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Methotrexat

Neue Erkenntnisse zum Wirkmechanismus

21.09.2010  17:48 Uhr

Von Sven Siebenand, Hamburg / Methotrexat spielt seit Jahren eine Schlüsselrolle in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Aber auch dieser Arzneistoff lässt sich noch weiter verbessern. Neue Aspekte zum Wirkmechanismus und zur Bioaktivierung lassen darauf hoffen.

Methotrexat (MTX) ist als Folatantagonist in der Onkologie, Dermatologie und last but not least in der Rheumatologie schon seit Langem bekannt. Die erste Publikation im deutschsprachigen Raum zum Einsatz bei progredienter chronischer Polyarthritis stammt aus dem Jahr 1967, hieß es auf einem Symposium der Firma Medac beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Hamburg. »Lange Zeit hatte MTX aber das Image des Zytostatikums, das bei sehr schweren Verläufen der Krankheit gegeben wird«, so Professor Dr. Christoph Fiehn vom Rheumazentrum Baden-Baden. Dieses Bild habe sich mittlerweile gewandelt und der antiproliferative Effekt von MTX über die Folsäure-Biochemie sei auch nur eine Seite der Medaille. Der Mediziner informierte, dass die entzündungshemmenden Eigenschaften von MTX erst später entdeckt wurden. Diese kommen dadurch zustande, dass die MTX-Gabe zur Blockade des Enzyms AICAR-Transformylase führe, was schließlich die Freisetzung von Adenosin, einer stark antiinflammatorisch wirksamen Substanz, fördere. »Nun kommen weitere neue Erkenntnisse hinzu«, sagte Fiehn.

Eine davon sei, dass MTX nicht nur über den reduzierten Folat-Carrier in die Zelle gelangt. Synoviale Makrophagen, die Hauptproduzenten von TNF-α und anderen inflammatorischen Botenstoffen in entzündeten Gelenken von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), verändern ihre Expression der β-Form des Folatrezeptors (FR-β). Dieser wird deutlich hochreguliert. Zudem bekommt der Rezeptor, welcher normalerweise nur eine geringe Affinität für MTX hat, die Fähigkeit, den Wirkstoff zu binden und in die Zelle zu schleusen. »Vermutlich liegt dieser Affinitätszunahme des Rezeptors eine Glykosylierung zugrunde«, so Fiehn. Er informierte, dass sich momentan neue Wirkstoffkandidaten in der Pipeline befinden, welche spezifisch FR-β binden und somit gezielt vor allem die synovialen Fresszellen erreichen.

 

Ist MTX erst einmal in der Zelle, muss ein weiterer Schritt folgen, damit das Prodrug zur Wirksubstanz wird. Das Stichwort dazu heißt Polyglutaminierung. »Bis zu fünf Glutamat-Moleküle werden angekoppelt, was die Persistenz von MTX in der Zelle und die Affinität zu den Enzymen erhöht«, informierte Fiehn. Ein Fließgleichgewicht baue sich über mehrere Wochen auf und werde nach etwa 15 Wochen erreicht. Das erkläre zum Beispiel, warum MTX erst nach einigen Wochen seine Wirkung erziele, von einer stabilen Wirkung könne man nach etwa acht Wochen ausgehen. Da die Polyglutamate nur allmählich abgebaut werden, halte die Wirkung von MTX nach Absetzen der Medikamente zudem noch einige Zeit an.

 

Koppeln angesagt

 

Im Folgenden informierte der Referent, dass es von Mensch zu Mensch deutliche Unterschiede gibt, was das Ausmaß der Polyglutaminierung betrifft. Diese hohe interindividuelle Varianz könne ein Grund dafür sein, weshalb das Ansprechen auf MTX individuell unterschiedlich sei. Diese Erkenntnis will man sich zunutze machen. An Prädiktoren für die Wirkung von MTX über die Messung der Polyglutaminierung und seiner genetischen Marker wird bereist gearbeitet, so Fiehn. Der Mediziner erläuterte ferner, wie man die Glutaminierung möglicherweise beeinflussen kann: Die Umstellung von oraler auf par­enterale MTX-Gabe resultiere in einer höheren intrazellulären Konzentration von MTX-Polyglutamaten. Untersuchungen zeigten Fiehn zufolge eine um 40 Prozent bessere Wirkung der Subkutantherapie gegenüber der oralen Einnahme. Wieso, weshalb, warum? Das sei noch nicht bekannt.

 

Kardioprotektiver Effekt

 

Ebenso sind auch beschriebene kardioprotektive Effekte von MTX, was ihre Ursache angeht, nicht restlos aufgeklärt. »Jeder Patient mit rheumatoider Arthritis ist ein kardiovaskulärer Risikopatient«, sagte Professor Dr. Markus Gaubitz. Der Facharzt für innere Medizin, Rheumatologie und Gastroendokrinologie aus Münster stellte einige Untersuchungen aus den vergangenen Jahren vor, die neben der krankheitsspezifischen Wirkung von MTX auch einen positiven Effekt auf kardiovaskuläre Komorbiditäten gezeigt hatten. Gaubitz hält es für am wahrscheinlichsten, dass der Einfluss auf inflammatorische Faktoren bei der Arteriosklerose für diesen erfreulichen Effekt verantwortlich ist. »Entzündung ist ein wesentlicher Faktor für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.« / 

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