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Alglucerase zur Behandlung des Morbus Gaucher

28.10.1996  00:00 Uhr

-Pharmazie

  Govi-Verlag

Alglucerase zur Behandlung des Morbus Gaucher
Serie Neue Arzneistoffe

  Morbus Gaucher oder Glycosylcerebrosidlipidose ist eine seltene familiäre Lipidspeicherkrankheit mit einer Akkumulation von abnormen Glucocorebrosiden im retikuloendothelialen System (RES). Von den in Deutschland vermuteten 4000 Patienten sind weniger als 200 bekannt. Als Symptome stehen Hepatosplenomegalie (Leber- und Milzvergrößerung) mit Thrombozytopenie, Verfärbung der Haut, Knochenläsionen und Anämie im Vordergrund.

Als Ursache der Erkrankung wird ein Defekt des lysosomalen Enzyms Glucocerebrosidase angenommen, das normalerweise Glucocerebroside zu Glucose und Ceramid abbaut. Die Erkrankung wird autosomal rezessiv vererbt und führt meist schon in der frühen Kindheit zu klinischen Symptomen. Als charakteristische Befunde lassen sich Anhäufungen von Glucocerebrosiden in den Retikuloendothelzellen von Milz, Leber, Lymphknoten und dem Knochenmark nachweisen. Die Zellen weisen eine unterschiedliche Form auf und besitzen einen oder mehrere exzentrisch angeordnete Kerne (Gaucher-Zellen).

Die bisherigen Therapieansätze beim Morbus Gaucher beschränkten sich auf eine symptomatische Behandlung wie die Splenektomie zur Besserung der Symptome eines Hypersplenismus sowie bei schwer betroffenen Patienten auf Leber- und Knochenmarkstransplantationen. Seit Januar 1995 steht Alglucerase, eine modifizierte Form der nativen Glucocerebrosidase, zur Dauersubstitutionsbehandlung bei Patienten mit gesicherter Diagnose des Morbus Gaucher Typ I zur Verfügung. Die neurologischen Komplikationen bei den sehr seltenen Typen II und III können durch Alglucerase kaum beeinflußt werden, da das Enzym die Blut-Hirn-Schranke nur unzureichend passiert.

Die Dosierung erfolgt nach der klinischen Symptomatik mit Einstiegsdosen bis zu 60 E/kg KG alle zwei Wochen (entspricht 120 E/kg KG pro Monat). Klinische Studien belegen eine gute Verträglichkeit und Wirksamkeit der Alglucerase mit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität der Patienten. Da allerdings bei hochdosierter Gabe (60 E/kg KG alle zwei Wochen) die Mannoserezeptoren für Alglucerase auf den Makrophagen schnell gesättigt sind und das Enzym eine Halbwertzeit von maximal zehn Minuten besitzt, wird alternativ zur Hochdosistherapie je nach Schweregrad der Erkrankung und Ansprechen des Patienten eine Hochfrequenz-Niedrigdosistherapie (2,3 E/kg dreimal wöchentlich, entspricht 28 E/kg KG pro Monat) empfohlen.

Alglucerase stellt als Kausaltherapie des Morbus Gaucher eine echte Innovation dar. Aufgrund des extrem hohen Bedarfs an Placenta zur Gewinnung der Substanz wurde die Expression des Glucocerebrosidase-Gens in Ovarzellen des chinesischen Hamsters forciert. Das rekombinante Produkt Imiglucerase ist äquipotent zur Alglucerase, HCG-frei und wird aufgrund seiner besseren Verfügbarkeit zunehmend das Placentapräparat ersetzen. Imiglucerase von der Firma Genzyme ist derzeit nur in den USA zugelassen und verkehrsfähig. Die europäische Zulassung im zentralen Verfahren (EMEA) soll noch in diesem Jahr beantragt werden.

Für einen 60 kg schweren Patienten entstehen beim Einsatz der geringsten Einstiegsdosis von 30 IU Alglucerase/kg KG alle zwei Wochen jährliche Therapiekosten von etwa 500 000 DM (circa 11 DM/IU bei 60 kg KG). Da das Präparat das bisher einzige kausaltherapeutische Konzept zur Behandlung des Morbus Gaucher ist, kann der Einsatz bei gesicherter Diagnose nicht kontrovers diskutiert werden, wohl aber die Kosten aufgrund der Arzneimittelpreisverordnung.

PZ-Artikel von Barbara Peruche und Martin Schulz, Eschborn    

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