Ihre Tücken und deren Behebung |
20.09.2011 16:04 Uhr |
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker / Regelmäßig werden von Patienten Dosiersysteme reklamiert und über die AMK dem ZL zur Überprüfung eingesandt. Was sind die häufigsten Beanstandungen, wie kann man sie erkennen und beheben? Mit welchen Tipps kann die Apotheke dem Kunden schon vor Ort helfen?
Systeme zur nasalen, oralen und pulmonalen Applikation gehören zum festen Arzneimittelsortiment jeder Apotheke. Sie werden vom ZL unter der Rubrik »Inhalativa« zusammengefasst. Trotz scheinbar einfacher Handhabung erfordert eine immer größere Anzahl an unterschiedlichen Produkten mit teilweise komplexem und filigranem Innenleben mehr denn je eine fachkundige Beratung.
Die Folgen eines nicht funktionierenden Nitroglycerinsprays, Dosieraerosols oder Pulverinhalators können für den Patienten durchaus gravierend oder gar lebensbedrohlich sein, weshalb Hinweise vom Patienten auf mögliche Qualitätsmängel vor allem bei diesen Fertigarzneimitteln sehr ernst genommen werden müssen.
Wenn Aufbau und Funktion der Systeme bekannt sind, lassen sich gerätetechnisch bedingte Störungen zumeist identifizieren und oftmals auch leicht beheben. Zahlreiche Probleme mit Inhalativa können daher kundenfreundlich direkt in der Apotheke geklärt werden. Dies demonstriert einerseits die Kompetenz des Apothekers und schafft andererseits Vertrauen und eine Bindung des Patienten an »seine« Apotheke. Natürlich sind dem Apothekenlabor Grenzen gesetzt. Kann vor Ort kein Fehler gefunden werden, steht hier das ZL auch für weitergehende Analytik zur Verfügung. Allerdings verfügt auch das ZL nicht über die gesamte benötigte technische Spezialausrüstung.
Foto: Fotolia/Alexandr Mitiuc
Häufige Ursache: Ungeduld
Einfache Dosiersprays erreichen das ZL zumeist mit den Hinweisen, dass die Sprüheinrichtung defekt sei, sich kein Pumpdruck aufbauen ließe, der Sprühkopf nicht sprüht, nur einzelne Tropfen austreten oder der Probebehälter undicht sei. Es empfiehlt sich, den Patienten darauf hinzuweisen oder ihm gegebenenfalls vorzuführen, dass vor erstmaligem Gebrauch eines Dosiersprays mehrere Anpumpvorgänge nötig sein können, um einen ausreichenden Unterdruck zu erzeugen. Erfahrungsgemäß sind etliche Reklamationen allzu ungeduldiger Anwender auf diese Problematik zurückzuführen.
Sollte die fachgerechte Funktionsprüfung erfolglos verlaufen, kann eine einfache Inspektion potenzielle Mängel aufdecken: Der Probebehälter kann auf Dichtigkeit geprüft werden, Glasbruch oder Haarrisse sind visuell schnell zu erkennen, der Sitz der Bördelkappe kann kontrolliert werden, ebenso Lage und Beweglichkeit des Ventilstifts, schnell sind das Steigrohr und dessen Sitz kontrolliert, Sprüheinrichtung und -aufsatz untersucht, oder die Austrittsöffnung auf Spuren einer Manipulation überprüft. Essenziell ist auch die Kontrolle, ob überhaupt noch Lösung im Behälter vorhanden ist. Zahlreiche Dosiersprays und -aerosole erreichen das ZL in geleertem Zustand. Nachträglich eine vor der Abgabe vorliegende Minderbefüllung des Behälters zu diagnostizieren, ist nicht möglich. Gebrauchsspuren an den Geräten und Lösungsreste in den Behältern weisen auf die Benutzung durch den Patienten hin. Die pharmazeutische Industrie erwirkt mithilfe optoelektronischer Systeme und Präzisionswaagen bei den heutigen In-Prozess-Kontrollen, dass nicht befüllte Behälter während des Konfektionierungsvorgangs automatisch aussortiert werden.
