Schnell freisetzende Gabapentin-600-mg-Filmtabletten im Vergleich |
04.05.2009 16:25 Uhr |
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In-vitro-Untersuchungen mit radioaktiv markiertem Gabapentin haben eine bisher unbekannte Peptidbindungsstelle im Hirngewebe (inklusive Neocortex und Hippocampus) von Ratten charakterisiert, die für die antikonvulsiven und analgetischen Wirkungen von Gabapentin verantwortlich sein könnte. Als molekulares Target wurden α2,δ1-Untereinheiten spannungsabhängiger Calciumkanäle identifiziert (1, 2).
Allerdings ist es bisher nicht gelungen, die Ergebnisse aus den Bindungsstudien mit jenen von funktionellen Versuchen in Übereinstimmung zu bringen. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass die Wirkung von Gabapentin auf dem Zusammenspiel mehrerer Mechanismen beruht.
In therapeutisch relevanten Konzentrationen bindet Gabapentin nicht an die »typischen« Rezeptoren im Gehirn (unter anderem GABA-, Benzodiazepin-, Glutamat-, Glycin-Rezeptoren). Seine antikonvulsive Wirkung wird daher nicht mit einer direkten Aktivierung von GABA-Rezeptoren in Verbindung gebracht. Im Gegensatz zu Phenytoin oder Carbamazepin interagiert Gabapentin in vitro nicht mit Natriumkanälen. Der Wirkstoff verringert zum Teil die Reaktion auf den Glutamat-Agonisten N-Methyl-D-Aspartat (NMDA), aber nur bei Konzentrationen oberhalb 100 µmol/ml, die in vivo nicht erreicht werden. In vitro verringert Gabapentin in geringem Ausmaß die Freisetzung von Monoamin-Neurotransmittern. Die Bedeutung dieser unterschiedlichen Aktivitäten wurde bisher nicht untersucht. Bei Tieren überwindet Gabapentin mühelos die Blut-Hirn-Schranke und verhindert durch Elektroschock oder chemische Konvulsiva ausgelöste Krampfanfälle.
Nach oraler Gabe werden maximale Plasmaspiegel innerhalb von zwei bis drei Stunden erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit (300 mg Hartkapsel) beträgt etwa 60 Prozent und nimmt mit zunehmender Dosis ab. Gabapentin wird nicht an Plasmaproteine gebunden, es gibt keinen Hinweis auf eine Phase-I-Metabolisierung des Wirkstoffs. Gabapentin wird unverändert renal ausgeschieden, die dosisunabhängige Eliminationshalbwertszeit liegt zwischen fünf und sieben Stunden.
Material und Methoden
In Tabelle 1 sind die in die Untersuchung einbezogenen Fertigarzneimittel gelistet. Alle Präparate wurden über den pharmazeutischen Fachhandel bezogen. Die Analytik wurde nach der Monographie für »Gabapentin Tablets« des Amerikanischen Arzneibuches (USP 31) unter Berücksichtigung des Europäischen Arzneibuches (Ph. Eur. 6.0) durchgeführt. Die Untersuchung der Präparate erfolgte hinsichtlich folgender Prüfpunkte: Identität, Gleichförmigkeit der Masse, Gehalt, verwandte Substanzen, In-vitro-Freisetzungsverhalten. Alle Prüfungen erfolgten vor Ablauf der Verwendbarkeitsfrist.
