Orlistat und Sibutramin |
08.04.2002 00:00 Uhr |
von Thilo Bertsche und Martin Schulz, Eschborn*
*unter Mitarbeit von Hartmut Morck, Barbara Peruche, Rolf Thesen und Petra Zagermann-Muncke
Die Schlankheitsmittel Orlistat (Xenical®) und Sibutramin sind seit September 1998 beziehungsweise Februar 1999 auf dem deutschen Markt. Ihre als neuartig bezeichneten Wirkmechanismen weckten schnell Erwartungen, dass endlich effektive aber nebenwirkungsarme Arzneistoffe zur Gewichtsabnahme zur Verfügung stehen. Ein Überblick über Nutzen und Risiken beider Medikamente.
Der Wunsch vieler Patienten ist groß, ohne Ernährungsumstellung oder Steigerung der körperlichen Aktivität durch Einnahme von Präparaten in kurzer Zeit deutlich und dauerhaft ihr Gewicht zu senken. Eine Gewichtsabnahme ist in vielen Fällen auch medizinisch sinnvoll. Denn nach Wolf und Colditz leiden in den USA 61 Prozent aller Menschen mit einem Body-Mass-Index über 29 kg/m2 unter Typ-2-Diabetes, 17 Prozent an koronaren Herzerkrankungen beziehungsweise Bluthochdruck und 21 Prozent an Gallenblasenerkrankungen (2, 3). Könnte man die Adipositas mit ihren Folgeerkrankungen vollständig heilen, ließen sich alleine in den USA pro Jahr 45,8 Milliarden Dollar oder 6,8 Prozent der Gesamtkosten im Gesundheitssystem einsparen (2, 4).
Neben unzähligen Nahrungsergänzungsmitteln und Präparaten der so genannten besonderen Therapierichtungen, von denen viele Patienten eine gewichtsreduzierende Wirkung erhoffen, sind zahlreiche Arzneimittel auf dem Markt, deren Wirkmechanismen durch Vermittlung von Sättigung, Steigerung des Energiebedarfs durch Aktivierung des Stoffwechsels oder Reduktion der Aufnahme von Nährstoffen Erwartungen in eine Wirksamkeit zur Gewichtsabnahme wecken.
Was ist Adipositas? Übergewicht entsteht, wenn die Energiezufuhr den Energieverbrauch übersteigt, wobei die überschüssige Energie zu etwa 75 Prozent durch eine Zunahme des Fettgewebes gespeichert wird. Von einer Adipositas spricht man, wenn der Anteil der Fettmasse am Körpergewicht bei Frauen 30 Prozent und bei Männern 20 Prozent übersteigt. Durch den Körpermassenindex (Body-Mass-Index, BMI) kann indirekt die Fettmasse abgeschätzt werden. Circa 20 Prozent der Erwachsenen haben vermutlich einen BMI über 30 kg/m2. Der BMI errechnet sich aus dem Verhältnis von Körpergewicht in kg durch die Körpergröße in m im Quadrat.
Nach der WHO gelten folgende Definitionen:
Zur Orientierung kann auch das Normalgewicht (NG) nach Broca eingesetzt werden (27): NG = Körpergröße in cm minus100 cm [kg/cm].
Eine Adipositas lässt sich nach den Ursachen unterscheiden in eine primäre Adipositas, die durch genetische Faktoren, Überernährung, körperliche Inaktivität oder psychische Faktoren verursacht wird, oder in eine sekundäre Adipositas, die durch endokrinologische Erkrankungen (zum Beispiel Morbus Cushing, Hypothyreose, Insulinom, Testosteronmangel bei Männern) oder zentral bedingte Faktoren (zum Beispiel Hirntumore) bedingt ist. Man unterscheidet außerdem einen androiden von einem gynoiden Fettverteilungstyp. Während der androide Typ einen stamm- oder bauchbetonten Fettansatz zeigt ("Apfeltyp"), ist beim gynoiden Typ die Fettverteilung hüft- und oberschenkelbetont ("Birnentyp"). Das Gesundheitsrisiko des androiden ist höher als das des gynoiden Typs. Übergewicht an sich ist keine Erkrankung. Aber die Framingham-Studie (29) ergab bei einer Studienpopulation von 5209 Männern und Frauen eine Zunahme kardiovaskulärer und anderer Risikofaktoren in Korrelation mit dem BMI, die sich auch in einer gesteigerten Inzidenz für kardiovaskuläre und andere Erkrankungen niederschlug.
