Pharmazeutische Zeitung online
Analytik

Geruch messbar machen

06.09.2011  16:47 Uhr

Von Lisa Schlegel und Astrid Kaunzinger / Unangenehm riechende Arzneiformen gefährden die Compliance. Was kann man dem Patienten in einem solchen Fall empfehlen? Und wie ist Geruch überhaupt messbar?

Arzneimittel, die wegen schlechten Geruchs oder Geschmacks im Zentrallabor zur Untersuchung auf den Labortisch kommen, sind keine Seltenheit. Manche Einsendungen, wie nach Essigsäure riechende Acetylsalicylsäure-Brausetabletten oder nach schwefeligen Verbindungen riechende Captopril-Präparate, sind schnell untersucht, da sich der entstandene Geruch leicht durch die chemische Struktur des jeweiligen Arzneistoffes erklären lässt.

In der Regel sind undichte Verpackungen wie offene Schweißnähte und die dadurch mögliche Einwirkung von Luftfeuchtigkeit für die Bildung dieser geruchsintensiven Verbindungen verantwortlich. Häufig wird auch der Ausgangsstoff Erythromycin aufgrund eines üblen »fischartigen« Geruches reklamiert. Die Ursache hierfür können Syntheserückstände wie Lösemittelreste sein. Schwieriger gestaltet sich die Analyse jedoch bei unspezifischen »muffigen, schimmligen Keller-Gerüchen« eines Arzneimittels, wie sie zurzeit immer häufiger für Metformin-, Glibenclamid- oder auch Rami­pril-Präparate beschrieben werden. Welche Verbindungen hierfür verantwortlich sind, konnte bisher noch nicht abschließend ermittelt werden.

 

Wie Geruch entsteht

 

Geruch entsteht dadurch, dass spezifische Moleküle in die umgebende Luft abgegeben werden. Riechbare Stoffe müssen gasförmig sein. Flüssige oder feste Stoffe müssen also in genügendem Maße in den gasförmigen Zustand übergehen, wozu ein ausreichend hoher Dampfdruck des Stoffes erforderlich ist.

 

Als Untersuchungsverfahren wird die Gaschromatografie (GC) verwendet. Nachgewiesen werden die gasförmigen Stoffe nach der Auftrennung im GC entweder durch einen Flammen­ionisationdetektor (FID) oder mittels Massenspektrometrie (MS). Das Funktionsprinzip beim FID ist die Messung der Leitfähigkeit einer Knallgasflamme zwischen zwei Elektroden. Die zu analysierenden Substanzen werden mit einem Trägergasstrom in die Flamme transportiert und dort thermisch ionisiert. Die dabei freiwerdenden Elektronen werden aufgefangen und der Anstieg der Leitfähigkeit als Peak aufgezeichnet. Bei der MS werden die Moleküle ebenfalls ionisiert und teilweise auch fragmentiert. Die Ionen werden durch ein elektrisches Feld beschleunigt und dem Analysator zugeführt, der sie nach dem Verhältnis von Masse zu Ladung »sortiert«. Anhand des charakteristischen Zerfallsmusters können Substanzen dann über eine Datenbank zugeordnet werden. Vor der Analytik ist zunächst eine Anreicherung der geruchsaktiven Moleküle notwendig, denn kein Detektor ist so empfindlich wie unsere Nase. Es gibt daher sogar GC-Geräte, die mit einem sogenannten »Sniffing Port« arbeiten, also die menschliche Nase zum Erkennen beziehungsweise Unterscheiden der aufgetrennten Substanzen nutzen.

Gerüche konzentrieren sich in kleinen Gasräumen auf. Dies kann zum Beispiel im Hohlraum sein, der eine Tablette im Blisternapf umgibt. Oder auch in einem Plastikschraubgefäß, das Tabletten oder Dragees enthält. Gerüche sind daher am intensivsten kurz nach der Öffnung des Blisters beziehungsweise des Gefäßes. Bei der Headspace-Technik wird nicht die ganze Probe samt Matrix in den Gaschromatografen injiziert, sondern nur der Gasraum (»Head Space«) über der in einem speziellen Behältnis erwärmten Probe, welcher einen gewissen Anteil der leichtflüchtigen Substanzen aus der Probe enthält. Im Fall der übel riechenden Tabletten kann zum Beispiel mit einer Spritze in den Blister gestochen und die Luft daraus zur Untersuchung in die Spritze aufgezogen werden. Eine bekannte Anwendung dieser Methode ist die Bestimmung des Blutalkoholgehaltes.

 

Die Festphasenmikroextraktion (solid phase micro extraction, SPME) stellt eine Weiterentwicklung der Headspace-Analytik dar. Hierbei wird in den zu untersuchenden Gasraum eine Kanüle eingestochen, die eine ausfahrbare Faser enthält. Diese bindet wie ein Magnet geruchsaktive Substanzen. Dadurch kommt es zu einer starken Anreicherung der flüchtigen Komponenten. Im Gaschromatografen werden dann durch Hitzeeinwirkung die gebundenen Moleküle wieder von der Faser abgelöst und analysiert.

 

Tipps für den Kunden

 

Im Europäischen Arzneibuch findet sich bei den Allgemeinen Monographien unter 2.3.4 die einfache Prüfung »Geruch«. Hier wird die zu analysierende Substanz in einer dünnen Schicht auf einem Uhrglas ausgebreitet und 15 Minuten stehen gelassen. Dann wird der Geruch bestimmt oder sein Nichtvorhandensein festgestellt.

Häufig zeigt sich bei dieser Untersuchung im Zentrallabor, dass der direkt nach der Entnahme aus dem Blister oder dem Schraubgefäß wahrgenommene Geruch nach 15 Minuten – meist schon viel früher – nicht mehr vorhanden ist. Die Apotheke könnte daher Patienten, die aufgrund des unangenehmen Eigengeruchs Probleme bei der Einnahme eines Medikaments haben, empfehlen, die Tablette nach der Entnahme aus der Verpackung wenige Minuten offen liegen zu lassen.

 

Arzneimittel mit schlechtem Geschmack haben häufig einen Überzug, um diesen zu kaschieren. Es gibt jedoch keine Vorschrift, wie lange ein solcher Überzug beständig sein muss. Das heißt, wenn eine Filmtablette zu lange im Mund bleibt oder wenn aufgrund eines galenischen Mangels der Überzug tatsächlich defekt ist, kann der schlechte Geschmack wieder zum Vorschein kommen. Meist findet sich bei derartigen Arzneimitteln im Beipackzettel der Hinweis, die Tablette unzerkaut und mit reichlich Flüssigkeit einzunehmen. / 

Mehr von Avoxa