Nummer | Handelsname | Hersteller/Pharmazeutischer Unternehmer/Import, Umverpackung und Vertrieb | Chargen-Nummer | Haltbarkeit |
---|---|---|---|---|
1 | Gabagamma 600 mg Filmtabletten | Wörwag Pharma | 0708191 | Jul 10 |
2 | Gabapentin Hexal 600 mg Filmtabletten | Hexal AG | 8U8293 | Okt 09 |
3 | Gabapentin-neuraxpharm 600 mg Filmtabletten | Neuraxpharm | 072266 | Okt 09 |
4 | Gabapentin basics 600 mg Filmtabletten | Basics GmbH | 1851894 | Dez 09 |
5 | Gabapentin AbZ 600 mg Filmtabletten | AbZ Pharma | I020067 | Sep 10 |
6 | Gabapentin-Ct 600 mg Filmtabletten | Ct-Arzneimittel | H46616 | Okt 10 |
7 | Gabapentin AWD 600 mg Filmtabletten | AWD.pharma GmbH &Co.KG | 7G001A | Jul 10 |
8 | gabapentin-biomo 600 mg Filmtabletten | biomo pharma | 070708 | Jun 09 |
9 | Gabapentin Al 600 mg Filmtabletten | Aliud Pharma | 75110B | Okt 09 |
10 | Gabapentin-ratiopharm 600 mg Filmtabletten | ratiopharmGmbH | H18624 | Okt 09 |
11 | Gabapentin AAA 600 mg Filmtabletten | AAA-Pharma | 0708191 | Jul 10 |
12 | Gabapentin Sandoz 600 mg Filmtabletten | Sandoz Pharmaceuticals GmbH | 7N8136 | Mai 10 |
13 | Gabapentin beta 600 mg Filmtabletten | betapharm Arzneimittel GmbH | 1126005 | Jun 10 |
14 | Gabapentin Stada 600 mg Filmtabletten | Stadapharm GmbH | 71409 | Apr 09 |
15 | Gabapentin 1A-Pharma | 1 A Pharma GmbH | 8C9047 | Nov 10 |
16 | Gabapentin-Teva 600 mg Filmtabletten | Teva Generics GnbH | 0741176 | Mai 10 |
17 | Gabapentin ratiopharm 600 mg Filmtabletten | Eurim Pharm Arzneimittel GmbH | H24037 | Mai 10 |
18 | Gabax 600 mg Filmtabletten | Temmler Pharma GmbH & Co.KG | 07010 | Okt 10 |
19 | Neurontin 600 mg Filmtabletten | Parke.Davis GmbH | 0579116 | Okt 08 |
20 | Neurontin 600 mg Filmtabletten | Kohlpharma GmbH | 614047 | Mrz 09 |
Gleichförmigkeit der Masse
Die Bestimmung erfolgte gemäß Europä-ischem Arzneibuch (Ph.Eur. 6.0, Ziffer 2.9.5, »Gleichförmigkeit der Masse einzeldosierter Arzneiformen«). Hierzu wurde durch Wägung von 20 einzelnen Tabletten eines jeden Präparates die prozentuale Standardabweichung jeder einzelnen Darreichungsform vom Mittelwert ermittelt. Die abhängig von der durchschnittlichen Tablettenmasse in der Pharmakopoe festgelegten Akzeptanzkriterien wurden von allen untersuchten Präparaten voll erfüllt.
Gemäß Ph.Eur. 6.0 »subdivision of tablets« wurden nach vorschriftsmäßiger Teilung von n=30 Tabletten, 30 einzelne Teilstücke gewogen und anschließend die Standardabweichungen vom Durchschnittsgewicht bestimmt. Die Prüfung gilt als bestanden, wenn bei höchstens einem der 30 gewogenen Teilstücke die Einzelmasse zwischen 15 bis 25 Prozent von dem Mittelwert abweicht, aber bei keinem Teilstück > 25 Prozent. Nur eines der Präparate, die eine Teilung erlaubten, war leicht auffällig (zwei Teilstücke knapp über 15 Prozent), alle anderen erfüllten diese Anforderungen.
Gehaltsprüfung
Die Gehaltsbestimmung wurde nach der Monographie »Gabapentin Tablets« der USP 31 durchgeführt. Der Arzneistoff wurde nach Probenaufarbeitung mittels Hochdruckflüssigchromatografie (HPLC) an RP8-Material als stationärer Phase und einem Acetonitril-Phosphatpuffer-Fließmittelgemisch gegenüber externem Standard quantifiziert. Mit isokratischer Elution wurde die Absorption der Proben im UV bei 210 nm gegenüber Referenzstandard gemessen. Hierbei wurden die Akzeptanzkriterien von 90,0 Prozent bis 110,0 Prozent des deklarierten Gehalts, die in der betreffenden Monographie der USP 31 vorgeschrieben sind, von allen getesteten Produkten eingehalten. Mit dieser Methode wurden Werte zwischen 97,4 und 105,3 Prozent der deklarierten Konzentration bestimmt (siehe dazu Tabelle 2).
