Rundum gut versorgt |
25.06.2001 00:00 Uhr |
Der Bauplan des Menschen entsteht, ohne dass die Frau etwas davon mitbekommt. Dann arbeitet ihr Körper neun lange Schwangerschaftsmonate hindurch auf Hochtouren und vollbringt Spitzenleistungen. Hormone bringen den gesamten Organismus aus der Fassung. Da ist es nicht verwunderlich, dass es zu den einen oder anderen gesundheitlichen Umständen kommt. Der kleine Mensch meldet sein Kommen immer vehementer an. Manchmal sind es aber auch handfeste Erkrankungen, die Evas Erbe zur komplizierten Bürde machen. Arzneimittel sind nicht in jedem Fall indiziert. Schwanger sein - (k)ein Kinderspiel?
Mit der Medikamenteneinnahme scheinen es Schwangere nicht allzu genau zu nehmen. Nach einer Erhebung der Weltgesundheitsorganisation in 15 Ländern nehmen rund 80 Prozent aller schwangeren Frauen Arzneimittel ein. Das sind keineswegs nur Medikamente, die die Schwangere wegen einer Grunderkrankung dringend braucht wie Insuline oder Antiepileptika, sondern vor allem auch solche gegen Befindlichkeitsstörungen wie Sodbrennen oder Obstipation. Was kann der Apotheker tun? Angaben zu "Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit" in Packungsbeilagen und Fachinformationen sind oft wenig aussagekräftig. Informationen wie "kontraindiziert" oder "nur unter strenger Indikationsstellung anwendbar" helfen nur bedingt weiter. Ist es eine ernsthafte Warnung? Oder handelt es sich um eine bloße Vorsichtsmaßnahme des Herstellers, um sich der Produkthaftung zu entziehen? Sinnvoller wären Informationen, ob überhaupt keine Daten vorliegen oder ob es Hinweise auf bestimmte Schäden beim Feten gibt. Ebenso wichtig: Unter welchen Umständen und wie häufig treten diese auf?
Weiter hilft die ABDA-Datenbank, die zu fast jedem Fertigarzneimittel standardisierte S- und L-Sätze (S für Schwangerschaft und L für Laktation) aufführt. Diese enthalten Informationen zu Risiken, die bei der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit auftreten können. Auch die Rote Liste 2001 (Adressen und Telefonnummern im orangefarbenen Teil, S. 397 - 399) bietet Hilfe. Mehrere Beratungsstellen geben in Zweifelsfällen Auskunft, vor allem wenn es um die Frage geht, ob auf Grund der Einnahme eines Arzneimittels ein Abbruch der Schwangerschaft zu erwägen ist.
Das Risiko, dass das Ungeborene durch die Arzneimitteleinnahme der Mutter Schäden davon trägt, wird gemeinhin überschätzt. Nur etwa drei Prozent aller angeborenen Entwicklungsstörungen werden durch äußere Einflüsse verursacht. Ungleich häufiger als Medikamente sind Alkohol, Rauchen und Drogen für Missbildungen verantwortlich. Einer Umfrage in den USA zufolge trinken 60 Prozent der Schwangeren regelmäßig Alkohol, ein Drittel raucht und rund 15 Prozent nehmen Drogen. Genau lässt sich die Zahl der dadurch geschädigten Kinder nicht beziffern. Als schwerste Form alkoholbedingter Schäden gilt die Alkoholembryopathie. Und die hat mehr als ein Drittel jener Neugeborenen, deren Mütter in der Schwangerschaft regelmäßig zum Glas gegriffen hatten. Für Fehlbildungen sind zunehmend auch Modedrogen verantwortlich. So ist das Risiko für Entwicklungsstörungen bei Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft Ecstasy nehmen, um das Siebenfache erhöht.
