Hilfe beim Reizdarmsyndrom |
Laura Rudolph |
14.03.2022 13:00 Uhr |
Zu den Leitsymptomen des Reizdarmsyndroms zählen Bauchkrämpfe, Blähungen, Verstopfung und/oder Durchfall. / Foto: GettyImages/skaman306
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie liegt ein Reizdarmsyndrom dann vor, wenn die Darmbeschwerden die Lebensqualität signifikant beeinträchtigen, länger als drei Monate anhalten und nicht auf für andere Krankheiten charakteristische organische Veränderungen zurückzuführen sind. Die unklare Genese erschwert die Suche nach einer passenden Therapie. Neben überempfindlichen Darmnerven, vorangegangenen Darminfektionen sowie Störungen der Darmmuskulatur gelten auch Ernährungsgewohnheiten, psychische Belastungen und Stress als mögliche Auslöser. Auf die Optimierung letzterer drei Aspekte fokussieren sich die nachfolgenden Gesundheits-Apps.
Die App »Cara Care« des Berliner Unternehmens HiDoc Technologies ist vorläufig ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen worden und kann daher auf Krankenkassenkosten ärztlich verordnet werden. Sie setzt bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms auf einen multimodalen Ansatz und bedient sich dabei der vier Hauptsäulen Wissensvermittlung, Ernährungstherapie, audiogeführte Hypnose und kognitive Verhaltenstherapie. Wichtig: Die Anwendung setzt eine ärztliche Diagnose des Reizdarmsyndroms beziehungsweise den Ausschluss von medikamentös behandlungsbedürftigen Differenzialdiagnosen voraus.
Die Mediziner Jesaja Brinkmann (links) und André Sommer gehören neben zwei Programmierern zum Gründungsteam des Berliner Start-ups HiDoc Technologies. / Foto: Cara Care
Cara Care ist für alle Betroffenen zwischen 18 und 70 Jahren geeignet; in der Schwangerschaft ist die Nutzung kontraindiziert. Nach Beantwortung eines medizinischen Fragebogens erstellt ein Algorithmus einen individuellen, nutzerspezifischen Behandlungsplan. Auf ihrer Website empfehlen die App-Entwickler eine tägliche Nutzung über mindestens zwölf Wochen.
Ursachen, Symptome, Diagnostik und Therapieoptionen: Zunächst können Betroffene ihr medizinisches Know-how in der Rubrik Basiswissen erweitern. Der Bereich Ernährungstherapie setzt vorwiegend auf die sogenannte Low-FODMAP-Diät. Bei dieser zeitlich begrenzten Diät verzichtet man weitestgehend auf FODMAP-reiche Lebensmittel. Die Abkürzung steht für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole – oder kurz gesagt vergärbare Kohlenhydrate. Diese stecken etwa in Brot, Nudeln oder Milchprodukten. Durch den Verzicht nehmen die Gasproduktion im Darm und die damit verbundene mechanische Reizung ab. Dies kann die Reizdarmbeschwerden nachweislich verbessern: In einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und der Charité Berlin, die den Einfluss der Low-FODMAP-Diät auf die Lebensqualität und Symptomschwere bei Reizdarmpatienten untersuchte, zeigte sich bei rund 78 Prozent der insgesamt 276 Probandinnen und Probanden eine signifikante Verbesserung (DOI: 10.1055/s-0039-1695463).
Cara Care liefert hierzu Tipps, Tricks und Rezepte unter Beachtung persönlicher Allergien und Unverträglichkeiten. In einem Ernährungs- und Symptomtagebuch können die Betroffenen Details zu ihren Mahlzeiten, ihrer Schlafqualität und ihrem Bewegungsmuster festhalten und damit ihre persönlichen Stressoren identifizieren.
Neben den physiologischen bedient sich die App auch psychologischer Maßnahmen. Audiogeführte, darmgerichtete Hypnosen zielen auf einen tiefen Entspannungszustand ab, der das Darmnervensystem beruhigen soll. Der Bereich »Gefühle und Verhalten« basiert dagegen auf der kognitiven Verhaltenstherapie mit dem Ziel, Zusammenhänge zwischen Körper und Geist zu verstehen. Die Betroffenen erlernen dabei Entspannungstechniken, Achtsamkeitsmethoden sowie Methoden der Stressbewältigung.
Wöchentlich werden neue Inhalte freigeschaltet, wobei alle vier Wochen eine Anpassung des Behandlungsplans und eine Fortschrittskontrolle durch Beantwortung eines kurzen Fragebogens erfolgen.
Versicherte, die ihrer Krankenkasse einen Nachweis über ihr Reizdarmsyndrom vorlegen, können die DiGA auch ohne ärztliche Verordnung erhalten. Für Selbstzahler fallen 718,20 Euro für eine 90-tägige Nutzung an.
Die App »Digo Health Tagebuch« des Siegener Unternehmens Medocs gibt es in der kostenlosen Version »digo Free«. Im persönlichen Gesundheitstagebuch können Betroffene täglich ihre Symptome, Ernährung und Medikamenteneinnahme dokumentieren. Wissensartikel informieren über die häufigsten Symptome, Therapien sowie aktuelle Erkenntnisse und liefern Tipps zum Umgang mit der Erkrankung. Mithilfe einer unabhängigen Experten-Datenbank lassen sich nahe gelegene Arztpraxen und Kliniken finden.
Die kostenpflichtige Version »digo PLUS« für 9,99 Euro pro Monat wertet zusätzlich das Tagebuch aus – der Krankheitsverlauf wird durch Diagramme leichter nachvollziehbar. Mittels einer Freigabefunktion können diese persönlichen Daten auch direkt beim nächsten Arztgespräch mit diesem besprochen werden. Zusätzlich gibt es einen Medikamenten-Wecker.
In der Serie »PZ App-Check« stellt die PZ digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) indikationsbezogen vor, ergänzt durch weitere aus Sicht der Redaktion empfehlenswerte Gesundheits-Apps. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und es erfolgt keine detaillierte Bewertung. Geachtet wird etwa auf die Seriosität der Anbieter, die Verfügbarkeit sowohl für Apple- als auch Android-Nutzer und die Verfügbarkeit der App in deutscher Sprache. Bisher erschienen die Beiträge »Wegweiser im App-Dschungel«, »Welche Apps helfen beim Abnehmen?«, »Tinnitus entstressen« und »Depressionen digital angehen«.