Gezielt gegen Multiresistenz |
Antibiotika sind bei zielgerichtetem Einsatz in vielen klinischen Situationen überlebenswichtig. Dies gilt besonders für Reserve-Antibiotika. / Foto: Adobe Stock/Tyler Olson
Antibiotika haben die Medizin des 20. Jahrhunderts revolutioniert. Heute, etwa 100 Jahre nach Entdeckung des Penicillins, stehen zahlreiche Wirkstoffe zur Behandlung von Infektionskrankheiten zur Verfügung. Damit tauchen neue Probleme auf: Je mehr antiinfektive Substanzen eingesetzt werden, desto mehr Resistenzen treten auf – regional und weltweit. Dies ist umso problematischer, da kaum noch neue Substanzen mit neuartigen Wirkmechanismen zugelassen werden.
Einerseits sind Antibiotika bei zielgerichtetem Einsatz überlebenswichtig in vielen klinischen Situationen, andererseits fördert ihre Verwendung die Resistenzbildung bei Bakterien. Die unkritische Anwendung, beispielsweise in Ländern ohne Verschreibungspflicht, der tonnenweise Einsatz in der Massentierhaltung sowie die Produktion in Ländern ohne Umweltauflagen verschärfen die Resistenzsituation. Dies ist nicht nur lokal, sondern global zu spüren.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat daher 2015 zu einem »Global Action Plan On Antimicrobial Resistance« aufgerufen. Die fünf Kernstrategien fordern unter anderem ein besseres Bewusstsein und Verständnis für die Resistenzbildung sowie eine Reduktion der Infektionsinzidenz. Nach WHO lassen sich die antiinfektiven Substanzen drei Gruppen zuordnen:
Die Reservesubstanzen sind in der Regel wirksam gegen multiresistente grampositive oder multiresistente gramnegative Erreger (Tabelle 1).
Gramfärbung | Erreger | Beispiele für problematische Keime |
---|---|---|
grampositiv | Staphylokokken | Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) |
grampositiv | Enterokokken | Vancomycin-, seltener Linezolid-resistenter Enterococcus faecium (VRE/LRE) |
gramnegativ | Enterobacteriales: Escherichia coli, Klebsiellen, Proteus, Citrobacter, Enterobacter, Serratia, Morganella und andere | Multiresistente gramnegative (MRGN) Keime: 3-MRGN: Resistenzen gegen drei Wirkstoffe aus den Indexantibiotikagruppen*, 4-MRGN: Resistenzen gegen vier Wirkstoffe aus den Indexantibiotikagruppen* |
gramnegativ | Nonfermenter: Pseudomonaden, Acinetobacter | Multiresistente gramnegative (MRGN) Keime: 3-MRGN: Resistenzen gegen drei Wirkstoffe aus den Indexantibiotikagruppen*, 4-MRGN: Resistenzen gegen vier Wirkstoffe aus den Indexantibiotikagruppen* |
Wie häufig sie tatsächlich eingesetzt werden, hängt stark von der lokalen Resistenzsituation ab, die auch innerhalb Deutschlands deutlich variieren kann. Oft bieten die neuen Cephalosporine in Kombination mit Betalactamase-Inhibitoren eine gut verträgliche Option gegen Problemkeime. Doch vielfach müssen die Ärzte bereits auf andere, weniger wirksame oder verträgliche Substanzen ausweichen.
Die parenteral applizierbaren Cephalosporine werden in Deutschland nach den Empfehlungen der Leitlinie »Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018« der Paul-Ehrlich-Gesellschaft in fünf Hauptgruppen (Generationen) eingeteilt (Tabelle 2).
Gruppe | Cephalosporine |
---|---|
1 | Cefazolin |
2 | Cefuroxim |
3a | Cefotaxim, Ceftriaxon |
3b | Ceftazidim (+/- Avibactam) |
3c | Ceftolozan/Tazobactam |
4 | Cefepim |
5 | Ceftarolin, Ceftobiprol |
Die Einteilung richtete sich ursprünglich nach der Markteinführung, wird mittlerweile aber durch das Wirkspekturm charakterisiert. Cephalosporine der ersten Generation (Beispiel Cefazolin) wirken vor allem im grampositiven Bereich. Mit der Weiterentwicklung (zweite bis fünfte Generation) wurde das Wirkspektrum in den gramnegativen Bereich erweitert.
