regel, dass die Haut beim Anlegen des Strumpfes frei von Cremes, Salben oder Ölen sein sollte. Das Gummi in den Strümpfen könnte beschädigt werden (7).

 

Das Anlegen der Strümpfe muss mit dem Patienten geübt werden. Gerade ältere Menschen haben allein zumeist Schwierigkeiten. Hier können An- und Ausziehhilfen angezeigt sein. Hilfreich beim Anlegen der Strümpfe können Gummihandschuhe mit Noppen sein

 

Setzen sich in den Maschen des Strumpfes Schweiß, Talg und Hautschuppen ab, so machen diese den Strumpf weiter und schwer. Er beginnt zu rutschen und kann auch den erstrebten Druck auf das Bein nicht mehr ausüben. Nicht nur aus hygienischen Gründen müssen die Strümpfe daher täglich gewaschen werden (4,7).

 

Dazu eignet sich in den meisten Fällen der Schonwaschgang der Waschmaschine bei 30 oder 40 Grad Celsius. Auf Weichspüler sollte verzichtet werden, da der Gummifaden sonst spröde wird. Gegebenenfalls sollte der Patient zu Spezialwaschmitteln greifen (7).

 

Kompressionsstrümpfe dürfen nicht auf der Heizung oder in der Sonne trocknen, da das Gummi auch in diesem Fall ausgelaugt wird. Nur einige Strümpfe lassen sich bei Schontemperatur im Trockner trocknen. Der Patient sollte immer auf die spezifischen Pflegehinweise der Strümpfe achten (7).

 

Vor allem aber muss er wissen, dass die Kompressionstherapie ihre Hauptwirkung nur dann entfaltet, wenn die Muskel-Gelenkpumpe aktiviert wird. Um das zu erreichen ist die Mitarbeit des Patienten gefragt: Durch regelmäßiges (Spazieren-)Gehen kann der Kompressionsstrumpf die maximale Wirkung erreichen.

 

Roter Weinlaub, Rosskastanie & Co.

 

Durchaus kontrovers diskutiert und oftmals als Adjuvanz begleitend zur konservativen Therapie, Gewichtsreduktion, Bewegung und Er­näh­rungs­um­stel­lung genutzt, kann der Einsatz von Venentherapeutika bei geeigneten Indikationsgebieten sinnvoll und wirksam sein (8).

 

Zur Behandlung von Venenschwäche, sprich: Erkrankungen der Beinvenen mit Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, nächtlichen Wadenkrämpfen, Juckreiz und Beinschwellungen, kommen als Fertigarzneimittel im Wesentlichen standardisierte Extrakte des Roten Weinlaubes beziehungsweise von Rosskastanien und Mäusedornwurzelstock zum Einsatz (8).

 

Hauptbestandteile des Roten Weinlaubextrakts sind Quercetin-3-O-b-glucuronid, Isoquercetin und Kämpferglucosid. Den Flavonoiden des Roten Weinlaubextraktes wird eine endothelprotektive und -heilende, antiinflammatorische, membranstabilisierende und Gefäßpermeabilität-normalisierende Wirkung zugeschrieben, die sich wiederum positiv auf die Verhinderung und Reduzierung von Ödemen auswirkt (8).

 

Eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie aus dem Jahr 2000 mit 219 Patienten im Alter zwischen 25 und 75 Jahren, die an einer CVI im Stadium I und II nach Widmer litten, konnte im Rahmen einer 12-wöchigen Therapie mit 360 mg beziehungsweise 720 mg/d Rotem Weinlaubextrakt die Abnahme des Unterschenkelvolumens in der Verumgruppe um 76 beziehungsweise 100 ml sowie die signifikante Reduktion von Schmerzen in den Beinen belegen (9, 10).

 

Der Trockenextrakt der Rosskastaniensamen (Aesculus hippocastanum) beinhaltet als Hauptwirkstoffe Aescin, ein umfangreiches Gemisch aus Triterpensaponin-Glykosiden und Flavonglykosiden. Über die Herabsetzung der Kapillarpermeabilität soll Aescin antiexsudativ und gefäßabdichtend wirken. Vermutet wird eine Stabilisierung der lysosomalen Membran. Aescin soll zudem das Enzym Hyaluronidase, das Proteoglykane der Kapillarendothelien abbaut, hemmen (11).

