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Studie

Nahrungsergänzungsmittel mit Ginkgo unter der Lupe

17.05.2010  14:13 Uhr

Von Mona Tawab, Meike Krzywon und Manfred Schubert-Zsilavecz / In Ergänzung zu seiner bereits veröffentlichten Studie zu Ginkgo-haltigen Teeprodukten hat das ZL nun diverse aktuell angebotene NEM untersucht. Im Fokus standen hierbei der Vergleich der Zusammensetzung der in NEM verwendeten Extrakte und mögliche Hinweise auf Veränderungen der natürlichen Extraktzusammensetzung. Was kam dabei heraus?

Die Statistiken lassen keinen Zweifel: Die Deutschen werden immer älter und damit steigt auch das Risiko eines chronischen, progredient verlaufenden Verlustes der Gedächtnisleistung. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird damit gerechnet, dass die Zahl der in Deutschland lebenden Demenz-Erkrankten von derzeit circa 1 Million auf über 2,5 Millionen bis ins Jahr 2050 ansteigen könnte (1).

Daraus entsteht bei der Bevölkerung ab etwa 50 Jahre ein sich allmählich breitmachender Hand­lungsbedarf, die eigene Gehirnfähigkeit zu opti­mieren und alles zu tun, um geistig fit zu bleiben. Neben zahlreichen nicht­medikamentösen Maß­nahmen fällt im Rahmen der Selbstmedikation häu­fig die Wahl auf Ginkgo-Präparate. Und das zu Recht, denn Ginkgo biloba gehört zu den am besten untersuchten Arzneipflan­zen in der rationalen Phy­totherapie.

 

Gegenstand der rationalen Phytotherapie sind quanti­fizierte Trockenextrakte auf der Basis der Kommission-E-Monographie, die unter anderem in Form des Ginkgo-Spezialextraktes EGb 761® (Dr. Willmar Schwabe, Karlsruhe, Tebonin®) beziehungsweise LI 1370® (Klosterfrau Healthcare Group, Kaveri®) im Handel sind.

 

Gemäß den Vorgaben des Deutschen (DAB) sowie des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur.) wird der gereinigte und quantifizierte Ginkgotrockenextrakt aus den getrockneten Blättern von Ginkgo biloba L. hergestellt und enthält (2, 3):
 

  • 22 bis 27 Prozent Flavonoide berechnet als Flavonglykoside mit einer mittleren Molmasse von 756,7 g/mol
  • 5 bis 7 Prozent Terpenlaktone, davon 2,8 bis 3,4 Prozent Ginkgolide A, B und C sowie 2,6 bis 3,2 Prozent Bilobalid
  • < 5 ppm Ginkgolsäuren

 

Ginkgolsäuren müssen aufgrund ihres potenziell allergenen, zytotoxischen, mutagenen und tumorpromovierenden Potenzials bei der Einstellung des Ginkgoextrakts auf das technisch Machbare abgereichert werden (4, 5), wobei die Arzneibuchmonographien (DAB, Ph. Eur., USP) einen Höchstgehalt von weniger als 5 ppm Ginkgolsäuren vorschreiben (2, 3, 6).

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Für derart charakterisierte und spezifizierte Extrakte sind laut der Positivmonographie der Kommission E (7) und weiteren Studien pharmakologische Wirkungen für die symptomatische Behandlung von Hirnleistungsstörungen nachgewiesen, darunter Neuroprotektion, Erhöhung des zerebralen Blutflusses, Verringerung der Viskosität des Blutes, Beeinflussung von Neuro­transmittersystemen und Verringerung der Belastung mit reaktiven Sauerstoffspezies (8, 9).

 

Eine positive Beurteilung erfuhr der gereinigte und quantifizierte Ginkgo- Trockenextrakt EGb 761 jüngst auch im Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). So kommt das IQWiG zum Schluss, dass Patienten mit Alzheimer-Demenz von einer Therapie mit Ginkgo-Extrakt EGb 761 profitieren können, wenn der Extrakt in einer Dosierung von 240 mg täglich eingenommen wird (1, 10).