Adipositas gilt als Risikofaktor für Diabetes vom Typ 2, Hypertonie, Koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, Beinvenenthrombosen, thromboembolische Komplikationen, schlafbezogene Atemstörungen, Gallensteinleiden, Schwangerschaftserkrankungen, Krebserkrankungen und Arthrosen. Interessanterweise ergeben Studien aber auch Anhaltspunkte dafür, das ein gewolltes Abnehmen (ohne krankheitsbedingte Gewichtsabnahme) von gesunden Übergewichtigen nicht mit einem Rückgang der Morbidität oder Mortalität einhergehen muss (30 - 32). Die Verminderung eines Übergewichts sollte durch die sinnvolle Kombination folgender Maßnahmen erreicht werden: eine Ernährungsumstellung, eine Steigerung körperlicher Aktivität, die Unterstützung durch eine Gruppentherapie, eigenes Bewusstsein über die Gesundheit und deren Selbstkontrolle sowie falls erforderlich eine medikamentöse Unterstützung. Ausnahmefällen (BMI > 40 kg/m2) ist eine chirurgische Intervention vorbehalten. (nach 2, 26, 27, 28)
Ein Beispiel sind die Anorektika, die den Appetit zügeln und den Stoffwechsel anregen sollen. Bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam als erstes zentral wirkendes Anorektikum Phenmetrazin (Preludin®) auf den Markt, wurde später verschreibungspflichtig, dann Betäubungsmittel, und verschwand schließlich auf Grund seiner lebensbedrohlichen pulmonalen Hypertonien vom Markt (5). Nachdem allein in Deutschland fast 1000 Fälle von irreversibler, zum Teil tödlich verlaufender pulmonaler Hypertonie bekannt geworden waren, wurde 1967 Aminorex (Menocil®) zurückgenommen. 1983 erfolgte die Marktrücknahme von Pentorex (Modatrop®) wegen Entwicklung von Abhängigkeit, verstärkten Schizophrenien und Herzrhythmusstörungen (6). Bereits im Juli 1997 waren der US-Zulassungsbehörde FDA 33 Fälle von multiplen Herzklappenschäden bei Einnahme von Kombinationen Fenfluramin- und Phentermin-haltiger Arzneimittel ("Fen-Phen") bekannt. Auch bei Einzelanwendung von Fenfluramin und Dexfenfluramin wurden bald sonographisch diagnostizierte Herzklappenveränderungen festgestellt. Deren Entstehung schien mit dem Pathomechanismus der pulmonalen Hypertonie zu Grunde liegenden fibrinoiden Gefäßwandnekrosen ähnlich zu sein. Als sich die Indizien für einen Zusammenhang zwischen der Einnahme der Appetitzügler und der Herzklappenerkrankungen weiter verdichteten, begann man ab September 1997, sämtliche Dexfenfluramin-haltigen Arzneimittel vom Markt zu nehmen (7, 8). Auch heute sind noch zentrale Sympathomimetika als Appetitzügler in Deutschland in der Apotheke erhältlich (9).
Im Februar 1999 kam das zunächst als Antidepressivum entwickelte Sibutramin als Appetitzügler auf den Markt. Der Wirkmechanismus von Sibutramin unterscheidet sich damit zwar von dem anderer zentraler Appetitzügler, die Substanz erhöht letztendlich jedoch auch die Konzentration zerebraler Neurotransmitter (10).
Einen weiteren Ansatz, das Gewicht unter Kontrolle zu bringen, verfolgt man mit Sättigungskomprimaten aus hydrophilisiertem Kollagen (zum Beispiel Matricur®) oder hochvernetzter Cellulose (beispielsweise CM3®). Sie sollen nach Aufquellen im Magen zu teilweise recht voluminösen "Schwämmen" sensorisch durch den gefüllten Magen ein Nachlassen des Hungergefühls bewirken. Auch diese Präparate, die überwiegend als Medizinprodukte auf dem Markt sind, scheinen nicht frei von ernsteren Nebenwirkungen zu sein. So wurden im Falle von CM3® Kasuistiken von schwerer mechanischer Darmobstruktion beschrieben (11).
Eine andere Idee bestand darin, dem Übergewicht nicht durch Reduzierung des Appetits zu begegnen, sondern vielmehr die Resorption der zugeführten Nahrung zu vermindern. Dieses Prinzip wurde mit dem Lipasehemmer Orlistat verwirklicht. Allerdings ist die Idee nicht ganz neu: Einerseits beruht der bei Diabetes mellitus eingesetzte a-Glucosidase-Inhibitor Acarbose auf einem ähnlichen Wirkprinzip, indem er die Spaltung von Disacchariden und damit deren Resorption vermindert. Andererseits gab es aber auch "zum Abnehmen" schon einmal ein ähnliches "Präparat": Bis 1982 war ein a-Amylase-Inhibitor als Lebensmittel (!) erhältlich (12).
Chemische KlassifikationOrlistat
IUPAC: (1S)-1-{[(3S-4S)-3-Hexyl-2-oxo-4-oxetanyl]methyl} dodecyl (2S)-2-formylamino-4-methylpentanoat; Summenformel: C29H53NO5; relatives Molekulargewicht: 495,75; Orlistat besitzt einen für die Lipasewirkung wesentlichen Betalacton-Ring und weist eine ausgesprochene Lipophilie auf (13).
Sibutramin
IUPAC: (RS)-1-(4-Chlorphenyl)-a-isobutyl-N,N-dimethylcyclobutanmethylamin-hydrochlorid; Summenformel: C17H27Cl2N x H2O ; relatives Molekulargewicht: 334,31; Sibutramin besitzt eine chemisch interessante Cyclobutylstruktur (13).
