Simvastatin-20-mg-Präparate im Vergleich |
01.08.2006 11:32 Uhr |
Simvastatin-20-mg-Präparate im Vergleich
von Astrid Kaunzinger, Elke Schmitt, Petra Grötsch und Manfred Schubert-Zsilavecz
Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) hat 34 Simvastatin-Präparate verglichen und sie auf ihre pharmazeutische Qualität geprüft. Im Rahmen dieser Reihenuntersuchung wurden die Gleichförmigkeit der Masse, der Gehalt und das In-vitro-Freisetzungsverhalten beurteilt.
Statine gelten als Mittel der Wahl zur medikamentösen Cholesterolsenkung bei Patienten mit Hypercholesterolämie und/oder Koronarer Herzkrankheit. Durch Blockade des Umbaus von HMG-CoA zu Mevalonsäure hemmen Statine einen frühen Schritt der Cholesterolbiosynthese. In großen Studien konnte belegt werden, dass die Therapie mit HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (CSE-Hemmern) zu weniger Myokardinfarkten und Schlaganfällen sowie zu einer Reduktion der Koronar- und Gesamtmortalität führen (1-6). Die Statine repräsentieren die umsatzstärkste Gruppe der lipidsenkenden Arzneimittel.
Gegenstand dieser Reihenuntersuchung ist der Wirkstoff Simvastatin, dessen Patentschutz 2003 abgelaufen ist. Als Prodrug wird das inaktive Lacton, (Butansäure, 2,2-dimethyl-,1,2,3,7,8,8a-hexahydro-3,7-dimethyl-8-(2-(tetrahydro-4-hydroxy-6-oxo-2H-pyran-2-yl)-ethyl)-1-naphthalenylester, (1S-(1α,3α,7β,8β(2S*,4S*),-8αβ)), in der Leber in die ringoffene aktive Form (Hydroxysäure) überführt. Simvastatin ist ein spezifischer Hemmstoff des Schlüsselenzyms der Cholesterolsynthese, der HMG-CoA-Reduktase.
Material und Methoden
Tabelle 1 (nur in der Druckausgabe, Seite 30) listet die in die Untersuchung einbezogenen Fertigarzneimittel auf. Es handelt sich in allen Fällen um Filmtabletten mit einem nominellen Simvastatingehalt von 20 mg. Alle Präparate wurden über den pharmazeutischen Fachhandel bezogen.
Die Untersuchungen wurden nach der Monographie für »Simvastatin Tablets« des Amerikanischen Arzneibuches (USP28) unter Berücksichtigung des Europäischen Arzneibuches (Ph.Eur. 5.00) durchgeführt. Die Präparate wurden hinsichtlich folgender Prüfpunkte untersucht:
Gleichförmigkeit der Masse,
Gehalt
In-vitro-Freisetzungsverhalten
Alle Prüfungen erfolgten vor Ablauf der Verwendbarkeitsfrist.
Gleichförmigkeit der Masse
Die Bestimmung erfolgte gemäß Europäischem Arzneibuch (Ph.Eur. 5.00, Ziffer 2.9.5, »Gleichförmigkeit der Masse einzeldosierter Arzneiformen«). Hierzu wurde durch Wägung 20 einzelner Tabletten die prozentuale Standardabweichung jeder einzelnen Darreichungsform vom Mittelwert ermittelt. Alle untersuchten Präparate erfüllten das Akzeptanzkriterium (für Filmtabletten mit einer Durchschnittsmasse von mehr als 80 und weniger als 250 mg: maximal zwei Einzelwerte mit einer Standardabweichung von ≥ 7.5 Prozent, für Filmtabletten mit einer Durchschnittsmasse von mehr als 250 mg: maximal zwei Einzelwerte mit einer Standardabweichung von ≥ 5 Prozent). Alle untersuchten Präparate entsprachen der Prüfung.
Gehaltsprüfung
Die Gehaltsbestimmung wurde nach der Monographie »Simvastatin Tablets« der USP 28 durchgeführt. Der Arzneistoff wurde mittels HPLC unter Verwendung eines Fließmittelsystems aus Phosphatpuffer und Acetonitril an C18-Material als stationärer Phase quantifiziert. Mit isokratischer Elution wurde bei 45°C Säulentemperatur die Absorption der Proben bei 238 nm gegenüber Referenzstandard gemessen. Hierbei wurden die Akzeptanzkriterien von 90,0 bis 110,0 Prozent des deklarierten Gehalts, die in der USP 28 vorgeschrieben sind, von allen getesteten Produkten eingehalten. Alle Messwerte lagen in einem Bereich zwischen 91,2 und 99,6 Prozent des deklarierten Wertes (siehe auch Diskussion der Ergebnisse und Tabelle 2, nur in der Druckausgabe, Seite 34).
In-vitro-Freisetzung
Die In-vitro-Freisetzung wurde nach den Vorgaben der Monographie für Simvastatin Tablets der USP 28, in der Paddle-Apparatur (n = 6) durchgeführt. Entsprechend den Anforderungen, darf die freigesetzte Wirkstoffmenge im Puffermedium (pH 7) nach 30 Minuten 75 Prozent der Deklaration nicht unterschreiten. Die Agitation betrug 50 Umdrehungen pro Minute. Die Quantifizierung von Simvastatin aus der In-vitro-Freisetzung erfolgte nach Probenaufarbeitung photometrisch durch Messung der Absorptionsdifferenzen bei 247 nm und 257 nm. Als Vergleichslösung diente eine analog aufgearbeitete Simvastatin-Referenzstandardlösung. Alle Lösungen wurden gegen den Blindwert korrigiert. Zur Erstellung eines Freisetzungsprofils wurden nach 15, 30 und 45 min Proben gezogen und deren Wirkstoffgehalt bestimmt. Nach 30 min wurden Wirkstoffgehalte zwischen 87,0 und 99,5 Prozent der Deklaration bestimmt. Damit erfüllten alle Arzneimittel die Anforderungen der USP 32 (Messwerte siehe Tabelle 2, Seite 34, und Abbildung 1a bis 1c, Seite 32 - nur in der Druckausgabe).