 

Für die Zulassung von Ginkgo-Präparaten als Arzneimittel dürfen nur qualitativ hochwertige, arzneibuchkonforme Trockenextrakte aus Ginkgo-Blättern verwendet werden. So müssen die quantifizierten Trockenextrakte in Bezug auf Inhaltsstoffe und Reinheit eine gleichbleibende Qualität und quantitative Zusammensetzung gemäß den Spezifikationen des Arzneibuches aufweisen. In der aktuellen Roten Liste sind zahlreiche phytotherapeutische Monopräparate mit arzneibuchkonformen Ginkgo-Spezialextrakten aufgelistet. Doch neben diesen qualitativ hochwertigen Ginkgo-Präparaten in der Apotheke wird eine wachsende Anzahl von qualitativ unspezifizierten und mangelhaft deklarierten Produkten unter der Sammelbezeichnung »Ginkgo« via Internet, aber auch in Drogerien und Reformhäusern angeboten. Dem Verbraucher fällt es bei dem völlig intransparenten Angebot zunehmend schwerer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Vor diesem Hintergrund hat das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker, in Ergänzung zu seinen bereits veröffentlichten Studien zu im Internet angebotenen Kapselprodukten, die Ginkgoblattpulver enthalten (11), und zu Ginkgo-haltigen Teeprodukten (12, 13), diverse aktuell angebotene Nahrungsergänzungsmittel (NEM) untersucht. Zum Vergleich wurden zusätzlich zu Mustern von unbehandelten Ginkgoblättern auch arzneilich verwendete Ginkgo-Trockenextrakte mitgeführt.

Darüber hinaus wurden die Blüten und ein ethanolischer Extrakt aus Blättern des japanischen Schnurbaumes (Sophora japonica), auch Japanischer Pagodenbaum genannt, vergleichend zu den Ginkgoblättern analysiert. Der zu den Schmetterlingsblütengewächsen zählende japanische Schnurbaum ist in China und Japan beheimatet und wächst bei uns als Zierbaum an Alleen und in Parkanlagen. Gemäß Untersuchungen eines unabhängigen Verbraucherlabors in den USA namens »ConsumerLab« werden nämlich zunehmend gefälschte Ginkgo-haltige NEM identifiziert, in denen anscheinend durch Zusatz von Buchweizenextrakten oder Extrakten eben des japanischen Schnurbaums jeweils der Gehalt an Rutin/Quercetin erhöht oder das natürliche Quercetin/Kämpferol-Verhältnis in Ginkgoblättern und daraus gewonnenen Extrakten manipuliert wird (14). Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der vorliegenden Studie besonderes Augenmerk auf das in den untersuchten NEM-Produkten vorliegende Verhältnis Quercetin Kämpferol+Isorhamnetin (Q/(K+I)-Quotient) im Vergleich zum quantifizierten Ginkgoextrakt gelegt. Hierzu sind in dem Europäischen Arzneibuch zwar noch keine Vorgaben definiert, allerdings ist in diesem Aspekt das Amerikanische Arzneibuch (USP) der Ph. Eur. deutlich einen Schritt voraus. Die USP gibt nämlich in der Monographie »Pulverisierter Ginkgoextrakt« ein klares Verhältnis von Quercetin zu Kämpferol/Isorhamnetin berechnet als Quotient vor, der zwischen 1,2 und 0,8 liegt (6). Wird dieses Verhältnis nicht eingehalten, liegt ein begründeter Verdacht auf externe Zugabe von Flavonoiden vor.

 

Über das Problem der Fälschungen von Ginkgoextrakten durch den Zusatz von nicht aus Ginkgoblättern extrahierten Stoffen berichten im Übrigen unter anderem auch Grey et al. (15), Liu et al. (16) und Mesbah et al. (17). Inwieweit solch ein Zusatz von anderen Flavonoiden als Aufspiken (sogenanntes »Spiking«) oder gar Verfälschung einzustufen ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Im pharmazeutischen Bereich jedenfalls ist es laut Aufbereitungsmonographie der Kommission E (7) nicht zulässig, dem monographiekonformen Trockenextrakt Konzentrate oder isolierte Inhaltsstoffe zuzugeben.