Indikationen und Anwendung
Die Anwendung von Orlistat ist in Verbindung mit leicht hypokalorischer Diät für Patienten mit einem BMI ³ 30 kg/m2 ohne weitere Risikofaktoren oder Übergewichtige mit einem BMI ³ 28 kg/m2 und weiteren Risikofaktoren (zum Beispiel Dyslipidämien, Diabetes mellitus) nach folgendem Schema zugelassen (14):
Zunächst sollte der Patient über vier Wochen durch hypokalorische Diät sein Gewicht um mindestens 2,5 kg senken (Kriterium für Beginn einer Orlistattherapie). Ist dieses Kriterium erreicht, sollte jeweils eine Kapsel mit 120 mg Orlistat zu den Hauptmahlzeiten eingenommen werden. Falls eine Hauptmahlzeit ausgelassen wird oder fettfrei ist, entfällt die Einnahme. Dosierungen von mehr als dreimal 120 mg Orlistat pro Tag zeigen keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen.
Nach 13 Wochen sollte die Therapie abgebrochen werden, wenn das Gewicht nicht mindestens um 5 Prozent gesunken ist, ansonsten kann das Medikament maximal für zwei Jahre eingenommen werden.
Die therapiebegleitende leicht hypokalorische, gemüse- und obstreiche Diät sollte maximal 30 Prozent Fett enthalten. Die tägliche Aufnahme insbesondere der Fette sollte der Patient auf alle drei Hauptmahlzeiten verteilen (14).
Sibutramin ist als unterstützende Therapie im Rahmen eines Gewichtsmanagements für Patienten mit ernährungsbedingter Adipositas mit einem BMI ³ 30 kg/m2 ohne weitere Risikofaktoren oder einem BMI ³ 27 kg/m2 mit weiteren Risikofaktoren (zum Beispiel Dyslipidämien, Diabetes mellitus) nach folgendem Schema zugelassen (10):
Falls der Patient Schwierigkeiten hat, durch angemessen konzipierte gewichtsreduzierende Maßnahmen innerhalb von drei Monaten sein Gewicht um mehr als 5 Prozent zu senken, sollte er in der 13. bis 16. Woche morgens eine Kapsel Sibutramin mit 10 mg unabhängig von den Mahlzeiten einnehmen. Hat er in diesem Zeitraum weniger als 2 kg abgenommen, kann unter der Voraussetzung, dass Sibutramin gut vertragen wurde, die Dosierung auf 15 mg erhöhen. Kann er auch so in den Wochen 17 bis 20 sein Gewicht um weniger als 2 kg senken, muss der Arzt die Therapie abbrechen. Denn Patienten, die nicht auf die Therapie ansprechen, haben ein erhöhtes Nebenwirkungsrisiko. Falls die Therapie vertragen wird, können weiterhin 10 oder 15 mg eingenommen werden, bis sich die Gewichtsreduktion bei weniger als 5 Prozent gegenüber dem Ausgangsgewicht stabilisiert hat, eine Gewichtsreduktion von 5 Prozent innerhalb von 3 Monaten nach Therapiebeginn nicht erreicht werden konnte oder der Betroffene nach anfänglicher Gewichtsreduktion wieder 3 kg oder mehr zugenommen hat.
Die Patienten sollten höchstens ein Jahr lang mit Sibutramin behandelt werden. Während der Behandlung müssen Blutdruck und Puls überwacht werden: in den ersten drei Monaten alle zwei Wochen; zwischen dem vierten und sechsten Monat alle vier Wochen und danach regelmäßig mindestens alle drei Monate. Bei Erhöhung des Blutdruckes oder Pulses in zwei aufeinanderfolgenden Messungen um ³ 10 mmHg oder ³ 10 min-1 sollte die Behandlung abgesetzt werden. Das gleiche gilt, wenn ein zuvor gut eingestellter Blutdruck über 145/90 mmHg ansteigt (10).
Wirkungen und Wirkmechanismus
Gastrointestinale Lipasen katalysieren die Hydrolyse von Triglyceriden aus Nahrungsfetten in Fettsäuren und Monoglyceride. Fettsäuren und Monoglyceride können dann nach Emulgierung durch Gallensäuren aus dem Darmlumen in die Mucosazellen und damit in den Körper aufgenommen werden. Orlistat hemmt die gastrointestinalen Lipasen, so dass nur noch etwa 70 Prozent der Triglyceride gespalten werden können. Die restlichen 30 Prozent werden unverändert ausgeschieden und führen damit zu einer Reduktion der aufgenommenen Nahrungsfette. Orlistat bindet dazu kovalent unter Öffnung des Betalactonringes selektiv an einen Serinrest im aktiven Zentrum der gastrointestinalen Lipase und inhibiert diese kompetitiv und langsam reversibel (praktisch nicht während der Darmpassagezeit) (14, 15).
Orlistat wird nur in sehr geringem Maße resorbiert und wirkt vom Darmlumen aus. Deswegen besteht eine Selektivität für die gastrointestinalen Lipasen; eine Wirkung auf die hepatische oder Lipoprotein-Lipase ist nicht nachweisbar (16).
¨Ursprünglich wurde Sibutramin als Antidepressivum entwickelt. Die für Sibutramin zu beobachtende Nebenwirkung einer Appetithemmung wurde aber bald zum Indikationsgebiet, für das man eine Zulassung anstrebte. Dementsprechend wirkt es auf das noradrenerge und serotonerge Systeme ähnlich wie die klassischen Antidepressiva.