 

In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie (12) wurden 240 Patienten über 12 Wochen entweder mit Kompressionstherapie (Kompressionsklasse II), mit Rosskastanien­extrakt (2-mal 50 mg) oder mit Placebo behandelt. Nach 12 Wochen war das Unterschenkelvolumen der beobachteten Patienten mit Kompressionstherapie um 46,7 ml, mit Rosskastanien­extrakt um 43,8 ml verringert. In der Placebogruppe wurde hingegen eine Zunahme von 9,8 ml beobachtet. Die Autoren der Studie heben die Therapie mit Rosskastanienextrat als gleichwertig zur Kompressionstherapie hervor.

 

Die Bestimmung der Inhaltsstoffe des Mäusedornwurzelextraktes (Ruscus aculeatus) steht noch aus. Als wirksame Bestandteile werden die Steroid-Saponinglykoside Ruscin und Ruscosid vermutet, denen eine venentonisierende Wirkung zugeschrieben wird. Diese Wirkung konnte nicht nur an Gefäßsegmenten in Tierversuchen, sondern auch an humanen Venensegmenten gezeigt werden. Weitere Untersuchungen deuten auf antiphlogistische, kapillarabdichtende und diuretische Effekte hin.

 

In einer prospektiven doppelblinden, placebokontrollierten, gleichermaßen 12 Wochen anhaltenden Studie an 148 Frauen mit einer CVI (CEAP Grad 3-4) konnte eine signifikante Volumenminderung betroffener Unterschenkel durch Ruscusextrakt im Vergleich zum Scheinmedikament beobachtet werden (13). Der Ruscusextrakt war auch bei der Linderung subjektiver Symptome wie »schwere und müde Beine« oder »Spannungsgefühl« überlegen.

 

Zur Therapie der CVI und Linderung von Beinschwellungen und Ödemen sowie schweren, müden Beinen mit Spannungsgefühlen und Kribbeln werden in Fertigarzneimitteln des Weiteren Rutin, Troxerutin oder auch Oxerutin eingesetzt, die zum Großteil aus dem japanischen Schnurbaum gewonnen werden.

 

Auch hier konnte in Untersuchungen gezeigt werden, dass die Flavonoide zu einer Verbesserung der kapillären und venolären Mikrozirkulation führen sowie antioxidative Effekte aufweisen.

 

Eine doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte, multizentrische Studie bei 120 Frauen mit einer CVI II. Grades konnte zeigen, dass die Kombinationstherapie von Oxerutin (täglich 1000 mg) und Kompressionsstrümpfen die Wirkung einer alleinigen Therapie mit Kompressionstrümpfen verdoppeln kann (14) .

 

Massage und Kühleffekte

 

Die Effektivität topischer Präparate in Form von Gelen, Cremes, Salben oder auch Sprays unter anderem mit Heparin/Heparinoiden, Aescin, Trocken- beziehungsweise Fluidextrakten aus Rosskastaniensamen oder Dickextrakten aus rotem Weinlaub konnte bislang nicht belegt werden (4,8). Dennoch wird ihr Einsatz von vielen Patienten als effektv und hilfreich beschrieben. Hier kommt sicher nicht nur dem Massage- und gegebenenfalls Kühl-, sondern auch dem Placebo-Effekt eine bedeutende Rolle zu.

 

Der lokale Einsatz von Topika mit 60000 I. E./100 g Heparin, Heparinoiden oder Hirudin kann insbesondere bei sichtbaren, oberflächlichen und direkt zugänglichen Venenentzündungen sinnvoll sein.

 

Betroffene sollten die »3 S-, 3 L-Regel« kennen: »Sitzen und Stehen ist schlecht, lieber Liegen oder Laufen«. Mit anderen Worten: Körperliche Bewegung ist gut für die Beine. Besonders empfehlenswert sind zum Beispiel Schwimmen, Radfahren, Spazierengehen etc. (15). Bei langen Reisen mit Bus, Auto, Bahn und Flugzeug oder auch stehenden beziehungsweise sitzenden (beruflichen) Tätigkeiten sowie insbesondere in der Schwangerschaft sollten Stütz- oder Kompressionsstrümpfe zum Tragen kommen (15).