Bei Dosieraerosolen müssen anders als bei Schnupfensprays Tröpfchen kleineren Durchmessers generiert werden, da sich deren Applikationsort (Mund/Nase) vom Wirkort (Lunge) unterscheidet. Dementsprechend sind die zugehörigen Systeme »komplexer« aufgebaut. Unterschieden werden Lösungen oder Suspensionen mit oder ohne Treibmittel, die in den verschiedensten Geräten appliziert werden. Was vom Anwender leider oft nicht beachtet wird: Vor allem bei Suspensionen ist darauf zu achten, dass diese vor Gebrauch gut geschüttelt werden müssen, da es ansonsten aufgrund einer ungenügenden Homogenisierung/Sedimentation zu inkorrekter Dosierung kommen kann.
Beanstandungsgrund »sprüht nicht«. Solche Ablagerungen am Mundstück können durch regelmäßige Reinigung vermieden werden.
Reinigung ist A und O
Dosieraerosole erreichen das ZL häufig aufgrund gerätetechnischer Defekte. Abhängig von den jeweiligen Bauteilen können Blockaden dazu führen, dass die Systeme tatsächlich nicht einwandfrei funktionieren. Nicht selten sind aufgrund der Verdunstungskälte der mit dem Treibmittel austretenden Lösungen Wirkstoffablagerungen an den Ventilstiften ursächlich für nachlassende Sprühstärken. In der Vielzahl der Fälle hätte eine korrekte Behandlung oder eine Reinigung durch den Anwender insbesondere des Ventilstifts mit einem trockenen Tuch oder des Sprühaufsatzes unter fließendem, warmem Wasser mit anschließender Trocknung das Problem vermeiden können. Hinweise, wie eine Reinigung durchzuführen ist, sind oft der Gebrauchsanweisung zu entnehmen.
Bei Verdacht oder Reklamationen bezüglich des Füllgrades kann der bekannte »Schwimmtest« nicht mehr angewandt werden, da dieser noch aus Zeit der Verwendung von FCKW-haltigen Treibmitteln stammte. Die heutzutage als Treibmittel verwendenden Flurane besitzen eine andere Dichte und lassen den Behälter nicht mehr »schräg, waagerecht oder mit Boden nach oben auf der Wasseroberfläche schwimmen«, um dessen Füllgrad abzuschätzen. Hier ist es sinnvoll, das Gewicht des Behälters zu bestimmen und gegenüber einem ungeöffneten Behälter aus dem Lager abzugleichen. In der Regel sind die Massen von Behälter zu Behälter bis in die Milligramm-Mengen identisch.
Partikelablagerungen am Ventilstift sind keine Seltenheit. Meist ist die Reinigung mit einem trockenen Tuch ausreichend.
Fotos: ZL
Reklamation »Wirkungslos«
Reklamationen bezüglich Wirkungslosigkeit stellen einen erheblichen Anteil der Reklamationen durch die Anwender dar. Bei Aerosolen im Anbruch (mit Suspensionsinhalt) konnten tatsächlich in einigen Fällen vom Labor von der Deklaration abweichende Werte bestimmt werden. In der Regel waren diese aber höher als angegeben und wiesen eher auf eine nicht vollständige Homogenisierung des Wirkstoffs während des Gebrauchs hin. In einem Fall war aber tatsächlich der Wirkstoff verbacken und konnte nicht freigesetzt werden. Hinweise auf nicht korrekte Dosierung, die ebenfalls mit »Minderwirkung« korreliert werden, können auch durch Überprüfung der Gleichförmigkeit der Sprühstöße durch Differenzwägung überprüft werden. Hierzu werden mehrfach hintereinander zum Beispiel 20 Einzeldosen entnommen und deren Durchschnittsmasse ermittelt. Diese kann dann mit den Herstellerangaben verglichen werden. Eine quantitative Bestimmung der (niedrigen) Wirkstoffkonzentrationen ist aber nur auf chromatografischem (und/oder zum Teil spektroskopischem) Weg möglich. Hierzu wurden im ZL schon mehrere Verfahren entwickelt.