Sibutramin beziehungsweise in erster Linie seine Aminmetabolite hemmen in vitro die Wiederaufnahme von Noradrenalin, Serotonin und Dopamin. In vivo wird jedoch nur die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin, nicht jedoch die von Dopamin signifikant inhibiert. Gerade diese fehlende Wirkung auf das dopaminerge System in vivo wird mit dem Fehlen Abhängigkeit-induzierender Eigenschaften in Verbindung gebracht. Sibutramin und seine Metabolite setzen weder Monoamine frei, noch hemmen sie die Monoaminooxidase. Bei der Untersuchung der Affinität zu serotonergen, adrenergen, dopaminergen, muskarinischen und histaminergen sowie zu Benzodiazepin- und NMDA-Neurotransmitter-Rezeptoren konnte keine Affinität festgestellt werden. Insbesondere die Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin vermittelt zwei Effekte, die für eine Gewichtsabnahme verantwortlich zu sein scheinen: Erstens eine Verstärkung des Sättigungsgefühls und zweitens eine erhöhte Thermogenese, die tierexperimentell nachgewiesen werden konnten (10, 17).
GlossarCholestase Gallestauung
Bing eating disorder (BED) Form der psychogenen Essstörungen, bei der subjektiv unkontrollierbare Essanfälle mindestens zweimal pro Woche über 6 Monate; Vorkommen oft mit Adipositas und depressiver Episode
Flush Anfallsweise Hautrötung mit Hitzegefühl
Gilles-de-la-Tourette-Syndrom motorische Automatismen mit Zwangshandlungen
INR International Normalized Ratio zur weitgehend laborunabhängigen Beurteilung der faktorenabhängigen Blutgerinnung(statt Quick-Wert)
Interstitielle Nephritis Entzündlich-infiltrative Veränderungen des interstitiellen Gewebes im Nierenparenchym
KHK Koronare Herzkrankheit
Malabsorptionssyndrom Krankheitskomplex durch die Störung der Resorption vom Darmlumen in das Blut und die Lymphbahn hervorgerufen
MAO-Hemmer Monoaminooxidasehemmer (hemmen abbauendes Enzym der Catecholamine)
Mesangiokapilläre Glomerulonephritis Entzündliche Nierenerkrankung mit Infiltration bestimmter Bindegewebszellen
Monitoringparameter Laborwerte, indirekte Werte, Symptome des Patienten, um den Therapieerfolg zu messen und/oder Nebenwirkungen zu erkennen
Palpitationen Subjektive, oft unangenehme Empfindung verstärkter, meist beschleunigter Herzaktionen
PAVK Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Phäochromozytom Tumor des chromaffinen Gewebes, der Adrenalin, Noradrenalin und teilweise Dopamin produziert
Purpura Schoenlein-Henoch Rheumatoide exanthematische Hautblutungen
SSRI Antidepressiva vom Typ der selektiven Serotonin Wiederaufnahmehemmer
Thrombozytopenie Verminderte Anzahl an Thrombozyten (< 150.000 mm-3)
TIA Transistorisch-ischämische Attacke (Reversible Hirndurchblutungsstörung)
UAW Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
ZNS Zentrales Nervensystem
Unerwünschte Wirkungen
Tabelle 1 (pdf-Format; 84 kB) gibt einen Überblick über die Nebenwirkungen von Orlistat und Sibutramin. Bei beiden Substanzen treten Nebenwirkungen vor allem zu Beginn der Therapie auf (10, 14). Neben den in der Tabelle aufgeführten Nebenwirkungen sind für die einzelnen Stoffe noch folgende Hinweise zu beachten:
Orlistat erhöht die Fettausscheidung. Deswegen kann die zusätzliche Gabe von Vitaminpräparaten (insbesondere von fettlöslichen Vitaminen) empfohlen werden, die mindestens zwei Stunden nach Einnahme beziehungsweise vor dem Schlafengehen erfolgen sollte. Vitamin-E- und Betacarotin-Blutspiegel sanken in klinischen Studien unter den Referenz-Bereich und machten eine Supplementierung erforderlich. Während Vitamin-D-Spiegel in nicht relevantem Ausmaß gesenkt wurden, schienen Vitamin-A- und -K-Spiegel in klinischen Studien nicht beeinflusst zu werden (14, 18).
Von zentralen Antiadiposita sind schwere Nebenwirkungen bekannt, deren potenzielles Auftreten auch für Sibutramin beachtet werden sollte. So ist der Patient auf mögliche Symptome einer pulmonalen Hypertonie wie progressive Dyspnoe, Schmerzen in der Brust und Knöchelödeme hinzuweisen. Aus diesem Grund sollte vom Arzt eine Untersuchung der Herzklappen erwogen werden. Arzt und Apotheker müssen auf einen möglichen Missbrauch achten (10). Auf Grund nicht auszuschließender Risiken für das ungeborene Kind, ist bei der Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter eine geeignete Empfängnisverhütung notwendig (10).
Kontraindikationen
Orlistat darf nicht eingenommen werden bei (14) Störungen des Verdauungstraktes (chronisches Malabsorptionssyndrom und Cholestase), während Schwangerschaft und Stillzeit, oder bei bekannter Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff (oder einen der sonstigen Bestandteile des Fertigarzneimittels).