 

Material und Methoden

 

Die Studie erstreckte sich über drei verschiedene Chargen an Ginkgo-Blättern (um zunächst deren natürliches Inhaltsstoffspektrum zu bestimmen), vier Muster pharmazeutisch verwendeter quantifizierter Ginkgo-Trockenextrakte von vier Herstellern sowie zehn in Drogerien und Reformhäusern, aber auch in Apotheken erhältliche Ginkgo-haltige NEM. Außerdem wurde jeweils ein Muster an ganzen Blüten und eines ethanolischen Blätterextraktes des Sophora-japonica-Baumes untersucht. Die analytische Charakterisierung wurde zur Überprüfung von möglichen Veränderungen der nativen Ginkgo-Extraktzusammensetzung und zum Vergleich der Zusammensetzung der in den untersuchten Nahrungsergänzungsmitteln verwendeten Extrakte mit den pharmazeutisch verwendeten monograpiekonformen Ginkgo-Trockenextrakten durchgeführt.

 

Die Ermittlung des Flavonglykosidgehalts orientierte sich an der Ph. Eur. Monographie (3). Die Analytik der Terpenlaktone wurde gemäß der in der Ph. Eur. Monographie (3) beschriebenen Methode durchgeführt. Zur Analytik der Ginkgolsäuren wurde folgendermaßen vorgegangen: Eine 1 g Ginkgoextrakt entsprechende Menge wurde eingewogen und in 10 ml H2O unter Zuhilfenahme eines Glasstabes im Ultraschallbad suspendiert. Die Suspension wurde mit dem Inhalt eines Extrelut NT20 Nachfüllbeutels verrührt und die Mischung in eine Extraktionssäule gefüllt. Nach 5  min Einwirkzeit wurde mit 100 ml Ethylacetat eluiert und das Eluat am Rotationsverdampfer bis zur Trockne eingeengt. Der Rückstand wurde in 2 ml Methanol aufgenommen und mittels HPLC-UV bei 310 nm gemäß ZL-interner Prüfvorschrift analysiert. Als Referenzsubstanz wurde Ginkgolic acids RN der Firma Phytoplan verwendet.

 

Ergebnisse und Kommentare

 

Ginkgodrogen/Extrakte und Sophora japonica Blütendroge/Blätterextrakt: Wie den Ergebnissen der Tabelle 1 zu entnehmen ist, bewegt sich der Gehalt an Flavonglykosiden in den untersuchten getrockneten Ginkgoblättern zwischen 0,9 und 1,3  Prozent. Der Gehalt an Quercetin und Kämpferol/Isorhamnetin weicht nur in engen Grenzen voneinander ab, was zu einem für Ginkgoblätter charakteristischen Peakflächenverhältnis von 0,89 bis 1,03 nach Hydrolyse führt. Dies entspricht somit den Vorgaben der USP für Ginkgo-­extrakte.

 

Die Blüten und der Extrakt aus den Blättern von Sophora japonica zeigen sehr hohe Gesamtgehalte an Flavonglykosiden von 22,5 Prozent beziehungsweise 51,4 Prozent. Dies ist aber im Wesentlichen auf den sehr hohen Gehalt an Quercetin zurückzuführen. So liegt das Quercetin zu Kämpferol/Isorhamnetin Peakflächenverhältnis bei 8,82 für die Blüten und 9,72 für den Blätterextrakt, also drastisch anders als bei Ginkgoblättern.

 

In den Ginkgoblättern liegt der Gesamtgehalt an Terpenlactonen im Durchschnitt bei circa 0,1 Prozent, was die Notwendigkeit der Herstellung eines gereinigten und konzentrierten Extraktes für eine optimale therapeutische Wirksamkeit unterstreicht. Wie zu erwarten, sind in Sophora japonica die Ginkgo-spezifischen Terpenlaktone und Ginkgolsäuren nicht vorzufinden.

 

Dagegen sind in Ginkgo-Blättern gemäß Literaturangaben Ginkgolsäuren bis zu 2 Prozent enthalten (18, 19). Vor dem Hintergrund dieser weit über dem Akzeptanzlimit liegenden hohen Konzentrationen an Ginkgolsäuren wurde eine Nachanalyse im Rahmen dieser Studie nicht durchgeführt. Im Sinne der Patientensicherheit ist es jedoch wichtig, dass diese toxikologisch bedenklichen Inhaltsstoffe, die zu den stärksten Kontaktallergenen zählen, gemäß dem Deutschen Arzneibuch (DAB), der Ph. Eur. und der USP auf Werte unter 5 ppm in Ginkgoextrakten abgereichert werden.