Dabei beinhaltet die neue Gruppe 3c das neue Cephalosporin Ceftolozan, das mit dem bewährten Betalactamase-Inhibitor Tazobactam in Fixkombination seit 2015 zur Verfügung steht. Cefoxitin war bisher der einzige Vertreter der Gruppe 5. Da dieser Wirkstoff in Deutschland nicht mehr erhältlich ist, wurde die Gruppe 5 neu definiert und Ceftarolin und Ceftobiprol, zwei neue Cephalosporine mit MRSA-Aktivität, darin aufgenommen.
Die pharmakodynamischen Eigenschaften der Cephalosporine entsprechen denen der Penicilline. Sie wirken über die Hemmung der Zellwandsynthese. In der Pharmakokinetik stimmen sie weitgehend überein. Die meisten Cephalosporine werden überwiegend unverändert renal ausgeschieden. Die durchschnittliche Plasmahalbwertszeit bei nierengesunden Patienten liegt bei einer bis zwei Stunden. Cephalosporine verteilen sich extrazellulär wie die Penicilline mit einem kleinen Verteilungsvolumen. Ihre Verträglichkeit ist im Allgemeinen sehr gut. Allergische Reaktionen sind weniger häufig als bei Penicillinen. Kreuzallergien zu den Penicillinen sind selten.
Im Folgenden werden die neu entwickelten Cephalosporine (Ceftarolin, Ceftobiprol, Ceftolozan) sowie die Kombinationen aus bewährten Substanzen mit neuen Betalactamase-Inhibitoren wie Ceftazidim/Avibactam beschrieben.
Der wichtigste Mechanismus bei der Resistenzbildung gegen Betalactam-Antibiotika ist die Bildung von Betalactamasen. Breitspektrum-Betalactamasen (ESBL: Extended Spectrum Beta-Lactamases), die von Enterobakterien gebildet werden, haben sich weltweit massiv verbreitet. Aufgrund der sehr eingeschränkten Therapieoptionen gegen ESBL-Bildner gelten diese Keime weltweit als Gesundheitsrisiko. Das Wissen um die Einteilung der Beta-Lactamasen ist notwendig, um die neuen Kombinationen aus Betalactam-Antibiotika und Betalactamase-Inhibitoren zielgerichtet einsetzen zu können (Tabelle 3).
Klasse | Art | Beispiele |
---|---|---|
A | Serin-β-Lactamasen | verschiedene Penicillinasen und ESBL |
B | Metallo-β-Lactamasen | Carbapenemasen |
C | Serin-β-Lactamasen | Cephalosporinasen |
D | Serin-β-Lactamasen | weitere Penicillinasen |
Avibactam ist ein Vertreter einer neuen Klasse von Betalactamase-Inhibitoren. Diese sind potenter und hemmen ein breiteres Spektrum von Enzymen im Vergleich zu Tazobactam. Damit wird verhindert, dass das eigentlich wirksame Ceftazidim durch ein sehr breites Spektrum von Betalactamasen abgebaut und damit inaktiviert wird. Somit ist diese fixe Wirkstoffkombination gegen ein sehr breites Spektrum an hochresistenten Enterobakterien, zum Beispiel mit ESBL- oder Cephalosporinasen-bildenden Genen, wirksam. Auch die Aktivität gegenüber Ceftazidim-resistenten Pseudomonaden wird durch Avibactam deutlich gesteigert.
Zugelassen ist die Substanzkombination für komplizierte Harnwegsinfekte, nosokomiale (im Krankenhaus erworbene) Pneumonien einschließlich Beatmungspneumonie und bei schweren Infektionen mit aeroben gramnegativen Erregern mit begrenzten Behandlungsoptionen.