Ob Arzneimittel in der Schwangerschaft eingesetzt werden können, muss von Fall zu Fall individuell entschieden werden. Dabei spielen auch das Schwangerschaftsstadium und die Schwere der Erkrankung eine Rolle. Denn eines ist klar: Gravierende Erkrankungen wie Asthma, Diabetes oder Infektionen müssen unter allen Umständen behandelt werden, weil sonst Mutter und Fetus wesentlich mehr gefährdet würden. Generell sollten nur solche Präparate zum Einsatz kommen, die schon seit vielen Jahren erprobt sind und als nicht embryo- oder fetotoxisch gelten. Monopräparate sind Kombinationsarzneimitteln vorzuziehen, da bei Letzteren die Risikoabschätzung besonders schwierig ist. Synergistische negative Effekte auf den Fetus sind nicht auszuschließen. Günstiger ist es, ein Präparat einzunehmen anstatt zu injizieren.
Blutentnahme statt Fruchtwasseruntersuchung
Eine Arbeitsgruppe der Universitätsfrauenklinik in Düsseldorf hat den Grundstein dafür gelegt, dass invasive Verfahren zur pränatalen Diagnostik vielleicht bald der Vergangenheit angehören. Methoden wie die Chorionzottenbiopsie oder die Fruchtwasserpunktion sind derzeit die einzige Möglichkeit, Erbschäden des Ungeborenen zweifelsfrei festzustellen. Das birgt jedoch Risiken: Der Embryo kann durch eine Infektion Schaden nehmen, und das Risiko, durch diesen Eingriff eine Fehlgeburt auszulösen, liegt bei 0,5 Prozent. Auf der Suche nach einem weniger belastenden, aber ähnlich zuverlässigen Verfahren ist das Forscherteam um Boris Tutschek fündig geworden (14). Es nutzte die Tatsache aus, dass fetale Zellen nicht nur im Fruchtwasser, sondern auch im mütterlichen Blutkreislauf zu finden sind. Nach der Blutentnahme haben die Wissenschaftler alle im mütterlichen Blut vorhandenen Zellen zum Wachstum angeregt und anschließend die fetalen Zellen identifiziert. Bisherige Methoden zielten auf das schwierige Unterfangen ab, die nur vereinzelt vorkommenden fetalen Zellen von vornherein zu isolieren.
Der Vermehrungs-Zwischenschritt brachte dem Forscherteam zahlreiche Zellhaufen, von dem jeder günstigstenfalls von einer Zelle stammt. Bei vier von zwölf untersuchten Frauen konnten die Analytiker Zellkolonien aufspüren, die nur aus fetalen Zellen zusammengesetzt waren. Um die Zellansammlungen des Embryos kenntlich zu machen, nutzten die Düsseldorfer charakteristische Teilstücke des vom Vater stammenden genetischen Materials. Jene Genabschnitte, die nicht den sonst doppelt vorhandenen genetischen Abdruck der Mutter aufweisen, sondern je einen der Mutter und einen des Vaters, müssen vom Kind stammen.
Das Nachweisverfahren wird komplizierter, wenn sich gemischte Zellkolonien gebildet haben, also solche mit fetalen und mütterlichen Genspuren. Das war bei Blutproben von fünf Müttern der Fall. Deshalb sind die Wissenschaftler derzeit daran, ihr Analysenprinzip zu modifizieren. Sie hoffen, mit der gezielten Anwendung von Wachstumsfaktoren fetale Zellen schneller vermehren lassen zu können.
Übelkeit ist kein übles Zeichen
Mehr als der Hälfte der werdenden Mütter stößt die Schwangerschaft in den ersten Monaten übel auf. Meistens ist der Spuk spätestens nach der 14. Woche vorbei. Übelkeit, häufig verbunden mit Erbrechen, ist ein Indiz für eine sich normal entwickelnde Schwangerschaft. Die Gründe für diese Unannehmlichkeiten sind nicht vollends geklärt. Es scheint jedoch ein Zusammenhang mit HCG (Human Chorion Gonadotropin) zu bestehen, das in der äußeren Hülle der Fruchtblase, dem Chorion, gebildet wird und die Ausschüttung von Progesteron ankurbelt. Ab dem zweiten Trimenon übernimmt die Plazenta die Aufgaben des HCG, welches nun allmählich absinkt. Das ist vermutlich der Grund, warum die Übelkeit etwa nach dieser Zeit nachlässt.
