Gurgeln zur Prävention? |
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene empfiehlt eine Gurgeldauer von 30 Sekunden, besser noch von einer Minute anzustreben. / Foto: Adobe Stock/Goffkein
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rät einem Medienbericht zufolge, regelmäßig zu gurgeln, um sich vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene plädiert in ihrer Stellungnahme »Viruzides Gurgeln und viruzider Nasenspray« ebenfalls für diese einfachen Mittel zur Prävention.
Sollte das Apotheken-Team Kunden also Mundspülungen und Nasensprays zur Vorbeugung empfehlen? Ganz so leicht ist es nicht. Zwar leuchtet im ersten Moment ein, dass sich mit gründlichem Gurgeln Viren aus dem Mund- und Rachenraum entfernen lassen, doch gilt das nur für Erreger, die auf Zellen aufsitzen. Viren, die bereits in Zellen eingedrungen sind, harren geschützt in deren Innerem aus und können sich dort weiter vermehren.
Eine gewisse Wirksamkeit des präventiven Gurgelns scheint aber dennoch vorhanden zu sein. So greift die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene in ihrer Veröffentlichung zahlreiche Studien auf, die den viruziden Effekt unterschiedlicher Mundspülungen, etwa mit in Alkohol gelösten ätherischen Ölen, antiseptisch wirkenden Inhaltsstoffen wie PVP-Iod, Phenoxyethanol oder Octenidin sowie auch nur mit Kochsalz bestätigen.
Mit geringerer Wirksamkeit inaktivieren auch Grüner Tee, Granatapfel- und Aroniasaft SARS-CoV-2. Die Studien fanden allerdings in vitro statt, sie dienen also höchstens als Hinweis, nicht aber als Nachweis für einen Effekt im Menschen. Zudem ist fraglich, ob die Spülflüssigkeiten beim Gurgeln auch Viren im tiefen Nasen-Rachen-Raum erreichen. Sprays in Sprühfläschchen mit einem Mund-Rachen-Applikator könnten effektiver sein.
Um die Viruslast in der Nase zu senken, soll die Bevölkerung unkonservierte Nasensprays mit Kochsalz ohne Zusatz abschwellender Mittel wie Hysan®, Salinspray® oder Rinupret® anwenden. Noch besser wirksam seien Präparate mit Carragelose wie Algovir® Erkältungsspray.
Die Krankenhaushygieniker bringen für ihre Empfehlungen auch Wirksamkeitsbelege aus Anwendungsstudien an. Bei Patienten im präsymptomatischen Stadium von Covid-19 habe sich die virale Clearance sowohl durch 1-prozentige PVP-Iod-Lösung (DOI: 10.1183/13993003.00607-2020) als auch durch Ethanol mit ätherischen Ölen im Vergleich zu Leitungswasser signifikant erhöhen lassen (DOI: 10.1101/2020.09.07.20180448). In einer kleinen Fallstudie aus Spanien habe eine Lösung mit PVP-Iod die Viruslast bei Covid-19-Patienten ebenfalls senken können (DOI:10.1111/odi.13526). Die Autoren führen auch klinische Nachweise dafür an, dass Nasensprays und Mundspülungen im Menschen gegen andere Viren oder bei Erkältungen wirksam seien.
Außer offenen Fragen zur Effektivität ist zu beachten, dass häufiges Gurgeln mit alkoholischen oder antiseptischen Substanzen auch potenzielle Nebenwirkungen mit sich bringt und zum Beispiel die Schleimhautbarriere schädigen kann. Den Krankenhaushygienikern ist das Problem bewusst, sie schätzen das Risiko jedoch gegenüber den Vorteilen, die sie sich von den Anwendungen erhoffen, als vertretbar ein.
Wer die Empfehlungen umsetzen möchte, sollte noch wissen, dass Gurgeln unmittelbar vor einem PCR-Abstrich das Ergebnis verfälschen kann.
Insgesamt lässt sich sagen, dass sich durch Gurgeln die Viruslast vermutlich lediglich kurzfristig reduzieren lässt. Ob sich der Krankheitsverlauf oder die Ansteckungsgefahr beeinflussen lassen, erscheint noch nicht ausreichend geklärt. Darauf sollte das Apothekenteam hinweisen und davor warnen, sich und andere in Sicherheit zu wiegen, weil alle vor dem Beisammensein gegurgelt haben.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.