 

Gereinigte und quantifizierte Ginkgotrockenextrakte: Die Untersuchung von kommerziell erhältlichen Ginkgo-Trockenextrakten unterschiedlicher Anbieter belegt eine hohe Qualität der analysierten Extrakte, die mehrheitlich sowohl hinsichtlich des Flavonglykosid- und Terpenlaktongehalts als auch in Bezug auf die Menge an nachgewiesenen Ginkgolsäuren den Vorgaben des Arzneibuchs entsprechen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Ergebnisse bei Ginkgo- und Sophora Drogen sowie Extraktmustern

Droge/Extrakt Charge Flavonglykoside (%) Quotient Q/K+I Terpenlaktone (%) Ginkgolsäuren (ppm)
Sophora japonica Blätterextrakt DR07-23-A 51,36 9,72 keine keine
Sophora japonica - Blüten ganz DR07-023-A 22,49 8,82 keine keine
Ginkgo biloba getr. Blätter W800015 0,89 1,03 0,14 nicht untersucht
Ginkgo biloba getr. Blätter W800093 1,25 0,92 0,13 nicht untersucht
Ginkgo biloba getr. Blätter W800096 1,28 0,89 0,17 nicht untersucht
Extraktum Ginkgo (Caelo) 81876368 22,94 0,92 5,83 0,75
Extr. Ginkgo (Fagron) 09E15-N04 24,75 0,92 6,35 5,10
Ginkgonis extractum (Finzelberg) 9014203 22,84 0,74 5,80 0,33
Ginkgo Extrakt 24 % (Schwabe) 507 24,07 0,90 5,47 0,18

Bei drei der vier untersuchten quantifizierten Trockenextrakte bewegt sich der Q/(K+I)-Quotient im Bereich von 0,90 bis 0,92. Lediglich bei einem der untersuchten Extrakte liegt der Q/(K+I)-Quotient außerhalb der für Ginkgoflavone charakteristischen Spanne von 0,8 bis 1,2. Der Wert von 0,74 wird daher als grenzwertig beurteilt. Wie zu erwarten, liegen die Werte der Ginkgolsäuren in den untersuchten Ginkgoextrakten unter 5 ppm und entsprechen somit der Spezifikation. Lediglich bei einem Ginkgotrockenextrakt wurde ein grenzwertiger Gehalt von knapp über 5  ppm Ginkgolsäuren festgestellt.

 

Ginkgo-haltige Nahrungsergänzungsmittel: Die untersuchten Ginkgo-haltigen NEM variieren bezüglich der verwendeten Hilfsstoffe, Dosierungen und Kombinationen mit anderen Zusatzstoffen. Dies erschwert die Validierung der Analytik innerhalb einer Reihenuntersuchung. Doch für ein analytisches Screening, mit dem Ziel Ähnlichkeiten und Abweichungen zu den pharmazeutisch verwendeten Ginkgoextrakten zu erkennen, ist die Analytik auf jeden Fall geeignet, das heißt sehr gut sensitiv.

 

Auf Basis dieser Ergebnisse können die untersuchten NEM-Produkte zunächst hinsichtlich ihres Flavonmusters zwei Gruppen zugeordnet werden. In Tabelle 2 werden jene NEM-Produkte aufgeführt, bei denen die Ermittlung des Quercetin und Kämpferol/Isorhamnetin Quotienten ein ginkgotypisches Flavonglykosid-Spektrum gezeigt hat. Hierbei ist der Wert für das Produkt Ginkgo Aktiv (Bakanasan) grenzwertig.

Tabelle 2: NEM-Produkte mit ginkgotypischem Flavonglykosid-Spektrum

Ginkgo-Gehalt/ Produkt Name/Firma/ Dachmarke Charge Quercetin [%] Kämpferol [%] Iso-
rhamnetin [%]
Flavone* [%] Peakflächen-Verhältnis Quercetin: Kämpferol + Isorhamnetin
100 mg Ginkgoblätter­extraktzube­reitung, Tabletten Ginkgo Aktiv (bakanasan) 910003 0,70 0,61 0,30 1,61 0,77
100 mg Ginkgo-biloba-Extrakt (50:1) Ginkgo plus (Klosterfrau) 192039 11,53 10,80 3,27 27,0 0,82
100 mg Ginkgoblätter­extraktzube­reitung, Tabletten Ginkgo-Tabletten (Zirkulin) 910003 0,71 0,58 0,26 1,55 0,85

*) Der Gesamtflavongehalt kann von der Summe der drei aufgeführten Flavonwerte geringfügig abweichen, da gemäß Ph. Eur. auch die zwischen Quercetin und Isorhamnetin liegenden Nebenpeaks bei der Gesamtberechnung des Gesamtflavongehalts zu berücksichtigen sind.