Da zur Therapie bei Patienten mit Nieren- oder Leberinsuffizienz, bei Kindern, Schwangeren, Stillenden und älteren Patienten keine ausreichenden Daten vorliegen, kann eine Therapie für diese Patienten nicht empfohlen werden. Eine tierexperimentelle Teratogenität konnte nicht festgestellt werden (14). Die Blutzuckereinstellung sollte bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 unter Einnahme von Orlistat besonders engmaschig überwacht werden (14).
Sibutramin darf in folgenden Fällen nicht eingenommen werden (10):
Sibutramin darf weder in Schwangerschaft und Stillzeit noch von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, Patienten über 65 Jahren oder bei bekannter Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff (oder einen der sonstigen Bestandteile des Fertigarzneimittels) eingenommen werden.
Bei Patienten mit schwerwiegenden Essstörungen wie Anorexia nervosa und Bulämie in der Anamnese ist die Behandlung kontraindiziert. Zur Behandlung von Patienten mit Binge Eating Disorder (BED) mit Sibutramin liegen keine Daten vor. Bei Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sowie mit motorisch-verbalen Tics oder epileptischen Erkrankungen in der Anamnese sollte Sibutramin nur unter Risikoabwägung mit besonderer Vorsicht angewandt werden (10).
Bei Patienten mit assoziierten Begleiterkrankungen (zum Beispiel Dyslipidämie oder Diabetes mellitus Typ 2) soll die Behandlung mit Sibutramin (10 mg) nur fortgesetzt werden, wenn gezeigt werden kann, dass der erreichte Gewichtsverlust mit weiteren klinischen Vorteilen (zum Beispiel Verbesserung des Lipidprofils oder der Blutzuckereinstellung) einhergeht (10).
Wechselwirkungen
Die gleichzeitige Einnahme von Orlistat und Appetitzüglern oder Arcabose kann auf Grund fehlender Untersuchungen nicht empfohlen werden (14). Bei Patienten, die perorale Antikoagulantien wie zum Beispiel Phenprocoumon einnehmen, sollte die Blutgerinnung eingehender auf den gewünschten Ziel-Wert hin überprüft werden (14). Wegen einer möglicherweise erniedrigten Vitaminaufnahme sollten insbesondere fettlösliche Vitamine ergänzt werden (14). Bei Patienten, die mit Ciclosporin behandelt werden, kann eine Senkung des Ciclosporin-Spiegels beobachtet werden. Sofern während einer Ciclosporin-Therapie überhaupt Orlistat eingenommen werden soll, müssen die Ciclosporin-Plasmaspiegel häufiger als gewöhnlich kontrolliert werden. Auch nachdem Orlistat abgesetzt wurde, sind die Kontrollen so lange weiterzuführen, bis sich die Ciclosporin-Plasmaspiegel stabilisiert haben (14). Ferner wird empfohlen, Orlistat mindestens im Abstand von zwei Stunden zu Ciclosporin einzunehmen (19).
Sibutramin wird vor allem über Cytochrom P450-(CYP)-3A4, daneben auch über -2C9 und -1A2 metabolisiert. Deswegen können unter anderem folgende CYP3A4-Hemmer zu einer Erhöhung der Plasmakonzentrationen wirksamer Metabolite führen und die Herzfrequenz zusätzlich beschleunigen: Ketoconazol, Itraconazol; Erythromycin, Clarithromycin und Ciclosprin (10).
Wegen der Metabolisierung über CYP3A4 kann sich der Abbau von Sibutramin bei Gabe unter anderem folgender Enzyminduktoren beschleunigen: Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Phenobarbital, Dexamethason (10).
Wegen der Wiederaufnahmehemmung von Serotonin durch Sibutramin sollten unter anderem folgende Substanzen, die den Serotoninspiegel im Gehirn erhöhen, wegen des Risikos eines schwerwiegenden Serotonin-Syndroms nicht zusammen eingenommen werden: selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), Migränemittel (Triptane, Dihydroergotamin), Opioide (Pentazocin, Pethidin, Fentanyl, Dextromethorphan). MAO-Hemmer sollten nur im Abstand von zwei Wochen eingenommen werden (10).
Die Kombination von Blutdruck- und Herzfrequenz-steigernden Mitteln mit Sibutramin ist bislang nicht eingehend untersucht worden. Folgende Substanzen sollten deswegen nur unter besonderer Vorsicht angewandt werden: Sympathomimetika-haltige "Erkältungsmittel" und Rhinologika (10).
Sibutramin beeinflusst nicht die Wirkung von Alkohol; Alkohol ist jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen mit einer Gewichtsreduktion nicht vereinbar (10). Sibutramin beeinflusst nicht die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva (10). Daten zur kominierten Gabe von Sibutramin und Orlistat liegen bislang nicht Daten vor (10).
ArzneiprofileOrlistat ist der wirksame Bestandteil des Arzneimittels Xenical® 120 mg Hartkapseln der Firma Roche Deutschland Holding GmbH, Grenzach-Wyhlen (www.roche.de). Als Hilfsstoffe zur Kapselfüllung sind mikrokristalline Cellulose, Natriumsalz der Poly(O-carboxymethyl)stärke, Polyvidon und Natriumdodecylsulfat und Talkum enthalten. Als Hilfsstoffe werden für die Kapselhülle Gelatine, Indigocarmin (E 132), Titandioxid (E 171) und Drucktinte verwandt (14).