Obwohl Schwangerschaftserbrechen und HCG-Spiegel im Serum nicht korrelieren, kommt es bei Schwangerschaften mit erhöhter HCG-Produktion, zum Beispiel bei Zwillingen, häufiger zu diesen Symptomen. Dennoch bleibt die Frage: Warum leiden nicht alle schwangeren Frauen an Übelkeit? Das hat verschiedene Wissenschaftler auf den Plan gerufen zu prüfen, ob vielleicht Helicobacter pylori der Übeltäter sein könnte. Die Studienergebnisse erlauben keine definitiven Aussagen. Zwar leiden Frauen, die mit H. pylori infiziert sind, häufiger unter Übelkeit und Erbrechen als H.-pylori-seronegative Schwangere, trotzdem scheint der Magenkeim nicht der alleinige Grund allen Übels zu sein.
Da die Schwangerschaft meist morgens nach dem Aufstehen auf den Magen schlägt, soll es helfen, im Bett noch vor dem Aufstehen eine Kleinigkeit zu essen. Am besten schon abends vor dem Zubettgehen einen kleinen Snack vorbereiten, sei es ein Zwieback oder ein Apfel. Über den Tag verteilt mehrere kleine Mahlzeiten einnehmen. Bei häufigem Erbrechen ist reichlich Flüssigkeit zu trinken. Erst wenn das Übel stark ausgeprägt ist, sollten Antiemetika unter ärztlicher Überwachung zum Einsatz kommen. Mittel der Wahl ist Meclozin (zum Beispiel Peremesin®), dann Diphenhydramin (zum Beispiel Emesan®) und Dimenhydrinat (zum Beispiel Vomex®). Antihistaminika mit der Indikation Schwangerschaftserbrechen sind verschreibungspflichtig.
Schwangerschaft lähmt Magen und Darm
Auch die Speiseröhre reagiert besonders in den letzten Monaten vor der Entbindung ziemlich sauer auf den Nachwuchs. Grund: Zum einen wächst der Druck im Bauchraum, zum anderen lassen erhöhte Progesteron-Spiegel die glatte Muskulatur wie die des Sphinkters am unteren Ende der Speiseröhre erschlaffen, und der Mageninhalt schwappt ab und an in den Ösophagus. Zum Prophylaxeprogramm gehören: nach den Mahlzeiten nicht hinlegen, häufige kleinere Mahlzeiten, Säurelocker wie Kaffee, Schokolade und Alkohol meiden, das Kopfende des Bettes erhöhen, indem man einen Sitzkeil unter die Matratze legt.
Wenn das keine Erleichterung bringt, können Antacida kurzfristig über drei bis vier Wochen eingenommen werden. Sicherheitshalber auf aluminium- und natriumfreie Antacida (zum Beispiel Rennie®) zurückgreifen. Auch Magaldrat (zum Beispiel Gastripan®) und Hydrotalcit (zum Beispiel Talcid®), aus denen Aluminium nur in Spuren resorbiert wird, kommen in Frage. Bislang ist jedoch kein Fall bekannt, bei dem es durch die Einnahme von Aluminium-haltigen Antacida (zum Beispiel Maalox®) in der Schwangerschaft zu Veränderungen des Gehirns oder der Knochen bei den Feten gekommen wäre. Zwar führte die Gabe von Aluminiumsalzen im Tierversuch zu Veränderungen am Feten, aber die toxikologische Dosis lag um ein Vielfaches höher als die Mengen, die in der täglichen Praxis eingenommen werden. Anders liegt der Fall, wenn die werdende Mutter eine eingeschränkte Nierenfunktion hat; dann kann sich Aluminium im kindlichen Organismus schneller ablagern.