Demhingegen werden in Tabelle 3 jene NEM-Produkte ausgewiesen, bei denen die Untersuchungen eine von den nativen Ginkgoflavonglykosiden deutlich abweichende Aglykonverteilung ergeben hat.

Tabelle 3: NEM-Produkte mit eindeutig verändertem Flavonglykosid-Spektrum

Ginkgo-Gehalt/
Produkt
Name/Firma/
Dachmarke
Charge Quercetin
[%]
Kämpferol
[%]
Iso-
rhamnetin
[%]
Flavone*
[%]
Peakflächen-Verhältnis Quercetin: (Kämpferol + Isorhamnetin)
100 mg
Ginkgoblätter-
extrakt
Hartkapseln
Ginkgo aktiv
(Doppelherz)
L020029 13,78 5,79 1,98 21,98 1,78
100 mg
Ginkgo biloba-Extrakt Weichkapseln
Ginkgo Plus Grüner Tee + B-Vitamine
(Abtei)
L9049001 18,98 5,34 1,97 26,70 2,58
100 mg
Ginkgo-Extrakt
Tabletten
Gedächtnis plus
(taxofit)
L324088 siehe Text siehe Text siehe Text siehe Text siehe Text
100 mg Ginkgoblätter-Trockenextrakt
Weichkapseln
MemoAgil
(biovital)
L2007129 siehe Text siehe Text siehe Text siehe Text siehe Text
100 mg
Ginkgo biloba-Extrakt
Hartkapseln
Ginkgo-Ginseng
plus (Kneipp)
905669 17,90 4,64 1,92 24,90 2,73
100 mg
Ginkgo biloba-Extrakt
Hartkapseln
Ginkgo-Kapseln
(Alsiroyal)
L9037/3 23,58 4,29 1,46 29,56 4,11
240 mg
Ginkgo biloba-Extrakt (50:1) Hartkapseln
Ginkgo biloba 240
(Medivatis)
L-090112 16,17 1,09 7,25 24,51 7,70

*) Der Gesamtflavongehalt kann von der Summe der drei aufgeführten Flavonwerte geringfügig abweichen, da gemäß Ph. Eur. auch die zwischen Quercetin und Isorhamnetin liegenden Nebenpeaks bei der Gesamtberechnung des Gesamtflavongehalts zu berücksichtigen sind.

Die NEMs »MemoAgil« (Biovital), und »Gedächtnis plus« (Taxofit) konnten nur schwer analysiert werden, da durch das in beiden Produkten enthaltene Kupfer die Analytik der Flavonglykoside bei der Hydrolyse empfindlich gestört wurde.

 

Führt man allerdings die chromatographische Analyse direkt mit HPLC ohne vorangegangene Hydrolyse mittels Salzsäure durch, so ist Quercetin in auffällig hohen unnatürlichen Mengen durchaus nachweisbar.

 

Die in Tabelle 3 festgestellten wesentlich höheren Q/(K+I)-Quotienten von 1,8 bis 7,7 sind auf einen für Ginkgoextrakte untypisch hohen Quercetinanteil zurückzuführen. Dies deutet auf die Zugabe von Quercetin oder auch Rutin, entweder als Reinsubstanzen oder als Konzentrate, hin. So zeigt beispielsweise die chromatographische Analyse der »Ginkgo biloba 240« Kapseln ohne vorangegangene Hydrolyse mit Salzsäure einen sehr ausgeprägten Peak bei einer Retentionszeit von 7,04 Minuten, was auf die Anwesenheit sehr hoher Mengen von Rutin hindeutet. Es sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass sich Rutin als Glykosid des Quercetins nur durch ein zusätzliches Disaccharid von dem letzteren unterscheidet. Im Rahmen der Probenaufbereitung nach Arzneibuch wird durch die Hydrolyse mit verdünnter Salzsäure das Rutin als Glykosid gespalten und letztendlich in Form von Quercetin bestimmt.