Erkranken künstlich beatmete Patienten an einer Lungenentzündung, sind häufig multiresistente Keime im Spiel. / Foto: Adobe Stock/Vasuta
Aus klinischer Sicht liegt die Hauptindikation in der Behandlung von Infektionen mit 4-MRGN-Enterobakterien (MRGN: multiresistent gramnegativ; Tabelle 1), gegen die ansonsten nur noch Substanzen mit schlechterer Wirksamkeit und/oder höherer Toxizität eingesetzt werden können. Die Verträglichkeit ist wie bei anderen Betalactam-Antibiotika sehr gut.
Die Kombination Ceftolozan/Tazobactam verfügt über eine hohe Aktivität auch gegen Ceftazidim- und Meropenem-resistente Pseudomonas-aeruginosa-Stämme sowie bei vielen ESBL-bildenden Enterobakterien. Sie zeigt aber keine Wirkung bei grampositiven Bakterien wie Staphylokokken oder Streptokokken und Anaerobiern (außer Bacteroides). Im Vergleich zu Ceftazidim/Avibactam hat Ceftolozan/Tazobactam keinerlei Aktivität gegen Carbapenemasen.
Die Zulassung umfasst die Behandlung komplizierter intraabdomineller Infektionen, der akuten Pyelonephritis und von komplizierten Harnwegsinfektionen. Zudem ist die Zulassung für die Behandlung nosokomialer Pneumonien mit höherer Dosierung von der europäischen Zulassungsbehörde EMA erteilt worden.
Haupteinsatzgebiet dieser Wirkstoffkombination sind Infektionen mit 4-MRGN-Pseudomonas-aeruginosa-Stämmen, gegen die ansonsten nur noch Aminoglykoside oder Colistin wirksam sind. Diese beiden Substanzklassen sind im Vergleich zu Betalactam-Antibiotika schlechter wirksam und führen deutlich häufiger zu schweren Nebenwirkungen.
Das Wirkspektrum von Ceftarolin entspricht dem der Gruppe 3a. Hinzu kommt eine sehr hohe Aktivität gegen Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA) sowie Penicillin- und Ceftriaxon-resistente Pneumokokken. Zugelassene Indikationen sind komplizierte Haut- und Weichgewebeinfektionen sowie die ambulant erworbene Pneumonie.
Ceftobiprol hat eine der Gruppe 4 vergleichbare Aktivität gegen gramnegative Erreger. Im grampositiven Bereich ist es hochwirksam gegen MRSA sowie Penicillin- und Ceftriaxon-resistente Pneumokokken, analog zu Ceftarolin. Im Gegensatz zu diesem ist Ceftobiprol auch bei Enterococcus faecalis in vitro aktiv; das bedeutet, dass die klassische Enterokokken-Lücke der Cephalosporine für diese Substanz nicht zutrifft.
Ceftobiprol sollte allenfalls bei Mischinfektionen in Betracht gezogen werden. Für schwere Infektionen mit E. faecalis kommt die Substanz aus derzeitiger Sicht nicht infrage, da die Hemmwirkung nur in vitro nachgewiesen ist. Ceftobiprol ist für die Behandlung von schweren Haut- und Weichgewebeinfektionen sowie nosokomialen Pneumonien (außer Beatmungspneumonie) zugelassen.
Foto: Adobe Stock/Meeintha
In der Notaufnahme wird ein 45-jähriger Patient mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand aufgenommen. In der Anamnese gibt er einen fieberhaften Infekt beginnend drei Tage vor Aufnahme an. Wegen zunehmender Dyspnoe und persistierend hohem Fieber wird er stationär aufgenommen.