Noch kleiner als Aerosole sind die Partikel, die über Pulverinhalatoren die Alveolen erreichen sollen. Bei atemzuginduzierten Pulverinhalatoren lassen sich die Beanstandungen eines Nicht-Auslösens oft nicht verifizieren. Zur Funktionsprüfung wird im Labor zum einen Unterdruck (Pumpe) angelegt, aber auch ein Auslösen ohne Inhalation (die Applikation muss hierbei durch einen geeigneten Filter, zum Beispiel ein feinporiges Tuch verhindert werden) durch gesunde Probanden simuliert. Vor allem bei den selbst durchgeführten Tests fällt auf, wie essenziell eine richtige Koordination während/vor/für die Inhalation ist. Eine Tatsache, die sich immer wieder auch in Seminaren bei Übungen mit Placebo-Produkten zeigt.
Atemzuginduzierte Geräte wie Spinhaler und Handyhaler werden meist wegen mangelnder Kapselqualität beanstandet: Dass diese zu spröde sind, Teile aus den Kapseln mitinhaliert werden, die Kapseln nicht richtig einstechen lassen, dass nach der Inhalation noch zu viel Pulver in den Kapselhüllen verbleibt, oder dass klumpiges feuchtes Pulver sich nicht inhalieren lässt. Vor allem Spiriva gelangt regelmäßig wegen minderbefüllter Kapseln in den Probeneingang des ZLs. Die auf nur 18 µg Wirkstoff abgebenden deklarierten (relativ großen) Kapseln enthalten nur etwa 4 mg entnehmbares Pulver, das zugegebenermaßen in der Kapselhülle ein wenig verloren aussieht.
Dieses Gerät wurde mit dem Beanstandungsgrund »funktioniert nicht ordnungsgemäß« eingesandt. (K) ein Wunder!
Defektes Zählwerk
Bei Pulverinhalatoren mit Zählwerk wird häufig dessen Defekt reklamiert. Die meisten dieser Systeme zählen in 10er- oder 20er-Schritten. Dabei zählen die meisten Systeme rückwärts. Ein roter Balken im Sichtfenster deutet darauf hin, dass das Gerät bereits nahezu vollständig entleert wurde. Im Falle von wirkungslosem Inhalt kann das ZL zwar die deklarierte Menge Wirkstoff in dem Pulver bestimmen, eine Untersuchung, ob bei der Inhalation tatsächlich ein definierter Anteil Wirkstoff vom Träger freigesetzt wurde und welche Größe die Teilchen im Mittel aufweisen, ist uns aus technischen Gründen noch nicht möglich. Hierzu wären aufwendige Kaskadenimpaktoren, wie sie eigentlich nur in den Laboratorien der Hersteller oder in der Technologie der pharmazeutischen Universitätszweige zu finden sind, notwendig.
Der Patient sollte auch bedenken, dass – sofern eine Inhalation erfolgreich durchgeführt wurde – die Teilchen eben nicht in den Mund/Rachenraum (wo sie besonders gut zu schmecken sind) gelangen, sondern weiter zum Wirkort transportiert werden. Und nicht alle Wirkstoffe sind auf Träger wie Lactose aufgebracht. Diskus, Diskhaler, Novolizer, Twisthaler, Jethaler, Turbuhaler, Aktiv-Inhalator, Easyhaler sind nur einige Namen von Pulverinhalatoren. Schwergängige Tasten oder Hebel und Knirschgeräusche weisen schon auf den verunreinigte Mechanik hin. Wird das Gerät geöffnet, was bei einigen Produkten möglich ist, und das nicht inhalierte Pulver entfernt, ist die blockierte Mechanik in der Regel wieder freigängig und funktionsfähig. /