 

Eine Besonderheit bei Zusatz von reinem Quercetin ist, dass wegen des Molmassenfaktors von 2,514 durch die Zumischung von nur einem Teil Quercetin im Extrakt das Vorhandensein einer zweieinhalbfachen Menge an Ginkgoflavonglykosiden im Extrakt »vorgetäuscht wird«! Bei Manipulation mit Rutin entsprechen die analytisch gefundenen Mengen annähernd den zugesetzten Mengen.

 

Das Zumischen von reinem Quercetin, Rutin oder auch von Flavon-Konzentraten aus anderen Quellen (zum Beispiel aus Früchten des Schnurbaumes) in Ginkgoextrakten führt rechtlich zu einem jeweils »der Art nach« anderen Wirkstoff beziehungsweise Zusatzstoff. Die undifferenzierte Bezeichnung eines nicht ausschließlich aus Ginkgoblättern gewonnenen (veränderten) Stoffgemisches als »Ginkgo« oder »Ginkgoextrakt« erscheint daher rechtlich in jedem Fall als höchst problematisch.

 

In Tabelle 4 werden die weiteren Ergebnisse unserer Analysen zusammenfassend dargestellt. Aus vorstehenden Gründen wird dabei zur Differenzierung der Extrakte in den betreffenden Spalten zwischen »native Ginkgoflavone« (Ginkgoflavone offensichtlich natürlicher Genese) und »Flavongemisch« (wahrscheinlich unter Zusatz anderer Substanzen verändertes Flavonmuster) unterschieden.

Tabelle 4: Ergebnisse der Untersuchungen auf Flavonglykoside, Terpenlaktone und Ginkgolsäuren der untersuchten NEM-Produkte

Ginkgo-Gehalt/
Produkt
Name/Firma/
Dachmarke
Charge Native Ginkgo-
flavone [%]
Flavon-
gemisch
[%]
Terpene
[%]
Ginkgol-
säuren
[ppm]
100 mg
Ginkgoblätterextrakt
Hartkapseln
Ginkgo aktiv
(Doppelherz)
L020029 21,98 8,29 0,85
100 mg
Ginkgo biloba-Extrakt
Weichkapseln
Ginkgo Plus Grüner Tee + B-Vitamine
(Abtei)
L9049001 26,70 4,58 0,0
100 mg
Ginkgoblätter-
Extraktzubereitung
Tabletten
Ginkgo Aktiv
(bakanasan)
910003 1,60 0,69 einige 100 ppm
100 mg Ginkgo
bilobla-Extrakt (50:1)
Tabletten
Ginkgo plus
(Klosterfrau)
192039 27,0 6,5 0,90
100 mg
Ginkgoblätter-
Extraktzubereitung
Tabletten
Ginkgo-Tabletten
(Zirkulin)
910003 1,55 0,67 einige 100 ppm
100 mg
Ginkgo-Extrakt
Tabletten
Gedächtnis plus
(taxofit)
L324088 siehe Text* siehe Text* 5,68 0,12
100 mg
Ginkgoblätter-Trockenextrakt
MemoAgil
(biovital)
L2007129 siehe Text* siehe Text* 8,32 nicht bestimmbar
100 mg
Ginkgo biloba-Extrakt
Hartkapseln
Ginkgo-Ginseng plus
(Kneipp)
905669 24,90 5,69 0,0
100 mg
Ginkgo biloba-Extrakt
Hartkapseln
Ginkgo-Kapseln
(Alsiroyal)
L9037/3 29,56 3,94 0,07
240 mg
Ginkgo biloba-Extrakt (50:1)
Hartkapseln
Ginkgo biloba 240
(Medivatis)
L-090112 24,51 5,53 0,0

*) Störung der Analytik durch Kupfer, siehe Text

Aus den Untersuchungsergebnissen lässt sich ferner erkennen, dass bis auf die Ausnahmen »Ginkgo Aktiv« (bakanasan) und »Ginkgo Tabletten« (Zirkulin) die in die Untersuchung einbezogenen NEM-Produkte mit Ginkgoextrakten ausgestattet sind, die sich quantitativ mehr oder weniger an den Gehalten an Flavonen, Terpenlaktonen und Ginkgolsäuren orientieren, wie sie für arzneilich verwendete Ginkgoextrakte von den Arzneibüchern vorgegeben sind. Allerdings lässt sich insbesondere wegen der Manipulationsproblematik der Flavongemische eine weitergehende Bewertung der Untersuchungsergebnisse nicht vornehmen.