Sibutramin ist der wirksame Bestandteil des Arzneimittels Reductil® 10 mg und Reductil® 15 mg Hartkapseln der Firma Abbott GmbH & Co. KG, Vertriebslinie Knoll, 65205 Wiesbaden (www.knoll-deutschland.de). Als Hilfsstoffe werden für die Kapselfüllung hochdisperses Siliciumdioxid, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat und mikrokristalline Cellulose verarbeitet. Als Hilfsstoffe werden für die Kapselhülle bei Reductil® 10 mg verwandt: Chinolingelb (E 104) Gelatine; Indigocarmin (E 132); Natriumdodecylsulfat; Titandioxid (E 171). Als Hilfsstoffe werden für die Kapselhülle bei Reductil® 15 mg verwandt: Gelatine, Indigocarmin (E 132), Natriumdodecylsulfat und Titandioxid (E 171). Als Druckfarbe werden Dimeticon, Eisen(II,III)-oxid, Phospholipide aus Sojabohnen (E 322), Schellack und Titandioxid (E 171) verwandt (10).
Einen Überblick über die wichtigsten Eigenschaften der Präparate gibt Tabelle 2 (pdf-Format; 79 kB).
Pharmakokinetik
Da Orlistat lediglich in minimalem Ausmaß resorbiert wird, lagen Plasmakonzentrationen von unmetabolisiertem Orlistat acht Stunden nach peroraler Aufnahme unter der Messbarkeitsgrenze von weniger als 5 ng/ml (14, 15). Orlistat wird nur in sehr geringem Maße zu wenig aktiven Metaboliten vorwiegend in der Darmwand umgewandelt, die aber wie Orlistat selbst kaum resorbiert werden (14, 15).
Nicht resorbiertes Orlistat wird überwiegend über die Faeces eliminiert. Sowohl die resorbierte Menge als auch die Metaboliten werden vorwiegend biliär eliminiert. 97 Prozent werden mit dem Stuhl ausgeschieden, davon 83 Prozent als unverändertes Orlistat. Weniger als 2 Prozent der applizierten Dosis werden kumulativ renal ausgeschieden. Der Zeitraum bis zur vollständigen Ausscheidung beträgt drei bis fünf Tage. Die Metabolisierung ist bei Normal- und Übergewichtigen ähnlich (14, 15).
Sibutramin wird in erheblichem Ausmaß resorbiert und unterliegt einem ausgeprägten First-pass-Effekt. Die Bioverfügbarkeit beträgt im Mittel 77 Prozent (20). Maximale Plasmakonzentrationen von unmetabolisiertem Sibutramin und aktiven Metaboliten werden etwa eine beziehungsweise drei Stunden nach peroraler Aufnahme erreicht (10). Sibutramin und seine Metabolite besitzen eine hohe Plasmaeiweißbindung zwischen 94 und 97 Prozent (10). Sibutramin wird zu aktiven Metaboliten durch hepatische Cytochrom P450-Isoenzyme 3A4 und C9 umgewandelt. Zu CYP-2D6 besteht keine Affinität. Sibutramin beeinflusst keine Cytochrom P450-Isoenzyme in ihrer Aktivität (10).
Der Wirkstoff und seine aktiven Metabolite werden überwiegend hepatisch eliminiert. Die inaktiven Metabolite werden vorzugsweise renal eliminiert. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt für Sibutramin eine Stunde und für seine aktiven Metaboliten etwa 14 bis 16 Stunden. Der Steady-state wird nach vier Tagen erreicht. Die Metabolisierung ist bei Männern und Frauen, Älteren und Jüngeren, Normal- und Übergewichtigen ähnlich. Bei Leberfunktionsstörungen erhöht sich die Bioverfügbarkeit der aktiven Metaboliten (10).
Klinische Prüfung
Im Rahmen einer multizentrischen randomisierten doppelblinden Studie erhielten 688 Patienten zunächst über ein Jahr entweder 120 mg Orlistat oder Placebo (dreimal täglich) in Verbindung mit einer hypokalorischen Diät (21). In einer sich anschließenden weiteren einjährigen Phase wurden - jetzt unter eukalorischer Diät - die Orlistat- und die Placebogruppe jeweils wieder in eine Orlistat- und die Placebountergruppe unterteilt, so dass für die Weiterbehandlung vier Patientengruppen resultierten. Nach dem ersten Jahr betrug die Gewichtsabnahme im Mittel 10,3 kg in der Orlistatgruppe gegenüber 6,1 kg in der Placebogruppe. Im zweiten gelangt es den Patienten aus der anfänglichen Placebogruppe mit Orlistat unter eukalorischen Diät das Gewicht um 3,6 kg mehr als unter Placebo reduzieren; in der anfänglichen Orlistatgruppe hingegen stieg das Gewicht sowohl unter Orlistat als auch unter Placebo wieder an, für Orlistat allerdings in geringerem Maße, so dass sich am Ende der Studie immer noch ein Vorteil von 2,4 kg für Orlistat ergab. Nach zwei Jahren wiesen 57,1 Prozent der durchgängig mit Orlistat behandelten Patienten einen Gewichtsverlust von mehr als 5 Prozent auf, während dies in der Placebogruppe nur bei 37,4 Prozent der Patienten der Fall war. Bei Therapie von Patienten mit Diabetes mellitus vom Typ 2 war die Gewichtsabnahme geringer als bei Nicht-Diabetikern (14). In Bezug auf mit kardiovaskulären Risiken korrelierende Laborparameter wurden statistisch signifikant insbesondere Gesamtcholesterol, LDL, LDL/HDL-Ratio und Nüchternblutzucker gesenkt (21). Andere kleinere Studien zeigen tendenziell ähnliche Ergebnisse (18). Wenn auch der Gesamtcholesterolspiegel in dieser Studie nicht gesenkt werden konnte, so stieg dieser aber im Gegensatz zur Placebogruppe zumindest nicht an.