Nummer | Handelsname | Chargen-Nummer | Gehalt [Prozent] der Deklaration | Freisetzung nach 45 min > 80 Prozent |
---|---|---|---|---|
1 | Gabagamma 600 mg Filmtabletten | 0708191 | 101,9 | 101,6 |
2 | Gabapentin Hexal 600 mg Filmtabletten | 8U8293 | 100,7 | 101,8 |
3 | Gabapentin-neuraxpharm 600 mg Filmtabletten | 072266 | 100,1 | 100,4 |
4 | Gabapentin basics 600 mg Filmtabletten | 1851894 | 103,4 | 102,8 |
5 | Gabapentin AbZ 600 mg Filmtabletten | I020067 | 102,5 | 102,8 |
6 | Gabapentin-Ct 600 mg Filmtabletten | H46616 | 98,2 | 100,6 |
7 | Gabapentin AWD 600 mg Filmtabletten | 7G001A | 102,3 | 103,7 |
8 | gabapentin-biomo 600 mg Filmtabletten | 070708 | 101,1 | 101,9 |
9 | Gabapentin Al 600 mg Filmtabletten | 75110B | 100,8 | 102,7 |
10 | Gabapentin-ratiopharm 600 mg Filmtabletten | H18624 | 105,3 | 103,2 |
11 | Gabapentin AAA 600 mg Filmtabletten | 0708191 | 102,6 | 103,5 |
12 | Gabapentin Sandoz 600 mg Filmtabletten | 7N8136 | 101,5 | 103,1 |
13 | Gabapentin beta 600 mg Filmtabletten | 1126005 | 100,1 | 103,3 |
14 | Gabapentin Stada 600 mg Filmtabletten | 71409 | 98,0 | 104,2 |
15 | Gabapentin 1A-Pharma | 8C9047 | 100,5 | 105,1 |
16 | Gabapentin-Teva 600 mg Filmtabletten | 0741176 | 99,1 | 99,8 |
17 | Gabapentin ratiopharm 600 mg Filmtabletten | H24037 | 97,9 | 99,4 |
18 | Gabax 600 mg Filmtabletten | 07010 | 97,4 | 100,5 |
19 | Neurontin 600 mg Filmtabletten | 0579116 | 100,7 | 98,7 |
20 | Neurontin 600 mg Filmtabletten | 614047 | 101,9 | 102,2 |
In-vitro-Freisetzung
Auch die In-vitro-Freisetzung wurde nach den Vorgaben der Monographie für »Gabapentin Tablets« der USP 31 durchgeführt. Entsprechend den Anforderungen darf die in 0,06 molarer Salzsäure mittels Paddle-Apparatur freigesetzte Wirkstoffmenge nach 45 Minuten 80 Prozent (Q) der Deklaration nicht unterschreiten. Zur Beurteilung der biopharmazeutischen Eigenschaften wurden zusätzlich nach 30 Minuten Proben gezogen und deren Wirkstoffgehalt bestimmt. Die Quantifizierung von Gabapentin aus der In-vitro-Freisetzung erfolgte nach Probennahme mittels HPLC analog den Parametern für die Gehaltsbestimmung.
Nach 30 Minuten wurden bereits Wirkstoffgehalte zwischen 94,0 Prozent und 102,6 Prozent der Deklaration bestimmt, nach 45 Minuten waren überall Werte über den geforderten 80 Prozent erreicht (98,7 Prozent bis 105,1 Prozent). Damit erfüllen alle Arzneimittel die Anforderungen der USP 31 (Messwerte siehe Tabelle 2).
Verwandte Substanzen
Die Untersuchung auf verwandte Substanzen wurde gemäß USP 31, Monographie für Gabapentin Tablets, Prüfpunkt »related substances« mittels Gradienten-HPLC bei 210 nm an RP8 durchgeführt. Erfasst wurden hierbei die bekannte Verunreinigung »A«, deren maximale Konzentration auf 0,4 Prozent begrenzt ist, sowie maximal sechs weitere unbekannte Substanzen, deren einzelne Grenzwerte laut Vorgaben der USP bei ≤ 0,1 Prozent liegen. Die Summe aller Verunreinigungen darf 1,0 Prozent nicht überschreiten.
In allen untersuchten Präparaten konnte die bekannte Verunreinigung A detektiert werden. Quantitativ betrachtet lag die Konzentration in keinem Präparate über 0,2 Prozent (Forderung: ≤ 0,4 Prozent). Die Summe aller Verunreinigungen (bekannte + unbekannte) überschritt in keinem untersuchten Arzneimittel 0,35 Prozent (Forderung: ≤ 1,0 Prozent). Damit lagen alle Ergebnisse weit innerhalb der erlaubten Grenzen.