 

Diskussion und Beurteilung

 

Zur Herstellung von arzneibuchkonformen Ginkgotrockenextrakten werden die getrockneten und zerkleinerten Blätter von Ginkgo biloba unter Verwendung von Aceton 60 Prozent (m/m) oder eines anderen geeigneten organischen Lösungsmittels (Ph. Eur.) und mehrstufiger Extraktionsverfahren extrahiert. Das Verhältnis von Droge zu Extrakt beträgt hierbei 35 bis 67 zu 1. Demnach werden im Durchschnitt 50 kg getrocknete Ginkgoblätter zur Herstellung eines Kilogramms eines pharmakologisch wirksamen Extrakts benötigt. Es wundert daher nicht, dass diese durch ein aufwendiges, mehrstufiges Verfahren herzustellenden Ginkgoextrakte auch ihren Preis haben. Um Kosten zu sparen, aber trotzdem der wissenschaftlich umfassend auf Wirksamkeit, aber insbesondere auch auf Sicherheit untersuchten standardisierten/quantifizierten Extraktzusammensetzung Rechnung zu tragen, gehen anscheinend manche Extrakthersteller und Hersteller von NEMs (zum Beispiel in den USA und Asien) dazu über, sogenannte »gespikte« oder anderweitig manipulierte Ginkgoextrakte zu verwenden. So wurde in zahlreichen als standardisiert deklarierten amerikanischen Ginkgo-NEMs in erster Linie das billige, aus Buchweizen extrahierte Flavonglykosid Rutin beigemengt, um einem Gesamtflavonglykosidgehalt von 24 Prozent zu erzielen (14). Da aber Rutin bei der Gehaltsbestimmung nach Hydrolyse das Aglykon Quercetin bildet, wird dadurch nicht auch gleichzeitig der Kämpferol- oder Isorhamnetingehalt beeinflusst, was letztendlich zu einem unverhältnismäßig hohen Quercetinanteil führt. Vor diesem Hintergrund kann ein in dieser Studie festgestellter Q/(K+I)-Quotient > 1,2 ein deutlicher Hinweis auf eine Beimischung von zum Beispiel Rutin/Quercetin aus anderer Quelle sein. Da derartige Manipulationen aufgrund des veränderten Q/(K+I)-Quotienten sehr leicht zu identifizieren sind, werden anscheinend in zunehmendem Maße auch die Früchte des Sophora-japonica-Baumes (FS) verwendet, um den Q/(K+I)-Quotienten zu manipulieren. Die FS-Früchte enthalten im Vergleich zu Ginkgoblättern einen bis zu zehnfach höheren Kämpferolanteil bei einem niedrigeren Quercetingehalt (20). Vor diesem Hintergrund sind FS-Früchtekonzentrate »ideal geeignet« und werden deshalb auch verwendet (14), um qualitativ minderwertige Ginkgoextrakte durch Veränderung des Q/(K+I)-Quotienten potenter und hochwertiger erscheinen zu lassen. FS-Früchtekonzentrate können ebenso dazu verwendet werden, um einen Rutin-beigemengten Ginkgoextrakt durch Erhöhung des Kämpferolgehalts wieder zu einem scheinbar »natürlichen« Q/(K+I)-Quotient zu verhelfen. Bedauerlicherweise lagen uns für diese Studie nur die Blüten und ein Blätterextrakt, nicht aber die Früchte des Sophora-japonica-Baumes vor.

 

Zusammenfassend zeigt die vorliegende Studie, dass die Mehrzahl der untersuchten NEM-Produkte Ginkgoextrakte enthält, bei denen ein begründeter Verdacht auf die Zugabe von Quercetin, Rutin oder Flavonkonzentraten aus anderen Quellen besteht. / 

Literatur

 

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Für die Verfasser:

Dr. Mona Tawab

Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker

Carl-Mannich-Straße 20

65760 Eschborn

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