Aus mindestens zwei Gründen wandert während der Schwangerschaft die Nahrung langsamer durch den Verdauungstrakt: Erstens drängt der wachsende Uterus die Verdauungsorgane zur Seite, und zweitens bremst der spasmolytische Effekt des Progesterons die Magen-Darm-Peristaltik und -Entleerung. In der verlängerten Passagezeit werden vermehrt Wasser und Elektrolyte resorbiert. Das ist der Grund, warum die eine oder andere Schwangere auf dem stillen Örtchen Probleme hat. Was tun? Der Griff zu Abführmitteln sollte der letzte Schritt sein. Denn über die Ernährung mit ballaststoffreicher Kost und mindestens zwei Litern Flüssigkeit sowie Bewegung lässt sich eine Menge bewirken.
Führt auch das nicht zu den gewünschten Geschäften, kann man mit Quellstoffen wie Weizenkleie, Leinsamen und Indischem Flohsamen (zum Beispiel Metamucil®) nachhelfen. Auch osmotische Laxantien wie Lactulose (zum Beispiel Bifiteral®) und Lactose (zum Beispiel Hylak® N) dürfen in anderen Umständen angewandt werden. Glauber- und Bittersalz (Natrium- und Magnesiumsulfat) kommen zwar prinzipiell in Frage, sind aber bei Herz-Kreislauf- und Nierenkrankheiten kontraindiziert, da die vermehrte Resorption von Natrium- und Magnesiumionen die Patientin zusätzlich belastet. In den letzten Schwangerschaftswochen sollte Magnesiumsulfat tabu sein, weil es möglicherweise die Wehen hemmen könnte. Hartnäckige Fälle löst Bisacodyl (zum Beispiel Dulcolax®) peroral oder rektal. Es wird nur zu etwa 5 Prozent resorbiert. Anthrachinone sind nicht geeignet.
Vorsicht vor STORCH
Vor zahlreichen Infektionserregern sollten Schwangere auf der Hut sein, nämlich besonders vor solchen, die über die Plazenta oder bei der Geburt auf das Kind übertragen werden können. Komplikationen dieser Infektionen sind Abort, Früh- oder Totgeburt sowie irreversible Schäden des Kindes. Welche Infektionen sind relevant? Hier hilft die in der amerikanischen Literatur verwendete Abkürzung STORCH weiter: Syphilis, Toxoplasmose, Others wie Virushepatitis, Aids, Varizellen, Zoster und Listerien, Röteln, Cytomegalie, Herpes simplex.
Die STORCH-Vorsorge besteht darin, den Impfstatus möglichst vor einer Schwangerschaft checken und sich eventuell impfen zu lassen. Das gilt besonders für Röteln, Varizellen und Hepatitis B. Was die Toxoplasmose betrifft, sollte man spätestens zu Beginn der Schwangerschaft einen Bluttest auf Antikörper machen lassen. Leider übernehmen die Krankenkassen die Kosten nicht. Eine Gefahr für den Fetus besteht nur, wenn es sich um eine Erstinfektion der Mutter während der Gravidität handelt. Dann wird sofort antibiotisch behandelt. Um sich nicht zu infizieren, ist der Kontakt zu Katzenkot strikt zu vermeiden. Außerdem Vorsicht mit rohem Fleisch, nicht pasteurisierten Molkereiprodukten (Camembert, Brie, Edelschimmelkäse), rohen Eiern und kontaminierter Erde (an Obst und Gemüse).
