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Preiswettbewerb

»Weltfremd und gefährlich«

29.03.2011  17:57 Uhr

Von Daniela Biermann, Hamburg / Gibt es in Deutschland zu viele Apotheken? Der Vorsitzenden der Monopolkommission, Professor Dr. Justus Haucap, glaubt ja. Für ihn ist dies eine Verschwendung von Ressourcen. Die Apotheken sollten sich in Zukunft stärker über den Preis profilieren, fordert er. Die Versorgung der Patienten sei dabei nicht in Gefahr.

Anfang des Jahres veröffentlichte das Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie zusammen mit der TU Illmenau ein Gutachten zur Reform des Apothekenmarkts. Auftraggeber war die Initiative »Neue Soziale Marktwirtschaft«, Studienleiter war Professor Dr. Justus Haucap, der zugleich Vorsitzender der Monopolkommission ist, ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung.

 

Das Gutachten empfiehlt eine komplette Umstrukturierung der Apothekenvergütung (siehe dazu Studie: 450 Millionen Euro bei Apotheken sparen). Die Patienten sollen die Leistung des Apothekers in Zukunft direkt über eine Art Taxe bezahlen. Dabei soll jede Apotheke die Höhe der Gebühr selbst festlegen, mehr als 10 Euro dürfen es aber nicht sein. Die pauschale Vergütung pro Arzneimittelpackung und der Kassenabschlag fallen weg, ebenso die Zuzahlungen für die Patientinnen und Patienten.

 

Höhere Preise auf dem Land

 

Haucap hält die Zahl der Apotheken in Deutschland für zu hoch. Da trotz aller Reformen die Anzahl der Betriebe relativ konstant geblieben sei, könnten hier noch Ressourcen gehoben werden. Nach Haucaps Vorstellung müssten Apotheken in dichter Konkurrenzlage wie in Städten weniger Gebühr verlangen. Auf dem Land dagegen könnten die Apotheken die Preise höher ansetzen. Die Apothekendichte würde so der Marktwirtschaft überlassen. Zwar räumte der Volkswirt während einer Podiumsdiskussion bei der Interpharm in Hamburg ein, dass zwischen den Apotheken bereits ein Wettbewerb bestehe. »Der Preis spielt dabei jedoch bisher eine untergeordnete Rolle.«

Professor Dr. Andreas Kaapke, Wirtschaftswissenschafler von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, sieht dagegen keine Wettbewerbsdefizite. Wenn es in manchen Straßen viele Apotheken gebe, müsse die Nachfrage offensichtlich groß genug sein. Gerade weil die Preise festgelegt sind, müssten sich die Apotheken über andere Leistungen, in erster Linie die Beratung, differenzieren.

 

Die Beratung hält Haucap aber wohl für nicht so entscheidend. Diese würde schließlich zum größten Teil beim Arzt stattfinden. Chronisch Kranke beispielsweise bräuchten nach einer intensiven Beratung zu Beginn der Therapie weniger Betreuung, so Haucap. Die Beratung in der Apotheke sei zwar von den Patienten gewollt und müsse gewissen Mindestanforderungen genügen. Dabei seien »fest gezimmerte Preise« aber nicht unbedingt gut für die Beratungsqualität.

 

Kaapke dagegen glaubt nicht, dass ein Preiswettbewerb für die Beratungsqualität förderlich ist, im Gegenteil. »Preisführer kann nur der Kostenführer sein«, so der Wirtschaftswissenschaftler. Und wer Kosten einsparen will, komme an Personalkürzungen nicht vorbei. »Das kann aber nicht im Interesse der Verbraucher sein.« Zudem hält er das Einsparpotenzial für kleiner als gedacht und bezeichnete Haucaps Sparvorschläge als »weltfremd und gefährlich«. Auch wenn die Zahl der Apotheken sinken würde, bliebe die Anzahl der ärztlichen Verordnungen und damit der Aufwand für Abgabe und Beratung gleich. Damit müssten die übrig gebliebenen Apotheken Kapazitäten aufstocken.

 

Einsparpotenzial ungewiss

 

Haucap räumte ein, dass die errechneten Einsparpotenziale nicht genau zu beziffern seien, da niemand genau sagen könne, wie sich die einzelnen Apotheken in den kommenden Jahren entwickeln. »Wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen nichts bewirken würden, wäre die Aufregung unter den Apothekern aber wohl nicht so groß«, sagte Haucap. Er schien tatsächlich der Meinung zu sein, den Apothekern etwas Gutes zu tun. Denn nach seinen Vorstellungen soll die variable Apothekervergütung die Abgaben durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts ersetzen. Das AMNOG sei eine marktferne Lösung, die die heterogene Apothekenlandschaft nicht berücksichtige, sagte Haucap.

 

Kaapke dagegen fürchtet, dass eine Apothekentaxe zusätzlich zu den Kosten durch das AMNOG hinzukomme. »Es geht uns nicht darum, möglichst viele Apotheken kaputt zu machen«, betonte Haucap. Die Versorgungsstrukturen sollten aber effizienter werden, sodass die Patienten Geld sparen könnten. / 

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