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Pharmazeutische Dienstleistungen

»Historischer« Schritt für die Apotheker

Dass die pharmazeutischen Dienstleistungen in der Regelversorgung angekommen sind, hält ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz für »historisch«. Beim Deutschen Apothekertag in München benannte Schmitz aber auch Bereiche, in denen es für die Apotheker nicht ganz so gut gelaufen ist.
Annette Rößler
15.09.2022  08:00 Uhr

»Ich gehe mit dem Etikett ›historisch‹ wirklich zurückhaltend um, aber dieses Ereignis darf für den Berufsstand mit Fug und Recht als historisch bezeichnet werden«, sagte Schmitz über die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen als Regelleistung. Sie war aus apothekerlicher Sicht sicherlich das Highlight des vergangenen Jahres, auf das der ABDA-Hauptgeschäftsführer in seiner Rede zurückblickte. Bekanntlich war auch dieses Jahr aber zunächst vor allem geprägt von der Covid-19-Pandemie.

Mit der Organisation der Impfstofflieferungen, dem Ausstellen der Impfzertifikate und der Durchführung von Antigentests zählte Schmitz einige der Leistungen der Apotheken in der Pandemiebekämpfung auf. Insgesamt sei der Umgang mit der Pandemie als Beleg für die Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit der Apotheken mit ihren Teams zu sehen. Hierin liege allerdings auch ein Risiko: »Gerade weil die Arbeit in den Apotheken so routiniert und damit lautlos erfolgt, läuft sie Gefahr, nicht hinreichend wahrgenommen zu werden.«

Honorar erhöhen statt kürzen

Denn »der Dank für die Leistungen in der Pandemiebekämpfung darf nicht die Kürzung des Honorars sein«, sagte Schmitz mit Blick auf die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgesehene Erhöhung des Apothekenabschlags. Diese sei eine der einfachsten Stellschrauben, die die Regierung zur Kostenreduzireung habe. »Einfach ist aber nicht immer besonders gut und hier ist es genau das Gegenteil: besonders schlecht.« Die Apothekerschaft sei in den vergangenen Jahren an ihre Belastungsgrenze gegangen, auch um zur Bewältigung der Coronakrise beizutragen. Gleichzeitig solle sie für die Zukunft gestärkt werden. Das passe nicht zusammen.

Die öffentlichen Apotheken seien mitnichten die Kostentreiber im Gesundheitswesen: Zwischen 2005 und 2021 sei ihr Anteil an den Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von 2,8 auf 1,9 Prozent gesunken. Die Kosten der Apotheken haben dagegen eine gegenläufige Entwicklung genommen. Es bleibe kein Spielraum für Kürzungen, betonte Schmitz. Das Honorar müsse vielmehr erhöht statt gesenkt werden.

»Der größte Teil der Arbeit ist aber vor Ort zu leisten«

Dies gilt umso mehr, als die Apotheker an sich selbst und ihren Beitrag zur optimalen Versorgung ihrer Patienten hohe Ansprüche stellen, die sie im Perspektivpapier »Apotheke 2030« formuliert haben. Dessen überarbeitete Fassung wurde im Januar beschlossen. »Die freiberuflich geführten Apotheken vor Ort werden wegen ihrer Expertise in Gesundheitsfragen, ihrer Unabhängigkeit, ihres niedrigschwelligen Zugangs und ihrer sozialen Funktion geschätzt und gebraucht. Dieser bewährte Vierklang soll fortwährend verstärkt und ausgebaut werden«, zitierte Schmitz aus dem Papier.

All dies sei bereits jetzt nicht mehr bloß graue Theorie, sondern für die Patienten beispielsweise als Grippeschutzimpfung in der Apotheke oder pharmazeutische Dienstleistungen konkret erlebbar. Jetzt gehe es darum, Letztere in der Praxis zu implementieren. Die ABDA leiste dabei gerne Unterstützung in Form von Informationsmaterialien, Videoclips und Fortbildungskonzepten. »Der größte Teil der Arbeit ist aber vor Ort zu leisten«, betonte Schmitz.

Dicke Bretter zu bohren, braucht Zeit

Dass die pharmazeutischen Dienstleistungen nun zur Regelversorgung zählen, wertet er als das Ergebnis jahrelanger Verbandsarbeit. Dieses Beispiel zeige, dass das »Bohren dicker Bretter« im Gesundheitswesen mitunter Zeit benötige, sich letztlich aber lohne. »Wir sollten es uns anders als die Krankenkassen auch in Zukunft leisten, eine langfristige Perspektive zu haben«, bemerkte der Hauptgeschäftsführer dazu.

Zeit lässt die Politik Interessensvertretungen wie der ABDA momentan allerdings wenig bis gar keine – ein Missstand, auf den Schmitz hinwies. Es sei in der Pandemie leider zur Routine geworden, dass für Stellungnahmen zu Gesetz- und Verordnungsentwürfen äußerst kurze Fristen gesetzt würden. In »dramatischen Krisenlagen« wie einer Pandemie sei das akzeptabel, im Regelbetrieb aber nicht.

»Die Verbändebeteiligung an Rechtssetzungsverfahren ist keine überflüssige Formalie, sondern wesentlicher Bestandteil eines demokratischen Verfahrens, das die unterschiedliche Betroffenheit der Interessengruppen offenlegt, bewertet und deren fachliche Expertise berücksichtigt«, erinnerte Schmitz. Man erwarte daher von den politischen Akteuren, wieder zu angemessen langen Fristen zurückzukehren.

E-Rezept muss rechtlich sicher sein

Das Motto »Egal wie, Hauptsache schnell« sei auch in einem weiteren Kontext inakzeptabel, nämlich beim Thema E-Rezept. Nach jahrelangen Überlegungen in den Fachkreisen, auf welchen Wegen der Transport der elektronischen Verordnung sicher und zuverlässig erfolgen könne, irritiere es schon sehr, wenn der zuständige Minister »mehr oder weniger aus dem Handgelenk SMS- und E-Mailverfahren zur Debatte stellt«.

Für die Apotheker habe es oberste Priorität, dass das E-Rezept in der Apotheke technisch reibungslos, rechtlich sicher und unter strikter Wahrung des Datenschutzes abgewickelt werden könne. Dies sei nun seit Beginn dieses Monats der Fall und die Technik in den Apotheken sei funktionsfähig. Um das zu ermöglichen sei sehr viel, nach außen nicht sichtbare Vorarbeit der Mitarbeiter der ADBA notwendig gewesen, für die Schmitz sich ausdrücklich bedankte.

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