Das Röntgenbild bestätigt eine ambulant erworbene Pneumonie. Nach der Abnahme von Blut- und Urinkulturen wird diese antibiotisch mit Ampicillin/Sulbactam in Kombination mit Clarithromycin anbehandelt. Eine Kombination, die die häufigsten typischen (Pneumokokken, Haemophilus) und atypischen (Legionellen, Mykoplasmen) Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie abdeckt. Im Labor zeigen sich stark erhöhte Entzündungsparameter sowie eine ausgeprägte Leukozytose. Trotz einer antibiotischen Therapie verbessert sich der Zustand des Patienten in den folgenden drei Tagen nicht. Im Röntgenbild finden sich zunehmende Infiltrate beidseits. Die Blutkulturen sind wie häufig bei der Pneumonie nicht bewachsen; der Urintest auf Legionellen fällt negativ aus.
Der hinzugezogene Infektiologe erhebt daraufhin eine Reiseanamnese und erfährt, dass der Patient vor Kurzem von einer Indienreise zurückgekehrt ist. Dort wurde er wegen einer Durchfallerkrankung kurzzeitig im Krankenhaus stationär behandelt. Er hat damit ein hohes Risiko, mit einem multiresistenten Erreger besiedelt zu sein. Dies muss in der antibiotischen Therapie berücksichtigt werden, die auf Ceftazidim/Avibactam eskaliert wird. In der Folge sinkt das Fieber schnell und die Entzündungsparameter fallen.
Die beiden Oxazolidinone Linezolid und Tedizolid gehören zu den »neueren« Wirkstoffen in der antiinfektiven Therapie und sind aktiv gegen grampositive Problemkeime. Die Oxazolidinone wirken über die Hemmung der bakteriellen Proteinbiosynthese weitestgehend bakteriostatisch.
Linezolid ist in Deutschland seit 2000 zugelassen zur Behandlung von nosokomialen und ambulant erworbenen Pneumonien sowie von komplizierten Haut- und Weichteilinfektionen. Im Gegensatz zu den meisten Betalactamen wirkt es ausschließlich bei grampositiven Erregern. Dafür sind Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA) und Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) in der Regel im Spektrum enthalten. Auch wenn die Zulassung relativ schmal ist, wird Linezolid in der Praxis häufig off-label bei zahlreichen weiteren Indikationen wie Spondylodiszitiden (Infektion der Bandscheiben) oder Prothesen-Infektionen eingesetzt, da nur wenige Behandlungsoptionen bei Nachweis von MRSA und VRE bestehen.
Im Gegensatz zu Penicillinen, Cephalosporinen und Carbapenemen hat Linezolid nach peroraler Gabe eine nahezu 100-prozentige Bioverfügbarkeit, was besonders bei langer Therapiedauer eine Weiterbehandlung im ambulanten Setting erlaubt. Die Verteilung in tiefere Kompartimente ist ausgeprägt. Die Halbwertszeit von etwa sechs Stunden erlaubt theoretisch eine zweimal tägliche Gabe. Die Ausscheidung ist nahezu unabhängig von der Nierenfunktion. Dies bedeutet zwar, dass die Dosis nicht an die eingeschränkte Nierenfunktion angepasst werden muss; aus aktuellen Arbeiten ist aber bekannt, dass der Abbau von Linezolid vor allem bei Intensivpatienten interindividuell extrem variabel sein kann. Dies kann problematisch sein, wenn bestimmte Zielwerte im Blut sicher erreicht werden sollen.
In-vitro-Untersuchung zur Empfindlichkeit von Bakterien gegen bestimmte Antibiotika / Foto: picture alliance/BSIP
Eine konzentrationsabhängige Knochenmarksdepression unter Linezolid beschränkt den Einsatz auf 28 Tage Therapiedauer. Zu beachten ist zudem sein Wechselwirkungspotenzial mit Antidepressiva über die Hemmung der Monoaminoxidase und damit eine Erhöhung der Serotonin-Konzentration. Fälle eines Serotonin-Syndroms bei Kombination mit weiteren Substanzen, die den Abbau des Neurotransmitters hemmen (wie SSRI oder andere MAO-Hemmer), sind beschrieben.
