Fünf Impfstoffe, drei Prinzipien |
Christina Hohmann-Jeddi |
17.01.2022 18:00 Uhr |
Fünf Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 mit unterschiedlichen Prinzipien sind inzwischen in der EU zugelassen. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
»Sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, wird uns heute sehr leicht gemacht«, sagte Professor Dr. Theo Dingermann, Senior Editor der Pharmazeutischen Zeitung, beim Auftakt des digitalen Fortbildungskongresses Pharmacon@home, wo er einen Überblick über die Coronaimpfstoffe gab. Innerhalb von zwei Jahren nach Erstbeschreibung des Pandemieerregers SARS-CoV-2 wurden inzwischen fünf Impfstoffe gegen das Virus, die auf unterschiedlichen Technologien beruhen, in der Europäischen Union zur Zulassung gebracht. Die Präparate von Biontech/Pfizer und Moderna basieren auf mRNA, die Präparate von Astra-Zeneca und Janssen (Johnson & Johnson) auf viralen Vektoren und der jüngste Impfstoff von Novavax ist proteinbasiert.
Sowohl bei den mRNA- als auch bei den Vektorimpfstoffen handele es sich um genbasierte Impfstoffe, »ein völlig neuer Typ, den es vorher nicht gab«, berichtete der Pharmazeut. »Hier wird erstmals nicht das eigentliche Antigen, sondern die genetische Information für das Antigen verimpft.« Dieses wird dann im Körper des Geimpften gebildet. Durch die genbasierten Impfstoffe müsse das bekannte Schema, nach dem Impfstoffe in Lebend- und Totimpfstoffe eingeteilt werden, erweitert werden, sagte Dingermann.
Lebendimpfstoffe enthalten abgeschwächte (attenuierte) vermehrungsfähige Viren. Diese Vakzinen induzieren neben einer Antikörperantwort auch eine zelluläre Immunantwort, wobei spezifische CD4+- und CD8+-T-Zellen gebildet werden. Die T-Helferzell (CD4+)-Antwort, die bei ausreichender Immunität von allen Impfstofftypen ausgelöst wird, ist wichtig, um hochaffine und neutralisierende Antikörper (NAb) zu erhalten. Lebendimpfstoffe induzieren zusätzlich die Bildung zytotoxischer (CD8+)-T-Zellen. Diese attackieren Zellen, in denen sich das Virus vermehrt, wodurch der Schutzeffekt noch einmal deutlich gesteigert wird.
Professor Dr. Theo Dingermann / Foto: PZ/Alois Müller
»Prinzipiell werden CD8+-Zellen dann gebildet, wenn antigene Strukturen über einen MHC-I-Komplex präsentiert werden. Das ist immer dann der Fall, wenn das Antigen in einer Zelle synthetisiert wird, wie das bei Lebendimpfstoffen, aber auch bei den genbasierten Coronaimpfstoffen der Fall ist«, sagte Dingermann. Somit stellten genbasierte Impfstoffe eine Sonderform dar: Sie seien Totimpfstoffe, da sie keine vermehrungsfähigen Pathogene enthalten, aber mit Eigenschaften der Lebendimpfstoffe.
Bei dem neu hinzugekommenen proteinbasierten Impfstoff Nuvaxovid® von Novavax und bei dem kurz vor der Zulassung stehenden Ganzvirus-Impfstoff VLA2001 von Valneva verzichte man auf diese wichtige Komponente des Immunsystems, so Dingermann.
Wie wichtig die zytotoxischen T-Zellen sind, habe auch das Auftreten der neuen stark mutierten Virusvariante Omikron gezeigt. Diese entziehe sich durch viele Veränderungen im Spike-Protein der Antikörperantwort, sodass doppelt Geimpfte kaum neutralisierende Antikörper gegen diese Variante besäßen. Durch Boosterung lasse sich der NAb-Spiegel wieder anheben. Zudem bleibe die T-Zell-Immunität auch gegen Omikron erhalten.
Dennoch werde jetzt an angepassten Omikron-Impfstoffen gearbeitet, berichtete Dingermann. Sechs Impfstoff-Anpassungen und zwölf Neuentwicklungen gegen die Variante seien in der Entwicklung. Während bei Letzteren frühestens im September 2022 Zulassungen zu erwarten seien, funktionierten Anpassungen deutlich schneller. »Vielleicht können wir jetzt im Februar oder März schon mit einem angepassten Omikron-Impfstoff rechnen«, sagte Dingermann. Dann sei es vermutlich sinnvoll, dass sich alle Geimpften noch einmal impfen lassen – wahrscheinlich nach Prioritätskriterien wie zu Beginn der Impfkampagne. Bevor der Variantenimpfstoff nicht verfügbar sei, habe eine zweite Boosterung (vierte Impfdosis) aber keinen Sinn.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.