Vielleicht könnte auch eines Tages eine Schluckimpfung noch im Mutterleib Infektionen des Kindes bei und nach der Geburt vorbeugen. Davon ist zumindest ein kanadisches Forscherteam überzeugt, nachdem ihre Experimente an Schafen erfolgreich verlaufen sind (5). Für die Immunisierung verwendeten sie modifiziertes Erbmaterial von Herpesviren, das sie mit einer Spezialnadel in das Maul von Schafsfeten spritzten. Eine einzige Injektion genügte, dass die Tiere nach der Geburt Antikörper gegen das Herpesvirus aufwiesen. Die Forscher sind der Meinung, dass diese Art der Impfung prinzipiell auch beim Menschen praktikabel sein könnte.
Candida nutzt die Labilität des vaginalen Ökosystems aus
Rund ein Drittel der schwangeren Frauen bekommt eine Vaginalmykose. Denn der Hefepilz Candida albicans schlägt besonders bei hormonellen Veränderungen zu. Befindet sich das Scheidenmilieu im schwach sauren Bereich, ist es gegenüber Krankheitserregern recht widerstandsfähig. Allerdings ist es leicht zu kippen. Die Zervixdrüsen arbeiten auf Hochtouren und sondern vermehrt Sekret ab. Der lokale pH-Wert klettert in die Höhe und verschiebt die Zusammensetzung der Bakterienflora. Grampositive Döderlein-Stäbchen werden weniger. Das nutzt C. albicans aus und sorgt für Brennen, Jucken, Rötung und gelblichen Ausfluss. Im zweiten und dritten Schwangerschaftsabschnitt macht Clotrimazol (zum Beispiel Gyno Canesten®) den Hefen den Garaus. In einer epidemiologischen Studie tat sich der Verdacht auf, dass die intravaginale Anwendung des Antimykotikums im ersten Trimenon die Abortrate steigern könnte. Deshalb sicherheitshalber die Therapie auf spätere Schwangerschaftsmonate verschieben. Auch bei Pilzinfektionen der Haut ist Clotrimazol der Arzneistoff der Wahl.
Erkältungsviren erwischen Schwangere eiskalt
Selbst wenn Schwangere Schniefnasen und heiseren Kehlen weitgehend aus dem Weg gehen, übermannen Erkältungsviren die eine oder andere doch. Leichteren Beschwerden kommt man gut mit nicht medikamentösen Maßnahmen bei, wie Wadenwickel bei erhöhter Temperatur, heiße Milch mit Honig gegen Halsschmerzen oder Rotlicht gegen eine verschnupfte Nase. Manchmal sind die Symptome aber für Mutter und Kind sehr belastend, so zum Beispiel wenn sich bei starkem Husten das Zerchfell heftig bewegt. Im ersten Trimenon sind nur Phytopharmaka geeignet, wie Hustentees oder -säfte mit Thymian (zum Beispiel Thymipin®) oder Efeu (zum Beispiel Prospan®). In der Schwangerschaft sind auch pflanzliche Arzneimittel mit Bedacht auszuwählen. Bekannte Gefahrenbeispiele: Huflattich-Drogen sind wegen ihres Gehaltes an Pyrrolizidinalkaloiden kontraindiziert, und Fenchelöl hat eine möglicherweise abortive Wirkung.
Im zweiten und dritten Schwangerschaftsabschnitt leisten dann die Mukolytika Ambroxol (zum Beispiel Mucosolvan®) und Acetylcystein (zum Beispiel Fluimucil®) gute Dienste. Hustenbonbons nehmen Reizhusten die Schärfe. Ist dieser dennoch unerträglich, können unter strenger ärztlicher Überwachung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel Clobutinol (zum Beispiel Silomat®) oder Dextromethorphan (zum Beispiel NeoTussan®) eingesetzt werden, Letzteres jedoch nicht kurz vor der Geburt, da sonst dem Neugeborenen Atemdepressionen drohen.
