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Erst-Trimesterscreening

Früh Gewissheit haben

25.09.2007  11:43 Uhr

Erst-Trimesterscreening

Früh Gewissheit haben

Von Elke Wolf, Frankfurt am Main

 

Die Zahl der älteren Schwangeren steigt und damit auch die Zahl der Fruchtwasseruntersuchungen. Viele dieser Eingriffe, die immer die Gefahr eines Aborts bergen, sind nicht nötig, da sich ein Risiko für Fehlbildungen auch durch eine sichere Methode ermitteln lässt: das Erst-Trimesterscreening.

 

Beim Erst-Trimesterscreening schätzen Mediziner zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche das Risiko für Chromosomenanomalien wie Trisomie 21, 18 und 13, genetische Syndrome oder fetale Herzfehler ab. Die Methode beruht auf einer Kombination zweier Untersuchungen: einer Ultraschalluntersuchung, bei der die Nacken-transparenz des Fetus gemessen wird, und einer Blutanalyse der beiden Schwangerschaftshormone PAPP-A und freies β-HCG (Pregnancy associated plasma protein und Human chorionic Gonadotrophin). Mittels eines speziellen Computerprogramms wird dann anhand der jeweiligen Ergebnisse und dem Alter der Mutter das individuelle Risiko für Erkrankungen errechnet. Als statistischer Vergleich dient hier eine große Zahl bereits bekannter Kombinationen aus Schwangerschaften mit positiven und negativen Diagnosen für fetale Missbildungen.

 

Mit den drei großen Ultraschalluntersuchungen, die in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehen sind, hat die Ultraschallüberprüfung während des Screenings nichts zu tun. Bei letzterem werden »hoch auflösende, transvaginale Schallköpfe eingesetzt, die einen exzellenten Blick auf das Ungeborene ermöglichen und 3-D-Bilder liefern«, sagte Professor Dr. Eberhard Merz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main.

Fruchtwasseruntersuchung

Bei der Fruchtwasseruntersuchung, auch Amniozentese genannt, wird über die Bauchdecke Fruchtwasser aus der Fruchtblase entnommen. Die Untersuchung der Zellen aus dem Fruchtwasser sowie bestimmter Stoffe im Fruchtwasser geben über eventuelle Fehler in der Erbsubstanz, wie sie beim Downsyndrom auftreten, oder angeborene Stoffwechselleiden sowie Fehlbildungen der Wirbelsäule Auskunft. Die Amniozentese wird zwischen der 14. und 16. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Das Risiko eines Abortes durch den Eingriff liegt bei etwas weniger als 1 Prozent.

Ergibt die Berechnung ein hohes Risiko, kann nicht nur bei der älteren Schwangeren über 35 Jahre, sondern vor allem auch bei der jüngeren Schwangeren gezielt eine invasive Diagnostik wie eine Fruchtwasseruntersuchung gemacht werden. Umgekehrt kann sich bei einem niedrigen Risiko die ältere Schwangere dazu entscheiden, auf eine invasive Diagnostik zu verzichten, um das Risiko eines Abortes (< 1 Prozent) zu vermeiden. Bisher galt oft allein das Alter der Mutter als ausschlaggebend, um eine solche Untersuchung anzubieten. Denn je älter eine Frau ist, desto höher ist das Risiko für Chromosomenanomalien. »Eine 35-jährige Frau hat ein 1-prozentiges Risiko für Chromosomenstörungen, fünf Jahre später ist das Risiko bereits auf 3,5 Prozent angewachsen«, sagte der Direktor der Frauenklinik Nordwestkrankenhaus, Frankfurt am Main.

 

Sicher und schmerzlos

 

Die Messung der Nackentransparenz wird zwar bereits seit mehreren Jahren von spezialisierten Zentren angeboten, dennoch wünscht sich Merz, dass in Zukunft mehr Schwangere diese Möglichkeit zur Vorsorge wahrnehmen. »In den letzten Jahren ist der Anteil der Mütter, die bei der Geburt ein Alter über 35 Jahren haben, extrem gestiegen. Waren es im Jahr 2000 noch etwa 15 Prozent, sind es nun rund 25 Prozent der Schwangeren, die mit 35 Jahren und älter niederkommen«, weiß Merz. Die Zahl der Fruchtwasseruntersuchungen und die der induzierten Aborte würde dadurch ebenfalls ansteigen, spekulierte Merz. Während die Kosten einer Fruchtwasseruntersuchung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, ist das beim Erst-Trimesterscreening nicht der Fall. Die Schwangere muss die Kosten von rund 130 Euro selbst übernehmen.

 

Zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche liefert die Dicke der Nacken-transparenz verlässliche Werte, was die Ausbildung von Erkrankungen betrifft. In diesem Entwicklungsstadium befindet sich bei jedem Ungeborenen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Wasseransammlung in Nackenhöhe. Ist diese Flüssigkeitsansammlung ungewöhnlich stark, kann dies auf eine Fehlentwicklung hinweisen. »Bei Herzfehlern macht man einen gestörten Lymphtransport für die Ödembildung verantwortlich. Und bei Chromosomenstörungen ist vermutlich die extrazelluläre Matrix anders als bei gesunden Embryos angelegt«, erklärte Merz gegenüber der PZ.

 

Hohe Erkennungsrate

 

Der große Pluspunkt des Erst-Trimester-screenings ist, dass es die Schwangerschaft nicht gefährdet. Es kann mit relativ hoher Genauigkeit die individuelle Wahrscheinlichkeit für etwa ein Downsyndrom errechnen: Die Entdeckungsrate ist mit etwa 90 Prozent sehr hoch. Der Nachteil liegt darin, dass am Ende keine Diagnose steht, sondern ein statistisches Maß.

 

Wie aussagekräftig die Risikoanalyse ist, hängt entscheidend vom benutzten Rechenprogramm ab. Das bislang beste Programm stammt aus England. Doch die zugrunde liegenden Daten sind bereits mehr als zehn Jahre alt und wurden mit dem damals verfügbaren, aber heute veralteten Gerätestandard erhoben. Seit Anfang dieses Jahres hat nun die DEGUM mit anderen deutschen Gesellschaften ein eigenes Berechnungsprogramm herausgebracht. Dieses beruht auf der Auswertung von Daten von mehr als 70.000 Schwangerschaften, die zwischen 2004 und 2006 mit dem aktuellen Gerätestandard erhoben wurden, und entspricht in seiner Alterszusammensetzung der gegenwärtigen demografischen Situation in Mitteleuropa.

 

Guter Ultraschall nur beim Experten

 

Voraussetzung für ein solches Früh-Screening ist jedoch, dass der Ultraschalluntersucher, das verwendete Gerät und auch das Labor entsprechende Qualifikationskriterien erfüllen. »Da es sich um ein komplexes Screeningsystem handelt, sollte dieses Verfahren nur von speziell ausgebildeten Frauenärzten durchgeführt werden«, sagte Professor Dr. Bernd-Joachim Hackelöer, Leiter der Abteilung Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Asklepios Klinik Hamburg. Von den rund 10.000 niedergelassenen Gynäkologen in Deutschland haben derzeit etwa 3500 eine entsprechende Zusatzqualifikation. »Die behandelnden Ärzte müssen die Schwangeren ausführlich beraten und gewährleisten, dass die Patientinnen bei einem erhöhten Risiko an spezialisierte Zentren überwiesen werden, an denen weitere Abklärung erfolgt.«

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