Gemeinsam alles geben |
Nach einem Kurs zum Führen eines Hundeschlittens wusste Klaus Schirmer, wie er seinen Führungsstil nennen kann: Die Freude der Huskys erinnerten den Apotheker an sein begeistertes Team. / Foto: Wolfgang Lehner
Wenn Klaus Schirmer heute über seiner ehemaligen Rolle als Chef spricht, nimmt er sich gern selbst auf die Schippe. Er sei ein »Vorturner« gewesen, erzählt er schmunzelnd. Ein typischer Vorgesetzter alter Schule, der alles selbst machen, jedes Papier absegnen will und der glaubt, ohne ihn gehe es nicht.
Es ist 2005, als Schirmer die Obere Apotheke in Villach/Österreich übernimmt. Das Team ist seit Jahren dasselbe, niemand stellt Schirmers Führungsstil infrage. Aber besonders glücklich wirken die Mitarbeiter nicht. 2013 kündigen innerhalb von acht Monaten neun PKA's. Eine Katastrophe für die Apotheke, die sich aber im Nachhinein als glückliche Fügung herausstellen soll. »In dieser Zeit war so viel zu tun, da hatte ich einfach keine Zeit mehr, überall draufzuschauen und meinen Segen zu geben«, erzählt Schirmer.
Es passiert, womit er nicht gerechnet hatte: Seine Mitarbeiter erledigen anfallende Aufgaben ohne ihn in vielen Fällen besser. »Ihre Wege waren eleganter, schneller, preiswerter – das war ein richtiger Kulturschock für mich«, erzählt der Apotheker. Er schaut daraufhin genauer hin, was einzelne Angestellte gut können – die alten wie die neuen, die er nach und nach einstellt. Und entdeckt, dass seine Apotheke viel besser läuft, wenn jeder genau das tut, was er am besten kann.
»Ich habe momentan eine PKA, die ist ein wahres Verkaufstalent, sie hat unter den Kunden regelrechte Fans«, schwärmt Schirmer. Statt darauf zu bestehen, dass sie auch andere PKA-Aufgaben erledigt, lässt er sie jeden Tag hinter den HV-Tisch, wo sie am glücklichsten ist. Ein anderer Mitarbeiter, der gut kopfrechnen kann, übernehme Gespräche mit Vertretern. Wer texten könne, schreibe Inserate, wer gut räumlich denken könne, gestalte das Schaufenster. »Dadurch, dass alle ihr Bestes geben und merken, dass die anderen sie dafür schätzen, sind meine Leute glücklich und liefern tolle Ergebnisse«, sagt Schirmer.
Deshalb läuft in seiner Apotheke inzwischen einiges ganz anders als in anderen Offizins. Regelmäßig nimmt die Obere Apotheke an Wettbewerben teil – für das schönste Schaufenster Österreichs etwa oder für den »Great Place to Work«. Und räumt einen Preis nach dem nächsten ab. »Hohe Ziele motivieren uns alle«, sagt Schirmer. Der Apotheker achtet schon bei Vorstellungsgesprächen darauf, ob ein Bewerber das Potenzial hat, für eine Sache zu brennen und Ehrgeiz zu entwickeln. In seiner Apotheke herrscht außerdem eine offene Fehlerkultur. Legendär sind auch die regelmäßigen gemeinsamen Feiern, über die noch lange geredet wird. Und wer glaubt, wo Ehrgeiz und hohe Ziele herrschten, bleibe die Menschlichkeit auf der Strecke, irrt sich: Besonders wichtig ist es Schirmer, Mitarbeiter in Krisen zu unterstützen und füreinander da zu sein. Freundschaftliche Unternehmenskultur nennt Schirmer das. »Einen Freund lasse ich in der Krise auch nicht hängen«.
Wichtig ist dem Apotheker auch, seinen Leuten nicht im Weg zu stehen, wenn sie eines Tages eigene Wege gehen. »Wer sehr gut ist, will wahrscheinlich irgendwann mehr, zum Beispiel studieren oder eine eigene Apotheke eröffnen. Das ist der ganz normale Lauf der Dinge«, sagt er. »Bis dahin investiere ich aber gerne in meine Leute, weil ich weiß, dass sie in ihrer Zeit bei mir wahnsinnig viel voranbringen«. Eine seiner Mitarbeiterinnen hatte etwa ein Talent dafür entwickelt, die Obere Apotheke fit für jeden Wettbewerb zu machen. Inzwischen leitet sie ihre eigene Werbeagentur.
»Ich bin heute viel lieber Chef als früher«, sagt Schirmer. Das Gefühl, gemeinsam alles für eine gute Sache zu tun, sei unvergleichlich. Vor einigen Jahren besuchte Schirmer in den Ferien einen Kurs zum Führen eines Hundeschlittens. »Als ich merkte, mit welcher Freude und Motivation die Hunde lospreschten, wie jeder das tat, was er gut kann, hat mich das an mein Team erinnert«, erzählt der Apotheker. Der Gedanke ließ ihn nicht mehr los und Schirmer schrieb ein Buch über seinen erfolgreichen Führungsstil. »Das Husky-Prinzip« heißt es und verkaufte sich schon mehr als 1000 Mal.
Regelmäßig tritt der Apotheker auf und gibt Kurse in guter Unternehmensführung. Auch bei der Expopharm Impuls wird Schirmer über das Husky-Prinzip sprechen und es den Teilnehmern anhand vieler Beispiele erläutern.