Die Beine sollten beim Sitzen nicht übereinandergeschlagen werden. Auf schweres Heben oder Pressen wie beispielsweise bei Krafttraining oder Gewichtheben sollte der Patient verzichten und stattdessen täglich zehn Minuten Venengymnastik durchführen (15).

 

Auch das Pressen beim Stuhlgang fördert Krampfadern. Verstopfung sollte also durch ausgewogene, ballaststoffreiche Kost und ausreichend Flüssigkeit (mindestens zwei Liter pro Tag) vermieden oder behoben werden. Gleiches gilt für Übergewicht. Zu viel Gewicht belastet die Beine. Hier sollte unbedingt eine Gewichtsreduktion angestrebt werden (15).

 

Zudem sind Wechselbäder oder Kneipp’sches Wassertreten für die Beine empfehlenswert. Beine gegebenenfalls mit kaltem (zehn bis 16 Grad) und warmem (38 Grad) Wasser von unten nach oben abduschen. Stets mit kaltem Wasser enden (15).

Tabelle 3: Wirkstoffe, Fertigpräparate und Dosierungen (Beispiele) von Venentherapeutika (gemäß Rote Liste 2011)

Wirkstoff Fertigarzneimittel (ausgewählte Beispiele) Dosierung Einnahmeempfehlung Nebenwirkungen
Rosskastaniensamen. Trocken­extrakt (Triterpenglykoside, berechnet als getrocknetes Aescin) Aescorin® forte, Noricaven® retard, Plissamur®, SE Rosskastanie, Venen-Tabletten STADA®, Venentabs-ratiopharm® Retardtabletten, veno-biomo® retard, Venostasin® retard et cetera 2 x 50 mg unzerkaut vor oder zum Essen mit ausreichend Flüssigkeit Juckreiz, Übelkeit, Magen-Darm- Beschwerden in Einzelfällen
dito Venalot® Weichkapseln, Hoevenol® Kapseln et cetera 2 bis 3 x 40 mg dito dito
Rote Wein­rebenblätter, Trockenextrakt Antistax® Venenkapseln (extra) et cetera 1 x 2 bis 4 Kapseln á 180 mg; 1 x 1 bis 2 Kps. á 360 mg unzerkaut vor dem Frühstück mit ausreichend Flüssigkeit Magen-Darm-Beschwerden, gelegentlich Über-empfindlichkeitsstörungen (Juckreiz, Hautausschlag, Nesselsucht)
Mäusedornwurzelstock, Trockenextrakt Cefadyn® et cetera 2 x 100 mg unzerkaut zum Essen selten Durchfall, Magenbeschwerden, Übelkeit, allergische Hautreaktionen
dito Phlebodril® Venenkapseln 2 bis3 x 150 mg dito dito
Oxerutin Venoruton® Intens, Venoruton ® 300 2 x 500 mg 3 x 300 mg unzerkaut während oder unmittelbar nach der Mahlzeit mit etwas Flüssigkeit allergische Hautreak­tionen (sehr selten), leichte Magen-Darm-Störungen, Flush, Kopfschmerzen
Troxerutin Troxerutin-ratiopharm® 300 mg Weichkapseln, 1 x 300 mg Unzerkaut, zum oder nach dem Essen mit ausreichend Flüssigkeit Allergische Hautreak­tionen (sehr selten), leichte Magen-Darm-Störungen, Flush, Kopfschmerzen
dito Veno SL® 3 x 300 mg
dito Troxeven® et cetera 1 x 300 mg

Hitze und Saunabesuche sollten vermieden, die Beine so oft wie möglich hochgelagert werden. Einschnürende Kleidung wie zu enge Hosen oder Strümpfe sind ebenso wie ein Übermaß an Alkohol und Nikotin kontraproduktiv (15).

 

Sklerotherapie & Co.

 

Die Sklerotherapie, umgangssprachlich auch unter dem Begriff »Verödung« bekannt, gilt in der Regel als effektiv und komplikationsarm und ist in der Behandlung kleinerer Varizen und Besenreiser Methode der ersten Wahl. Häufig wird sie auch in Kombination mit anderen Verfahren wie zum Beispiel einer Operation oder endovenösen thermischen Verfahren eingesetzt (4,16, 17)

 

Durch das Einspritzen gewebetoxischer Flüssigkeiten zumeist mit Polidocanol in die zu verödende Varize kommt es zu einer künstlich herbeigeführten Gerinnselbildung im Gefäß sowie in der Folge zu einer artifiziellen Vernarbung beziehungsweise Sklerosierung. Das Gefäß verschließt sich und die »insuffiziente« Stelle im Venensystem wird damit ausgeschaltet. Bei erfolgreicher Sklerosierung kommt es längerfristig zur Umwandlung der Venen in einen bindegewebigen Strang, der nicht mehr rekanalisieren kann (16, 17).

