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Erste Studie

Hilft Impfen gegen Long-Covid?

Generell wird eine Impfung auch Patienten empfohlen, die an Covid-19 erkrankt waren, wobei erst dann geimpft werden sollte, wenn die Impfstoffknappheit überwunden ist. Ob diese Empfehlung auch für Patienten gelten sollte, die unter »Langzeit-Covid-19« (Long Covid) leiden, ist umstritten. Eine Annäherung an diese wichtige Frage macht jetzt eine Studie, die als Preprint veröffentlicht wurde.
Theo Dingermann
22.03.2021  07:00 Uhr

Eine erhebliche Zahl Covid-19-Genesener klagt auch nach überstandener Krankheit über beeinträchtigende Symptome. Dieses Phänomen wird als Langzeit-Covid-19 oder auch Long Covid bezeichnet. Noch ist über dieses Phänomen sehr wenig bekannt. Beispielsweise fehlen zuverlässige Biomarker, die früh auf dieses Syndrom hindeuten.  Aber zurecht wird an dem Problem intensiv geforscht

Eine der vielen offenen Fragen bezieht sich darauf, ob sich Patienten mit Long Covid impfen lassen sollten oder nicht. Anekdotische Berichte deuten sowohl auf einen möglichen Nutzen als auch auf eine Verschlechterung der Symptome nach der Impfung hin.

Prospektive klinische Beobachtungsstudie

Wissenschaftler um Dr. David T. Arnold von der Academic Respiratory Unit, North Bristol NHS Trust in Bristol, haben sich mit diesen Fragen in einer prospektiven Beobachtungsstudie beschäftigt. Die Ergebnisse publizierte das Team in einer Veröffentlichung auf dem Preprint-Server »MedRxiv«.

Für die Studie wurden 66 Patienten, die wegen Covid-19 stationär behandelt worden waren, prospektiv rekrutiert. 44 der Patienten waren nach überstandener Krankheit entweder mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff oder mit dem Oxford/Astra-Zeneca-Impfstoff geimpft worden. Die Ergebnisse einer Befragung dieser Patienten nach drei und acht Monaten wurden verglichen mit den Ergebnissen einer gematchten Kontrollgruppe von 22 Patienten, die nicht geimpft worden waren.

Alle Probanden wurden einen Monat nach der Impfung (oder zum gleichen Zeitpunkt für die nicht geimpfte Kohorte) befragt. Dabei wurden die Lebensqualität (SF-36), das psychische Wohlbefinden (WEMWBS) und die anhaltenden Symptome bewertet. Die meisten Patienten zeigten nach acht Monaten schwere Symptome, die auf Long Covid hindeuteten (82 Prozent in beiden Gruppen hatten mindestens ein anhaltendes Symptom). Dabei dominierten Müdigkeit (61 Prozent), Atemnot (50 Prozent) und Schlaflosigkeit (38 Prozent).

Es wurde keine signifikante Verschlechterung der Lebensqualität oder des psychischen Wohlbefindens vor und nach der Impfung beobachtet. Fast zwei Drittel (n=27) berichteten über vorübergehende (<72 Stunden Dauer) systemischer Effekte durch die Impfung (einschließlich Fieber, Myalgie und Kopfschmerzen).

Verglich man die Geimpften mit der Gruppe der Nicht-Geimpften, berichteten diejenigen, die einen Impfstoff erhalten hatten, eine leichte Gesamtverbesserung der Long-Covid-Symptome, mit einer Reduktion der sich verschlimmernden Symptome (5,6 Prozent Geimpfte versus 14,2 Geimpfte Nicht-Geimpfte) und einer Zunahme der Symptomauflösung (23,2 Prozent Geimpfte versus 15,4 Prozent Nicht-Geimpfte) (p=0,035). Es wurde kein Unterschied im Ansprechen zwischen den Impfstoffen von Biontech/Pfizer oder Universität Oxford/Astra-Zeneca festgestellt.

Daraus schließen die Wissenschaftler, dass eine Impfung mit einem mRNA- oder adenoviralen Vektorimpfstoff nicht mit einer Verschlechterung der Long-Covid-Symptome, der Lebensqualität oder des psychischen Wohlbefindens einhergeht. Obwohl in die Studie zu wenige Probanden untersucht wurden, um sichere Schlussfolgerungen aus diesen Beobachtung zu ziehen, raten die Autoren Long-Covid-Patienten, sich impfen zu lassen, wie dies auch generell für Rekonvaleszente empfohlen wird. Die Studienergebnisse würfen neue Fragen zu den Ursachen von Long Covid auf, denen weiter nachgegangen werden sollte. 

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