Schnupfennasen können Schwangere mit isotonischer Kochsalzlösung beruhigen. Eventuell kann auch das Einatmen von Pfefferminzlösung Linderung verschaffen. Hat die Schwangere die Nase voll von Erkältung, können abschwellende Nasentropfen (zum Beispiel Olynth®) empfohlen werden. Diese sind nur für kurze Zeit und wohldosiert gemäß der Packungsbeilage einzuträufeln.
Mitunter kommt die Schwangere nicht umhin, Analgetika einzunehmen. Bei gelegentlichen Schmerzen ist man während der gesamten neun Monate mit Paracetamol (zum Beispiel benuron®) in einer Dosierung von maximal 2000 mg täglich auf der sicheren Seite. Mittel der zweiten Wahl ist Acetylsalicylsäure. Im letzten Trimenon ist sie kontraindiziert, weil sich der Ductus arteriosus Botalli vorzeitig schließen und das Neugeborene bei der Geburt vermehrt zu Blutungen neigen könnte. Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure, wie sie zum Beispiel zur Präeklampsie-Prophylaxe eingesetzt wird, ist dennoch erlaubt.
Eine dritte Möglichkeit, Schmerzen zu kappen, bietet Ibuprofen, allerdings nur bis zum dritten Trimenon. Dann ist es aus denselben Gründen wie Acetylsalicylsäure kontraindiziert. Diese Nebenwirkung auf den Ductus arteriosus Botalli könnte Ibuprofen eine neue Indikation einbringen. Studien (15) haben ergeben, dass intravenös verabreichtes Ibuprofen das Leben von Frühgeborenen retten kann, weil es die häufig nach der Frühgeburt verbleibende Öffnung zwischen Lungen- und Hauptschlagader innerhalb 24 Stunden zu schließen vermag. Bisher ist Indometacin Mittel der Wahl. Ibuprofen ist ähnlich effektiv, hat jedoch ein geringeres Nebenwirkungsspektrum.
In der Schwangerschaft gut eingestellt
Ein Diabetes, der sich erstmals während der Schwangerschaft manifestiert, tut dies unauffällig. Indizien gibt es keine. Die werdende Mutter fühlt sich wohl, hat keine Beschwerden. Meist besteht lediglich eine postprandiale Hyperglykämie; sonst übliche klinische Symptome wie Durst, Polyurie und Gewichtsverlust kommen nicht vor. Trotzdem ist das Kind in Gefahr. Neben einer erhöhten Abortrate bringen Diabetikerinnen vermehrt (2 bis 3 Prozent) missgebildete Babys zur Welt. Frauen, die über 30 Jahre alt und adipös sind sowie bereits Fehl- oder Totgeburten hatten, sind häufiger betroffen. Das Problem: Die üblichen Untersuchungen per Harnteststreifen decken lediglich 2 Prozent der tatsächlichen 6 Prozent Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes auf. Weil sich die Glucose-Ausscheidung über die Nieren verändert, zeigt der Test zum Beispiel falsch positive Ergebnisse. Der Harnzucker kann aber auch in der Norm liegen, obwohl die Schwangere einen Diabetes hat.
Mehr Sicherheit verspricht der orale Glucosetoleranztest, der zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche empfohlen wird. In den USA wird er bei allen Schwangeren gemacht, in Deutschland wurde er bislang nicht in die Mutterschafts-Richtlinien aufgenommen und wird deshalb auch nicht von den Krankenkassen erstattet. Die Schwangere trinkt eine definierte Glucoselösung. Danach wird der Blutzucker bestimmt. Grenzwerte sind: nüchtern <90 mg/dl, nach 1 Stunde <165 mg/dl, nach 2 Stunden <145 mg/dl, nach 3 Stunden <125 mg/dl. Sind zwei oder mehr Blutzuckerwerte nach dem Glucosetrunk pathologisch, ist ein Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert. Ist bereits der Nüchternblutzucker erhöht, sind in der Regel Insulininjektionen erforderlich. Der Blutzucker muss streng kontrolliert werden. Orale Antidiabetika sind kontraindiziert, da sie teratogen wirken und anhaltende fetale Hypoglykämien setzen.