Seit 2015 ist mit Tedizolid ein weiteres Oxazolidinon bei Haut- und Weichteilinfektionen durch MRSA zugelassen. Seine Wirkpotenz gegen MRSA ist stärker als die von Linezolid. In Kombination mit einer längeren Halbwertszeit von etwa zwölf Stunden resultiert eine niedrigere Tagesdosis von 200 mg, die ebenfalls auch oral verabreicht werden kann.
Ebenso wie Linezolid und Tedizolid wirkt auch das zyklische Lipopeptid Daptomycin ausschließlich im grampositiven Bereich. Es umfasst das gleiche Spektrum wie die Oxazolidinone inklusive Corynebakterien und Bacillus spezies. Eine orale Gabe ist wegen fehlender Resorption aber nicht möglich.
Die Zulassung umfasst die Behandlung von komplizierten Haut- und Weichteilinfektionen, Endokarditis und Bakteriämie mit Staphylococcus aureus.
Die bakterizide Wirkung beruht auf der Bildung von Poren in der Zellmembran grampositiver Erreger. Durch den folgenden Kaliumausstrom verändert sich das Membranpotenzial. Die Bildung der Zellwand sowie von DNA, RNA und Proteinen wird verhindert.
Bereits in den 1980er-Jahren war Daptomycin in der klinischen Prüfung, wurde aber erst mehr als 25 Jahre später tatsächlich auf den Markt gebracht. Initial wurden Therapieversagen und vermehrte Nebenwirkungen bei zweimal täglicher Gabe beobachtet.
Mit der einmal täglichen intravenösen Applikation konnten diese Probleme in der aktuellen Zulassung umgangen werden.
Daptomycin ist unwirksam bei Pneumonien, da es durch den oberflächenaktiven Surfactant-Faktor (Surface active agent) in der Lunge inaktiviert wird. Da die Substanz über eine konzentrationsabhängige Abtötungscharakteristik verfügt, steigt ihre Wirksamkeit mit Steigerung der Einzeldosis. Wurden in den Zulassungsstudien noch 4 bis 6 mg/kg Körpergewicht (KG) untersucht, werden bei schweren Infektionen mittlerweile bis zu 10 bis 12 mg/kg KG verabreicht. Die Verträglichkeit bleibt dabei gut: Im Vordergrund stehen Nebenwirkungen an der Skelettmuskulatur mit Erhöhung der Kreatinin-Kinase (CK). CK-Kontrollen vor und während der Therapie sind deshalb erforderlich.
Die Halbwertszeit von acht bis neun Stunden erlaubt eine einmal tägliche Applikation. Die Ausscheidung erfolgt weitgehend unverändert renal. Daher ist bei eingeschränkter Nierenfunktion eine Verlängerung des Dosisintervalls auf 48 Stunden notwendig.
Foto: Adobe_Stock/Goffkein
Über die Notaufnahme wird ein 78-jähriger fiebriger Patient in schlechtem Allgemeinzustand mit seit Wochen anhaltenden Rückenschmerzen in die Klinik aufgenommen. Die Anamnese ergibt, dass drei Monate zuvor ein neurochirurgischer Eingriff stattgefunden hat. In routinemäßig Nasenabstrich wird eine Besiedelung mit MRSA gefunden.
Bei Verdacht auf Spondylodiszitis (Bandscheiben-Infektion) mit Risiko für MRSA wird auf Station die Therapie kalkuliert mit Vancomycin begonnen. Innerhalb der ersten Therapietage bessert sich die klinische Situation des Patienten, die Nierenretentionsparameter werden aber zunehmend schlechter. Außerdem wird der im Nasenabstrich detektierte MRSA auch in der Blutkultur gefunden. Die Bildgebung bestätigt die vermutete Spondylodiszitis. Somit ist eine antibiotische Therapie über mehrere Wochen bis Monate erforderlich.
In Rücksprache mit den Mikrobiologen wird die Therapie auf eine Kombination aus Daptomycin und Clindamycin umgestellt. Daptomycin wird entsprechend der aktuellen Nierenfunktion nur alle zwei Tage intravenös appliziert, Clindamycin wird peroral mit 600 mg alle acht Stunden verabreicht. Aufgrund des schlechten Allgemeinzustands des Patienten kann die Infektion nicht operativ saniert werden.
