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Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure auch bei Fieberbehandlung belegt

15.11.2005  11:44 Uhr

Aspirin-Studie

Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure auch bei Fieberbehandlung belegt

von Michael Völker1, Leverkusen, und Hartmut Morck2, Marburg

 

1) Bayer HealthCare AG Leverkusen, 2) Fachbereich Pharmazie Philipps-Universität Marburg, 3) in der Studie wurde Aspirin® eingesetzt

 

In einer internationalen, randomisierten, placebokontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure3 und Paracetamol in der Selbstmedikation bei akutem Fieber vergleichend untersucht. Es erwies sich, dass beide Vertreter, die in der Selbstmedikation häufig eingesetzt werden, gleichwertig in ihrer Wirksamkeit sind.

 

Im Durchschnitt bekommen Erwachsene ein- bis zweimal im Jahr eine Erkältung. Sie hält in der Regel mindestens eine Woche an. Die Erkältung entsteht meist durch eine Virusinfektion der oberen Atemwege und äußert sich in Symptomen wie Fieber, Halsschmerzen, Schnupfen, allgemeiner Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Glieder- und Muskelschmerzen, Antriebslosigkeit und Husten sowie allgemein gesteigerter Schmerzempfindlichkeit. Eine ursächliche Behandlung der Virusinfektion ist nach heutigem Stand noch immer nicht möglich, so dass nur die Erkältungssymptome therapeutisch gelindert werden können.

 

Vielfach greifen die Patienten dabei zu apothekenpflichtigen Mitteln der Selbstmedikation, wie Acetylsalicylsäure (zum Beispiel Aspirin®) oder Paracetamol (zum Beispiel Benuron®). Dabei lassen sich Verhaltensmuster beobachten, die sich wissenschaftlich nicht begründen lassen. Bei Symptomen ohne Fieber wird von den Patienten mehr Acetylsalicylsäure eingesetzt. Wird die Erkältung mit Fieber begleitet, greifen viele zu Paracetamol. Versucht man dieses Verhalten durch eine Literaturrecherche wissenschaftlich zu untermauern, gelingt das nicht. Fragt man den Patienten, warum er in der Selbstmedikation beim Fieber eher Paracetamol einsetzt, gibt er eine plausible Antwort, die sich allerdings aus der Empirie ableitet.

Da im Säuglings- und Kindesalter sehr häufig die Erkältung mit Fieber verbunden ist, Kinder aber nicht gerne Tabletten schlucken, greifen die Eltern in der Regel zu Paracetamol-Zäpfchen, die natürlich auch zur Fiebersenkung führen. Diese Erfahrungen werden von den Eltern auf spätere Jahre übertragen und die Kinder übernehmen diese Tradition. Wenn die Kinder später Eltern werden, wird wie selbstverständlich Fieber mit Paracetamol behandelt. Will man die Gleichwertigkeit von Acetylsalicylsäure und Paracetamol bei der Therapie von Fieber belegen, kann das nur in einer entsprechenden Vergleichsstudie geschehen. Sie wurde kürzlich durchgeführt und veröffentlicht und wird im Folgenden gekürzt vorgestellt.

 

Vergleichende Studie mit Acetylsalicylsäure und Paracetamol

 

In dieser internationalen Studie wurde die Wirksamkeit von jeweils einer Tablette (entsprechend 500 mg Wirkstoff) und zwei Tabletten (entsprechend 1000 mg Wirkstoff) von Acetylsalicylsäure und Paracetamol mit Placebo verglichen (1). Untersucht wurden erwachsene Patienten mit fiebrigen nicht bakteriellen Infektionen der oberen Atmungsorgane und einer sublingualen Körpertemperatur von mindestens 38,5 °C. Die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Parallelgruppen-Studie wurde in sieben Kliniken in Moskau (Russland) und in zehn Kliniken in Kiew und Lugansk (Ukraine) gemäß den Leitlinien für Good Clinical Practice (GCP) und der International Conference on Harmonisation (ICH) durchgeführt. Die Patienten wurden entweder mit 500 mg Acetylsalicylsäure, 1000 mg Acetylsalicylsäure, 500 mg Paracetamol, 1000 mg Paracetamol oder Placebo behandelt. Die Körpertemperatur wurde in einem Zeitraum von 0,5 bis 6 Stunden nach Einnahme der Prüfmedikation gemessen; in den ersten vier Stunden im halbstündigen Abstand, danach bis zur sechsten Stunde im Abstand von jeweils einer Stunde. Primäres Zielkriterium war die Änderung der Fläche unter der Kurve (AUC, area under the curve) der Körpertemperatur für den Zeitraum bis vier Stunden. Symptome der fiebrigen Infektion (Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen, Nasennebenhöhlenempfindlichkeit und fiebriges Unwohlsein) wurden zu den Zeitpunkten 2, 4 und 6 Stunden abgefragt.

 

Ursprünglich war vorgesehen, insgesamt 450 Patienten zu behandeln. Da die Wirksamkeit der Prüfmedikation in der Studie aber bereits frühzeitig aufgezeigt werden konnte, wurde von einem unabhängigen Datenmonitoring-Komitee (IDMC, Independent Data Monitoring Committee) nach Zwischenanalysen entschieden, die Studie bereits nach 392 Patienten zu beenden. In den einzelnen Studienarmen wurden entweder 78 oder 79 Patienten behandelt.