Diskussion der Ergebnisse
Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker hat als unabhängige Instanz den satzungsgemäßen Auftrag, einen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leisten. In den vergleichenden Untersuchungen richtet sich das ZL nach den Vorgaben geltender Arzneibücher, da deren Methoden als valide zu betrachten sind. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass die in den Pharmakopöen veröffentlichten Verfahrensweisen häufig von den herstellerspezifischen Methoden in der Zulassung abweichen.
Die Hersteller der geprüften Produkte wurden vor der Publikation und unter Vorgabe einer Widerspruchsfrist von den Ergebnissen unterrichtet. Zahlreiche Hersteller erhoben Einspruch bezüglich der Publikation, vor allem der laut Herstelleraussagen zu niedrigen Gehaltswerte.
Die Untersuchungen zeigen, dass alle Präparate die in den Arzneibüchern gestellten Anforderungen erfüllten. Die »echten« Wirkstoffgehalte liegen wahrscheinlich etwas höher als hier angegeben. Die analytischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die geprüften Simvastatinpräparate eine vergleichbare Qualität aufweisen. Dies zeigt erneut den hohen technologischen Standard bei der Herstellung dieser Arzneimittel und ebenso die sehr gute pharmazeutische Qualität von in deutschen Apotheken erhältlichen Simvastatin-Präparaten.
Zu niedrige Gehalte durch fehlerhafte Monographie?
Da sowohl im Europäischen Arzneibuch als auch in der Britischen Pharmakopöe nur Monographien für den Reinstoff Simvastatin beschrieben sind, wurde für die 2005 erfolgte Reihenuntersuchung zu Simvastatin-20 mg-Präparaten nach Monographie der USP 28 für »Simvastatin Tablets« aufgearbeitet und untersucht. Für alle geprüften Präparate wurden dabei Gehalte innerhalb der Spezifikationsgrenzen von 90,0 bis 110,0 Prozent des deklarierten Wertes ermittelt. Allerdings lagen diese Wirkstoffkonzentrationen deutlich unter denen, die durch firmeneigene Nachuntersuchungen an den entsprechenden Chargen bestimmt wurden. Wir haben die Schreiben der Hersteller zum Anlass genommen, weiterführende Prüfungen in unserem Labor durchzuführen.
Ein möglicher Mindergehalt ließe sich zum Beispiel auf unzureichende Extraktion oder Instabilität der Probe zurückführen, gegebenenfalls wäre sogar das chromatographische System zu überprüfen. Mangelnde Extraktion könnte hierbei durch ein ungeeignetes Extraktionsmittel hervorgerufen worden sein (ungeeigneten pH-Wert, Salzkonzentration et cetera) oder durch eine nicht ausreichende Extraktionszeit. Um einen solchen »Fehler« in der verwendeten USP-Monographie auszuschließen, wurden zunächst die verschiedenen Aufarbeitungsmöglichkeiten in den Arzneibüchern verglichen. Für die unter Prüfpunkt »Gehalt« des Reinstoffs beschriebene Lösungsmittelmischung wird sowohl im Ph.Eur. als auch in der BP eine Lösung aus Phosphatpuffer (pH 4) und Acetonitril (40:60) verwendet. Die USP sieht in ihrer Wirkstoffmonographie ebenfalls als »Diluting solution« Phosphatpuffer und Acetonitril (hier: 60:40) vor, verwendet aber in der Monographie für »Simvastatin Tablets« eine Mischung aus verdünnter Essigsäure (mit NaOH auf pH 4 eingestellt) und Acetonitril (20:80) zur Extraktion des Simvastatins. Die Elution erfolgt isokratisch bei 45°C, während in BP und Ph.Eur. Gradientenelution bei RT anzuwenden ist.
Anhand einer reellen Probe wurde überprüft, ob Temperatureinstellung und die unterschiedliche Lösungsmittelzusammensetzung einen Einfluss auf den resultierenden Simvastatingehalt haben. Die Probe wurde in Dreifachbestimmung nach Ph.Eur. und nach USP extrahiert. Die Messungen erfolgten an zwei verschiedenen HPLC-Systemen, mit den jeweiligen Fließmitteln und Gradientenprogrammen, der Vergleichbarkeit halber an C18-Trennsäulen gleicher Dimension und Charge, bei RT und 45°C. Alle Proben wurden innerhalb von 12 Stunden aufgearbeitet und vermessen. Jede Probe wurde doppelt injiziert. In allen Fällen wurden mit der Extraktion nach Ph.Eur. höhere Gehalte ermittelt. Die niedrigsten Werte resultierten bei Verwendung der in der USP-Monographie angegebenen 45°C-Einstellung des Säulenofens.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei Verwendung des in der USP-Monographie für Simvastatin Tablets angegebenen Extraktionsmittels tatsächlich niedrigere Gehalte resultieren als bei Verwendung des in den Rohstoff-Monographien der Ph.Eur und des BP angegebenen Lösungsmittelgemisches. Wir haben diese Erkenntnisse berücksichtigt und möchten sie hier angemessen hervorheben. Die USP ist bereits von den Ergebnissen in Kenntnis gesetzt worden.
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Für die Verfasser:
Dr. Astrid Kaunzinger
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker
Carl-Mannich-Straße 20
65760 Eschborn
Telefon (0 61 96) 9 37-50
Fax (0 61 96) 481 199