 

Absolute Kontraindikationen der Sklerotherapie sind schwere Systemerkrankungen, akute tiefe Beinvenenthrombosen, lokale und generalisierte Infektionen, längerfristige Immobilität, arterielle Verschlusskrankheiten (Stadium III oder IV), Hyperthyreose (bei jodhaltigen Sklerosierungsmitteln) sowie Schwangerschaft (4).

 

Bei den endovenösen thermischen Verfahren unterscheidet man die Radiofrequenzobliteration (RFO), die in Deutschland seit 1998 zugelassen ist, und die endovenöse Lasertherapie (ELT), die ein Jahr später die deutsche Zulassung erhielt. Beide Verfahren gelten heute als etablierte Behandlungsverfahren (16).

 

Stripping und Crossektomie

 

Hauptindikation der ELT ist die Stammvarikose der Vena saphena magna oder parva. Ähnlich wie bei der RFO wird über Lasergeneratoren (810 nm – 1500 nm) durch Venensonden übertragene Laserenergie produziert, die durch Photonenabsorption im Gewebe eine thermische Schädigung der Venenwand bewirkt und damit die kranke Vene gezielt zerstört (16).

Kontraindikationen der ELT sind akute aszendierende Thrombophlebitiden der zu behandelnden Stammvene. Als Komplikationen werden Perforationen der Venenwand mit Hämatomen und Hautblutungen beschrieben (4).

 

Die RFO wird unter anderem zur Therapie der Stammvarikosis der Vena saphena magna oder Vena parva eingesetzt. Die thermische Schädigung der Venenwand durch die mithilfe eines Generators erzeugte und über einen Venenkatheter abgegebene Radiofrequenzenergie (460 Herz) führt zum konsekutiven Verschluss der Vene und als Folge zur Ausschaltung der insuffizienten Vene (16).

 

Absolute Kontraindikationen dieser Methode sind akute tiefe Bein- oder Beckenvenenthrombosen sowie akute Thrombophlebitiden der Vena saphena magna beziehungsweise der Vena parva. Vorteile dieser Methode sind die geringe Invasivität sowie seltene perioperative Komplikationen (4).

 

Die klassische Varizenoperation gilt insbesondere unter Chirurgen als Goldstandard. Das grundlegende Prinzip des Varizen-Strippings besteht in der Ausschaltung des pathologischen Rezirkulationskreislaufs durch operative Extraktion einer varikös veränderten Vene mit einer flexiblen Spezialsonde. Die Miniphlebektomie geht mit der operativen (Teil-)Resektion einer Vene einher. Bei der Crossektomie werden die Einmündungsabschnitte der Vena saphena magna in die Vena femoralis herausoperiert (16, 17).

 

Kontraindikationen für die operative Behandlung der primären Varikose sind akute tiefe Bein- und Beckenvenenthrombosen sowie die periphere arterielle Verschlusskrankheit ab Stadium III nach Fontaine. Trotz Invasivität ist die Inzidenz für perioperative Komplikationen wie zum Beispiel Wundinfektionen, Thrombophlebitiden, Nachblutungen oder auch Lymphkomplikationen gering (4). /

 

Literatur

...bei der Verfasserin

Die Autorin

Andrea Gerdemann studierte Pharmazie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn und erhielt 1996 ihre Approbation als Apothekerin. Im Anschluss promovierte sie am Lehrstuhl der Physiologischen Chemie der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Von 2000 bis 2006 war sie Referentin für Pharmazeutische Betreuung am Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) der ABDA. Seit 2007 ist die in Teilzeitarbeit in einer Apotheke tätige Pharmazeutin als freiberufliche Autorin und Referentin tätig.

 

Dr. Andrea Gerdemann, An der Weinleite 17, 85560 Ebersberg, E-Mail: andrea(at)gerdemann.info

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