Die klinische Situation bessert sich unter Antibiotikagabe dennoch signifikant, sodass der Patient nach drei Wochen in die häusliche Versorgung entlassen werden kann. Damit die antibiotische Therapie zu Hause möglich ist, stellen die Ärzte die Medikation von Daptomycin auf das oral gut resorbierbare Linezolid um. Wichtig ist eine gute Adhärenz des Patienten, damit der problematische Keim wirklich eliminiert wird.
Fosfomycin ist der einzige Vertreter der Gruppe der Epoxid-Antibiotika. Wie die Betalactame greift es in die Zellwandsynthese der Bakterien ein und wirkt bakterizid. Seine Wirksamkeit umfasst den Bereich der grampositiven sowie der gramnegativen Keime. Im Spektrum inbegriffen können ESBL-Bildner, multiresistente gramnegative Bakterien sowie MRSA und Enterokokken sein.
Da Fosfomycin ein sehr kleines Molekül ist, ist seine Penetration in nahezu alle Kompartimente des Körpers inklusive Knochen und ZNS sehr gut. Dies macht die Substanz zu einer guten Option bei schweren Infektionen in tiefen Kompartimenten wie Osteomyelitis oder Meningitis. Sie eignet sich durch ihre Wirksamkeit auf Biofilme auch bei Infektionen von Prothesen.
Wegen seiner schlechten Bioverfügbarkeit wird Fosfomycin bei schweren Infektionen ausschließlich intravenös verabreicht (als Natrium-Salz). Es wird immer in Kombination, zum Beispiel mit einem Betalactam, infundiert, da in frühen Studien vermehrt Resistenzentwicklungen bei einer Fosfomycin-Monotherapie beschrieben wurden. Ob dies mit den aktuell zugelassenen hohen Dosierungen tatsächlich noch der Fall wäre, lässt sich nicht abschließend beurteilen.
Kritisch ist, dass die orale Applikation von Fosfomycin in Form seines besser resorbierbaren Esters als Erstlinientherapie bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen prämenopausaler Frauen in den Leitlinien zu finden ist. Ob dieser breite Einsatz bei per se wenig resistenten Darmkeimen die Resistenzentwicklung bei Problemkeimen aggraviert, bleibt abzuwarten.
Die Verträglichkeit von Fosfomycin ist gut. Hauptsächliches Problem bei der intravenösen Gabe ist der große Anteil an Natrium in der Infusion. Hypernatriämien und daraus folgende Hypokaliämien gehören zu den häufigsten Nebenwirkungen einer Therapie. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist eine Dosisreduktion erforderlich, da Fosfomycin überwiegend renal eliminiert wird.
Als Weiterentwicklung der Tetracycline kann das Glycylcyclin Tigecyclin gesehen werden. Mit seiner Wirkung auf die bakterielle Proteinsynthese wirkt es vorwiegend bakteriostatisch, allerdings mit einem breiten Spektrum grampositiver und -negativer Problemerreger.
Seine gute Penetration in tiefere Kompartimente, vor allem in die Galle und weitere Teile des Gastrointestinaltrakts, führt zu einer guten Wirksamkeit bei abdominellen Infektionen. Gleichzeitig sorgt die hohe biliäre Ausscheidung und Verteilung in tiefere Kompartimente für sehr niedrige Konzentrationen im Blut. Für die Behandlung von Blutstrominfektionen und von Pneumonien ist es damit nicht geeignet.
Zu den führenden Nebenwirkungen gehören gastrointestinale Probleme wie starke Übelkeit durch die hohen Konzentrationen, die über die Galle in den Darm ausgeschieden werden. Die Elimination und somit die Dosierung sind unabhängig von der Nierenfunktion der Patienten.