Interessanterweise führten die gastrointestinalen Nebenwirkungen nicht zum Therapieabbruch und beeinflussten nicht maßgeblich die mittels Fragebogen ermittelte Lebensqualität. Sjöström et al. (21) beschreiben folgende über der Häufigkeit von Placebo liegende Nebenwirkungen von Orlistat im ersten Behandlungsjahr (Häufigkeit bei Orlistat versus Placebo): Gastrointestinale Nebenwirkungen mit fettigem/öligem Stuhl (31 versus 5 Prozent) als häufigste unerwünschte Wirkung. Außerdem traten Kopfschmerzen (6 versus 4 Prozent) als zentrale Nebenwirkung auf. Die Vitaminblutspiegel waren in zwei aufeinanderfolgenden Messungen gegenüber Placebo mit folgenden Häufigkeiten erniedrigt: Betacarotin (1,2 versus 0,3 Prozent), Vitamin D (5,1 versus 0,6 Prozent) und Vitamin E (4,6 versus 0,9 Prozent).
In einer von James et al. (22) publizierten Studie wurden zunächst für sechs Monate unter hypokalorischer Diät (600 kcal/Tag) 605 rekrutierte Patienten mit 10 mg/Tag Sibutramin behandelt. 467 (77 Prozent) von ihnen, die einen mehr als fünfprozentigen Gewichtsverlust aufwiesen, wurden für weitere 18 Monate in zwei Gruppen randomisiert. Während die erste Gruppe weiterhin 10 mg Sibutramin pro Tag enthielt, wurde die zweite mit Placebo behandelt. Falls wieder eine Gewichtszunahme auftrat, wurde die Dosis auf 20 mg täglich erhöht. Primäres Zielkriterium war dabei die Anzahl der Patienten nach Intention-to-treat-Auswertung, die am Ende des zweiten Jahres der Behandlung wenigstens 80 Prozent des Gewichtsverlustes zwischen dem Beginn der Studie (Baseline) und nach sechs Monaten halten konnten. Sekundäre Zielparameter war die Beeinflussung von Laborparametern. 89 der insgesamt 204 Patienten, die die Studie im Sibutramin-Behandlungsarm beendeten (Treated-per-protocol), konnten ihr erreichtes Gewicht halten. Allerdings brachen immerhin 148 Probanden (42 Prozent) die Therapie ab; unter Placebo waren es 58 (50 Prozent).
Der Gewichtsverlust unter Sibutramin über 12 Wochen war in einer klinischen Studie (23) mit dem durch das mittlerweile vom Markt genommene Dexfenfluramin vergleichbar (4,5 kg gegenüber 3,2 kg). Der Sibutramin-bedingte Gewichtsverlust ging auch mit einer Reduktion von Laborparametern einher. So sanken die Werte für Triglyceride, Gesamt- und LDL-Cholesterol. Die HDL-Cholesterolwerte stiegen an. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes wurde die Blutzuckerkontrolle verbessert. Nach sechs Monaten wurde eine maximale Gewichtsreduktion erreicht, die über weitere sechs Monate nahezu konstant blieb, zum Jahresende aber bereits eine Tendenz zum Wiederanstieg zeigte.
Wirth und Krause (24) untersuchten Patienten auch in einer intermittierenden Therapie, wobei Sibutramin nach jeweils sechswöchigen Unterbrechungen dreimal zwölf Wochen appliziert wurde. Die Nebenwirkungsrate und Therapieabbrüche waren bei intermittierender Gabe geringer als unter kontinuierlicher Therapie. Die Wirksamkeit hingegen schien bezogen auf die Gewichtsreduktion nicht signifikant verschieden zu sein.
Am 6. März 2002 ordnete das italienische Gesundheitsministerium den Vertriebstopp Sibutramin-haltiger Appetithemmer an, nachdem 50 Berichte über unerwünschte Wirkungen bekannt geworden waren, von denen zwei tödlich verliefen. Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegen zu diesem Zeitpunkt 74 Berichte über unerwünschte Wirkungen in Zusammenhang mit der Einnahme vor Sibutramin vor, darunter Herzrhythmusstörungen, Hypertonie und zentralnervöse Störungen. Todesfälle wurden jedoch bislang in der Bundesrepublik nicht beschrieben. In Deutschland ist deswegen ein Stufenplanverfahren der Stufe 1 (Informationsaustausch mit der Firma) eingeleitet worden (25).