Biopharmazeutische Klassifizierung
Löslichkeitsversuche mit der höchsten therapeutischen Dosis von Gabapentin (1200 mg) ergaben eine gute Löslichkeit des Wirkstoffes in jeweils 250 ml Testmedium mit pH-Wert 1,0 und 6,8 bei 37 °C (99,5 Prozent und 100,5 Prozent). Dahingegen war die Löslichkeit des Gabapentins im Testmedium mit pH-Wert 4,6 (nahe dem pKa1-Wert von 3.68 (3)) herabgesetzt. Hier gingen nur 76,6 Prozent des zugegebenen Wirkstoffes in Lösung. Auf Basis der strengen Vorgaben der BCS-Klassifizierung (4, 5) ist Gabapentin formal wegen seiner eingeschränkten Löslichkeit im physiologischen Bereich von 1,0 bis 6,8 insgesamt als »gering löslich« einzustufen.
Die In-vitro-Permeabilitätsuntersuchungen an Caco-2-Zelllinien ergaben einen Papp-Wert von < 0,1 E-6 cm/sec bei 37 °C und 4 °C in apikaler-nach-basolateraler Richtung, was auf eine schlechte Absorption nach oraler Einnahme hindeutet. Der erhöhte Papp-Wert in umgekehrter Transportrichtung von basolateral-nach-apikal von 3 E-6 cm/sec deutet auf einen aktiven Effluxtransport hin. Allerdings ist Gabapentin kein p-Glykoproteinsubstrat, wie sich aus den unveränderten Papp-Werten nach Verapamilzugabe in beiden Transportrichtungen entnehmen lässt. Offensichtlich sind andere Transportproteine an dem Efflux von Gabapentin beteiligt. Auf der Basis der experimentellen Ergebnisse ist Gabapentin in die BCS-Klasse IV einzustufen, die durch eine geringe Löslichkeit und eine niedrige Permeabilität gekennzeichnet ist.
Zusammenfassung und Hinweis
Alle untersuchten Gabapentin-600-mg-Präparate erfüllen die Anforderungen der Arzneibücher. Die analytischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die 20 schnell freisetzenden Präparate eine hohe pharmazeutische Qualität aufweisen und vergleichbar sind. Die Untersuchungsergebnisse können im Hinblick auf die Aut-idem-Regelung in der Apothekenpraxis von Bedeutung sein.
Die Hersteller der geprüften Produkte wurden vor der Publikation und unter Vorgabe einer Widerspruchsfrist von den Ergebnissen unterrichtet. Es erfolgten keine Einsprüche.
Abschließende Bemerkung des ZL
Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker hat als unabhängige Instanz den satzungsgemäßen Auftrag, einen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leisten. In unseren vergleichenden Untersuchungen richten wir uns nach den Vorgaben geltender Arzneibücher, da deren Methoden als valide zu betrachten sind.
Wir möchten an dieser Stelle aber hervorheben, dass die in den Pharmakopöen veröffentlichten Verfahrensweisen häufig von den herstellerspezifischen Methoden abweichen. Eine Gehaltsbestimmung oder Freisetzungsuntersuchungen nach Arzneibuchmonographie für Darreichungsformen können (im Gegensatz zu Methoden für den reinen Wirkstoff) zu Ergebnissen führen, die von denen der Hersteller abweichen, weil normalerweise erst nach einer Validierung in Bezug auf die Produktmatrix aussagekräftige Ergebnisse erhalten werden. Wir bitten (auch die Hersteller) um Verständnis, wenn das ZL leider nicht für jedes einzelne Präparat Untersuchungen anstellen kann, die mit gerade den Methoden erfolgen, die speziell für die jeweilige Formulierung entwickelt und validiert wurden.
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Dooley DJ, Mieske CA, Borosky SA; Inhibition of K(+) evolved glutamate release from rat neocortical and hippocampal slices by gabapentin, Neurosci Lett 280 (2000), S. 107-110
Gee NS, Brown JP, Dissanayake VU, Offord J, Thurlow R, Woodruff GN, The novel anticonvulsant drug, gabapentin (neurontin), binds to the a2d-subunit of a calcium channel, J. Biol. Chem. 271 (1996), 271, S. 5768-76
Schmidt B., Potential antiepileptic drugs: Gabapentin, Antiepileptic drugs. 3rd ed. New York, Raven press, 1989, 925-35
FDA Guidance for Industry: Waiver of In Vivo Bioequivalence Studies for Immediate Release Solid Oral Dosage Forms Containing Certain Active Moieties/Active Ingredients Based on a Biopharmaceutics Classification System. August 2000, CDER/FDA.
Amidon, G.L., Lennernas, H., Shah, V.P., Crison, J.R. A theoretical basis for a biopharmaceutic drug classification: the correlation of in vitro drug product dissolution and in vivo bioavailability. Pharm. Res. 12
Kontakt:
Dr. Astrid Kaunzinger
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V.
Carl-Mannich-Straße 26
65760 Eschborn