 

Fiebersenkung

 

Die durchschnittliche Körpertemperatur vor der Behandlung betrug zwischen 38,8 und 39,1 °C. In Abbildung 1 [nur in der Druck-Ausgabe] ist der Verlauf der sublingualen Körpertemperatur im Beobachtungszeitraum von 0 bis 6 Stunden abgebildet. Es ist erkennbar, dass die Patienten mit aktiver Behandlung eine deutliche Reduktion der Temperatur erfuhren, während in der Placebogruppe nur eine vernachlässigbare und klinisch irrelevante Verringerung des Fiebers zu konstatieren ist. Die Patienten, die mit der höheren Dosierung (1000 mg beziehungsweise zwei Tabletten) behandelt wurden, hatten durchweg eine stärkere Reduktion des Fiebers als die Patienten, die mit der niedrigeren Dosierung (eine Tablette zu 500 mg) behandelt wurden.

 

Die zeitpunktspezifischen Mittelwerte des Verlaufs der Temperaturreduktion sind in Abbildung 2 [nur in der Druck-Ausgabe] grafisch festgehalten. Diese Darstellung berücksichtigt die wenn auch geringen Unterschiede der Körpertemperatur zu Beginn des Beobachtungszeitraums unmittelbar vor Einnahme der Studienmedikation. Generell ist zu konstatieren, dass die beiden alternativen Behandlungsmöglichkeiten Acetylsalicylsäure und Paracetamol bei den äquivalenten Dosierungen von 500 und 1000 mg beziehungsweise einer und zwei Tabletten keinen Unterschied aufzeigten.

Statistisch signifikant belegt wurde dieser Befund durch das primäre Zielkriterium der Studie. Die AUC der Fieberkurven für den Zeitraum von 0 bis 4 Stunden nach Einnahme der Prüfmedikation für 500 mg und 1000 mg Acetylsalicylsäure und Paracetamol unterschieden sich signifikant (p< 0,001 für alle Behandlungen) von Placebo (Abbildung 3 [nur in der Druck-Ausgabe]). Beide 1000-mg-Dosierungen waren den 500-mg-Dosierungen signifikant überlegen (p<0,001). Die Nicht-Unterlegenheit von 500 und 1000 mg Acetylsalicylsäure gegenüber 500 und 1000 mg Paracetamol wurde mit einer statistischen Signifikanz von p<0,008 beziehungsweise p<0,004 aufgezeigt.

 

Die unabhängig vom Zeitpunkt gemessenen mittleren maximalen Temperaturdifferenzen zwischen Basiswert und niedrigster Temperatur im Behandlungszeitraum waren dosisabhängig und betrugen je 1,7 °C für 1000 mg und je 1,3 °C für 500 mg Acetylsalicylsäure und Paracetamol, aber nur 0,6 °C für Placebo. In der Tabelle [nur in der Druck-Ausgabe] sind ergänzend noch die mittleren Zeiten bis zum Erreichen dieser maximalen Temperaturreduktion aufgelistet. Während die Behandlung mit 500 mg Paracetamol und Acetylsalicylsäure nach 154 beziehungsweise 159 Minuten, und die Behandlung mit 1000 mg Acetylsalicylsäure nach 174 Minuten zum mittleren maximalen Effekt führte, benötigte die Behandlung mit 1000 mg Paracetamol 213 Minuten.

 

Reduktion der Symptome und Häufigkeit unerwünschter Nebenwirkungen

 

Alle aktiven Behandlungen zeigten weiterhin eine signifikante Verringerung der Symptome Kopfschmerz, Muskel- und Gliederschmerzen und fiebriges Unwohlsein. Die Symptome Halsschmerzen und Nasennebenhöhlenempfindlichkeit wurden nicht statistisch signifikant gelindert. Allerdings waren diese beiden Symptome zu Beginn auch nicht so intensiv vertreten. Der Prozentsatz der unerwünschten Ereignisse und der unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter der Behandlung mit Acetylsalicylsäure und Paracetamol war bei beiden Dosierungen vergleichbar. Der prozentuale Anteil der Patienten lag in den Gruppen mit 500 mg unterhalb und in den Gruppen mit 1000 mg oberhalb der Placeborate. Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht festgestellt.

 

Schlussfolgerung

 

Die vorliegende Studie belegt, dass die beiden meist angewandten Vertreter in der Selbstmedikation bei Fieber und Symptomen von nicht bakteriellen Infektionen der oberen Atmungsorgane, Acetylsalicylsäure und Paracetamol, in Einmaldosen von 500 und 1000 mg gleichwertig in ihrer Wirksamkeit sind. Sie weisen auch keine Unterschiede in der Sicherheit und Verträglichkeit auf. Die beiden äquivalenten Dosierungen von jeweils 500 mg Acetylsalicylsäure und Paracetamol und jeweils 1000 mg Acetylsalicylsäure und Paracetamol waren in allen Prüfkriterien identisch und zeigten jeweils signifikant für den Äquivalenzvergleich keine Unterlegenheit. Die Wirkung einer einmaligen Gabe hält über einen Zeitraum von vier bis sechs Stunden an und entspricht damit den Dosierungsempfehlungen. Die allgemein verbreitete Meinung, dass Paracetamol in seiner antipyretischen Potenz der Acetylsalicylsäure überlegen ist, wurde hiermit nicht bestätigt und bedarf der Korrektur.

Literatur

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Bachert, C., et al., Aspirin Compared with Acetaminophen in the Treatment of Fever and Other Symptoms of Upper Respiratory Tract Infection in Adults: A Multicenter, Randomized, Double-Blind, Double-Dummy, Placebo-Controlled, Parallel-Goup, Single-Dose, 6-Hour Dose-Ranging Study. Clinical Therapeutics 27 (2005) 993-1003.

 

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