Eine zweite Erkrankung, bei der es einer guten Einstellung bedarf, ist die Präeklampsie. Etwa 5 bis 7 Prozent der Schwangeren entwickeln einen Bluthochdruck. Kommen nach der 20. Woche noch Proteinurie und Ödeme hinzu, ist das Beschwerdebild einer Präeklampsie (EPH-Gestose) komplett. Ihre eigentliche Ursache ist ungeklärt. Als Auslöser wird eine gestörte Interaktion zwischen dem mütterlichen Immunsystem und dem Fremdeiweiß des Feten diskutiert, so dass der Trophoblast als Hauptversorgungsorgan des Embryos ischämisch wird. Gewisse Teile des Mutterkuchens werden nicht durchblutet, das Kind wird unzureichend versorgt. 20 bis 30 Prozent aller Fehlgeburten gehen auf einen Bluthochdruck der Mutter zurück. Aber auch diese ist gefährdet: Sie kann zerebrale Krampfanfälle (Eklampsien) bekommen, Lunge und Herz können versagen. Hirnblutungen, Nieren- und Leberversagen werden als HELLP-Syndrom zusammengefasst.
Ein Blutdruck von 140/90 mmHg zeigt eine milde Präeklampsie an, Werte über 160/110 mmHg sprechen für eine schwere Ausprägung. Frauen mit Mehrlingsschwangerschaften, Blutgerinnungsstörungen oder Diabetes sowie Frauen, die früher einmal eine Nieren- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung durchgemacht haben, sind EPH-Gestose gefährdet. Ob 60 bis 80 mg Acetylsalicylsäure in jedem Fall vorbeugen, ist nicht gesichert.
Nicht mehr, sondern besser essen
Spätestens in der Schwangerschaft ist in punkto Ernährung Qualität statt Quantität angesagt. Denn das Baby zapft Energie- und Nährstoffvorräte an und holt sich alles, was es braucht, aus dem mütterlichen Blutkreislauf. In der Regel deckt eine vielseitige Ernährung das erforderliche Plus an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen ab; Substitutionspräparate sollten nur gezielt eingesetzt werden. Unter den Vitaminen sind es besonders die Vitamine A und D, von denen ein Risikopotenzial ausgeht. Überhöhte Dosen wirken embryotoxisch, Vitamin A zudem teratogen.
Das Tagessoll an Vitamin A liegt für Schwangere bei maximal 5000 I.E.; Leber und Leberwurst wegen ihres hohen Vitamin-A-Gehaltes am besten ganz streichen. Anfang des Jahres hat eine Mitteilung der Staatlichen Ernährungsberatung Bayerns für Unruhe gesorgt. Darin wurden Schwangere fälschlicherweise vor ACE-Getränken gewarnt. Es wurde der Eindruck erweckt, über diese Getränke könnten Schwangere zu viel des fettlöslichen Vitamin A aufnehmen. Tatsache ist, dass ACE-Getränke kein Vitamin A enthalten, sondern dessen Provitamin Betacaroten. Und das wird im Organismus bedarfsgerecht zu Vitamin A metabolisiert. Die sicherste Methode, sich mit Vitamin A ohne Risiko einer Überdosierung zu versorgen, ist daher der Weg über Betacaroten. Die werdende Mutter sollte auch darauf achten, nicht zu viel Vitamin D aufzunehmen. Das könnte einer Hypercalciämie sowohl bei ihr als auch bei ihrem Nachwuchs den Weg bereiten. Der Bedarf erhöht sich durch die anderen Umstände nicht, er beträgt rund 500 I.E. Vitamin D täglich.