Nach der Einführung von Colistin als antiinfektive Substanz wurde der Wirkstoff lange Zeit vor allem in der Lokaltherapie (inhalativ oder topisch) angewendet. Das breite Wirkspektrum, vor allem gegen gramnegative Problemkeime, überwiegt das hohe Risiko für nephro- und neurotoxische Nebenwirkungen.
Mit zunehmendem Resistenzdruck auf die Erreger und der weltweiten Verbreitung von Multiresistenzen ist Colistin wieder in den Fokus geraten. Optimierte Dosierungsregime mit höheren Einzeldosen und längeren Dosierungsintervallen verbessern das Nebenwirkungsprofil. Potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen sind allerdings immer noch möglich.
Colistin ist keine Reinsubstanz, sondern ein Gemisch aus Polymyxinen, das in Form eines Prodrugs (Colistimethat) intravenös appliziert wird. Da als Wirkmechanismus eine Schädigung der äußeren Zellmembran vorliegt, können nur gramnegative Bakterien abgetötet werden.
Besonders bei Carbapenem-resistenten Nonfermentern, zum Beispiel Pseudomonaden, kommt Colistin zum Einsatz. Erste Resistenzen sind aber auch hier schon beschrieben. Bei schweren Infektionen erfolgt die Gabe des Polymyxin-Gemischs zwingend intravenös. Eine Anpassung der Dosierung an die Nierenfunktion ist notwendig.
Das Molekül Aztreonam hat zwar einen Betalactam-Ring, gehört durch das Fehlen des anschließenden Fünf- oder Sechsrings aber als einziger Vertreter zur Gruppe der Monobactame. Sein Wirkmechanismus entspricht dem der Betalactame. Allerdings wirkt es ausschließlich bakterizid auf gramnegative Keime.
Die Atemtherapie gehört zum Basisprogramm für Kinder mit Mukoviszidose. Bei Lungeninfektionen mit Pseudomonas-Beteiligung wird inhalatives Aztreonam eingesetzt. / Foto: Your Photo Today
In Deutschland steht es nur als inhalative Arzneiform zur Verfügung. Es wird zur Behandlung chronischer Lungenerkrankungen mit Pseudomonas-Beteiligung bei Patienten mit Mukoviszidose vernebelt.
Der Einsatz von Reserve-Antibiotika ist in vielen Kliniken Deutschlands mittlerweile zur Routine geworden. Wenn möglich, bilden die neuen Cephalosporine in Kombination mit neuen oder bewährten Betalactamase-Inhibitoren eine gut verträgliche Option für multiresistente Problemkeime. In vielen Fällen müssen Ärzte aber auf weniger gut wirksame oder weniger verträgliche Varianten ausweichen. Eine Entspannung dieser Situation ist zumindest in den kommenden Jahren nicht zu erwarten.
Dr. Michael Ebenhoch studierte Medizin an der Universität Ulm sowie der Kings College University of Lucknow und schloss 2004 die Facharztausbildung (Anästhesie und Intensivmedizin) am St.-Elisabeth-Krankenhaus in Ravensburg ab. Seit 2004 ist er an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau tätig, zunächst in der Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin, seit 2011 als Oberarzt im Zentrum für Intensivmedizin. Dr. Ebenhoch hat die Zusatzbezeichnung spezielle anästhesiologische Intensivmedizin erworben sowie die Weiterbildung zum Infektiologen und zum Krankenhaushygieniker abgeschlossen. Seit 2017 leitet er die Stabsstelle Hygiene, klinische Infektiologie und Mikrobiologie an der BGU.
Dr. Anka Röhr studierte Pharmazie in Würzburg und ist seit Juni 2011 als Apothekerin im Klinikum Heidenheim tätig. Sie hat die Weiterbildung zur Fachapothekerin für Klinische Pharmazie, Bereichsweiterbildung Infektiologie, absolviert und wurde mit einer Arbeit zur Dosierung von Antiinfektiva bei Patienten mit Nierenersatzverfahren promoviert. Dr. Röhr ist Delegierte der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Ihre Arbeitsschwerpunkte in der Klinikapotheke sind Therapeutisches Drug Monitoring und Arzneimittelinformation.