In Studien wurden bislang folgende Nebenwirkungen (22) für Sibutramin beobachtet (Häufigkeit bei Sibutramin versus Placebo): Schlaflosigkeit (8 versus 3 Prozent), Übelkeit (7 versus 1 Prozent), Blutdruckanstieg (8 versus 3 Prozent) und Mundtrockenheit (9 versus 3 Prozent). 18 von 605 Patienten mussten die Studie wegen Blutdruckerhöhungen vorzeitig beenden. Der Mittelwert der Blutdruckanstiege belief sich auf 1,4 mmHg.
Wertende Zusammenfassung Zwar konnte eine zusätzliche Gewichtsabnahme durch eine Orlistattherapie bei hypokalorischer Diät gezeigt werden, das Gewicht stieg aber bei Umstellung auf eine eukalorische Diät noch unter Therapie wieder an. Bei Absetzen des Arzneimittels, für das bislang auf Grund der Datenlage eine maximal zweijährige Therapie empfohlen wird, ist mit einer Wiederzunahme des Körpergewichts bei fehlender Ernährungsumstellung zu rechnen. Die bislang durchgeführten Studien zeigen zwar neben einer Gewichtsreduktion auch ein Absinken von mit kardiovaskulären Risiken in Verbindung stehenden Laborparametern, bislang liegen aber keine Daten zu längerfristigen erwünschten oder unerwünschten Effekten vor. So ist auch eine Korrelation der Gewichtsabnahme durch Orlistat mit einer tatsächlichen Senkung der Morbidität oder Mortalität nicht nachgewiesen. Die erforderliche Reduktion der Nahrungsfette, um mögliche unerwünschte Effekte durch Orlistat zu vermeiden, trägt schon selbst in erheblichem Maße zur Reduktion der Fettaufnahme bei. Die insbesondere zu Beginn der Therapie oder bei unerlaubt hoher Fettzufuhr entstehenden Nebenwirkungen sind sehr häufig, zwar nicht gesundheitlich schwerwiegend, aber dennoch sehr unangenehm. Andererseits besteht dadurch ein durchaus sinnvoller Anreiz für den Patienten, eine Ernährungsumstellung einzuhalten. Orlistat beeinflusst keinerlei zentrale Neurotransmission, sondern wirkt nicht zuletzt durch seine sehr geringe Resorption hochselektiv auf gastrointestinale Lipasen. Deshalb wurden bislang - von Kopfschmerzen abgesehen - systemische, insbesondere kardiovaskuläre und neurologische Nebenwirkungen nicht beschrieben, die ursächlich auf Orlistat zurückgeführt werden konnten. Orlistat kann eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten zur Erzielung einer dauerhaften Gewichtsabnahme nicht ersetzen. Es kann aber den Wunsch des Patienten nach einer klinisch erprobten medikamentösen Unterstützung zur Ernährungsumstellung bei einem im Vergleich zu zentral wirksamen Appetitzüglern günstigerem Nebenwirkungsrisiko unterstützen.
¨Durch Sibutramin konnte eine zusätzliche Gewichtsabnahme bei Ernährungsumstellung erreicht werden. Auch für Sibutramin ist bei Absetzen des Arzneimittels mit einer Wiederzunahme des Körpergewichts bei fehlender Ernährungsumstellung zu rechnen. Auf Grund der Datenlange wird eine maximal einjährige Therapie empfohlen. Die bislang durchgeführten Studien zeigen neben einer Gewichtsreduktion auch ein Absinken von mit kardiovaskulären Risiken in Verbindung stehenden Laborparametern. Studien, die langfristig günstige Effekte auf Morbidität oder Mortalität belegen, sind derzeit nicht publiziert. Sibutramin wirkt zentral im Gehirn. In klinischen Studien war sehr häufig eine Erhöhung von Puls und Blutdruck zu beobachten. Gerade bei Patienten mit entsprechender Anamnese sollte deswegen die Indikation genau geprüft und eine eventuell durchgeführte Therapie besonders überwacht werden. Obwohl bislang keine Anzeichen für das Vorkommen einer pulmonalen Hypertonie oder von Herzklappenerkrankungen wie bei anderen zentralen Appetitzüglern bestehen, sollte der Patient über die nicht grundsätzlich auszuschließenden Risiken und die erforderliche ärztliche Überwachung eingehend informiert werden. Die Wechselwirkung mit zahlreichen Arzneistoffen ist zu beachten. Insbesondere sollte der Apotheker von der gleichzeitigen Einnahme von Sibutramin zusammen mit nicht verschreibungspflichtigen zentral wirksamen Erkältungsmitteln und Rhinologika abraten. Sibutramin kann eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten zur Erzielung einer dauerhaften Gewichtsabnahme nicht ersetzen. Die Marktrücknahme in Italien und die Einleitung eines Stufenplanverfahrens durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Grund des Anfangsverdachtes von schwerwiegenden kardiovaskulären und neurologischen unerwünschten Wirkungen, einschließlich von Todesfällen, sollten zu einer kritischen Beurteilung des Einsatzes von Sibutramin Anlass geben. Es ist im Einzelfall bei eingehender Information des Patienten, zu der Arzt und Apotheker verpflichtet sind, zu prüfen, ob in Abwägung des Nutzens und der Risiken ein therapeutischer Einsatz sinnvoll ist.
Literatur
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