Ein wichtiges Schwangeren-Vitamin ist die Folsäure. Deren Aufnahme ist in Deutschland ohnehin ein ungeliebtes Kind. Deshalb sollten Apotheker Frauen, die schwanger werden wollen oder geworden sind, Folsäure-Supplemente (zum Beispiel Folverlan®) empfehlen, und zwar 400 Mikrogramm täglich. Zum Vergleich: Diese Menge steckt in einem Ei plus 200 Gramm Spinat.
Auch mit der Tagesration einiger Mineralstoffe und Spurenelemente kann es kritisch werden. So nimmt sich der Fetus im Laufe der vierzig Schwangerschaftswochen rund 30 Gramm Calcium - eine Menge, die normalerweise ohne Probleme aus dem mütterlichen Depot mobilisiert wird. Dennoch lautet aus Sicherheitsgründen die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: Die Calciummenge sollte auf 1000 bis 1200 Milligramm pro Tag gesteigert werden. Das entspricht etwa 150 ml Milch plus eine Scheibe Käse plus eineinhalb Becher Jogurt. Wer keine Milchprodukte mag, kann auf Gemüsesorten wie Brokkoli, Fenchel und Lauch, calciumreiche Mineralwässer oder Nahrungsergänzungsmittel ausweichen, in denen das Kation in Form organischer Salze vorliegt (zum Beispiel Calcitrat®, Frubiase® Calcium, Calciretard®). Eine Substitution ist auch für Eisen anzuraten. Die Zunahme des mütterlichen Blutvolumens sowie Fetus und Plazenta fordern solche Mengen an Eisen ein, dass diese sich durch die Nahrung nicht wettmachen lassen; deshalb wird gespeichertes Eisen aus dem Hämoglobin der Mutter mobilisiert. Eine Eisensubstitution ist ab einem Hb-Wert um 10 g/dl zu empfehlen. Peroral einzunehmende Eisen-(II)-Präparate (zum Beispiel Ferrum Verla®) sind geeignet.
Auf der Substitutionsliste für Schwangere sollte auch Iodid stehen. Eine vermehrte Iodausscheidung im Urin, ein größeres Verteilungsvolumen durch Gewichtszunahme und der Iodbedarf des Ungeborenen lassen den Tagesbedarf an Iod auf 230 Mikrogramm anwachsen. Die fetale Schilddrüse kann ab der 10. Schwangerschaftswoche Iod speichern, ab der 14. Woche bildet sie selbst Schilddrüsenhormone. Um nicht in ein Ioddefizit zu rutschen, sind täglich 100 Mikrogramm Iodid (zum Beispiel Jodetten® 100 Henning) anzuraten; eine Iodsalz-reiche Ernährung reicht keinesfalls aus. Achtung: Häufige Seefischmahlzeiten, die reichlich Iod liefern, sind nach Angaben des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (3) während der Schwangerschaft nicht zu empfehlen, weil viele Fische stark mit Quecksilber belastet sind.
Hinweis: Schwangere mit Iodmangelkropf, die bereits vor der Schwangerschaft Levothyroxin eingenommen haben, sollten diese Therapie fortsetzen und zusätzlich Iodid einnehmen. Frauen, die schon vor Eintritt der Schwangerschaft an einer Schilddrüsenüberfunktion litten, sollten hingegen kein zusätzliches Iodid nehmen.
Literatur
Die Autorin
Elke Wolf studierte Pharmazie in Frankfurt. Die Approbation als Apothekerin erfolgte 1995 im Anschluss an das praktische Jahr in der Apotheke Esser in Rödermark/Hessen und in der pharmazeutischen Industrie bei der damaligen Sandoz AG in Nürnberg. Nach einem Praktikum während des Studiums und einem Volontariat bei der Pharmazeutischen Zeitung ist sie seit 1997 als freie Journalistin tätig. Die PZ-Leser kennen Frau Wolf seither als Autorin zahlreicher spannender Titelbeiträge.
Anschrift der Verfasserin:
Elke Wolf
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