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Morbus Parkinson

Früherkennung mit Sprach-Assistenten?

Derzeit sind vielversprechende medikamentöse, zum Teil auch kausale Ansätze zur Therapie von Morbus Parkinson in der Entwicklung. Diese sollten möglichst früh im Krankheitsverlauf eingesetzt werden. Hoffnungen ruhen daher auf internetbasierten intelligenten Assistenten wie Alexa: Diese könnten die Parkinson-typischen Sprachfrequenzmodulationen schon früh anzeigen.
Christiane Berg
20.01.2022  08:00 Uhr

»Wir werden in wenigen Jahren krankheitsmodifizierende, also ursächliche Therapieoptionen für Morbus Parkinson zur Verfügung haben«, zeigte sich Professor Dr. Lars Timmermann, Marburg, in einem Statement der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) überzeugt. »Gleichzeitig wissen wir aus anderen Therapiestudien, dass Behandlungserfolge maßgeblich davon abhängen, wie früh im Krankheitsverlauf die Therapie eingesetzt wird. Idealerweise sollte bereits behandelt werden, bevor sich überhaupt erste typische Krankheitssymptome entwickeln«, machte der Leiter des Marburger Parkinson-Zentrums deutlich, das kürzlich mit dem »Center of Excellence Award 2022« der International Parkinson Foundation ausgezeichnet wurde.

Ablagerungen des Proteins α-Synuclein im Gehirn werden derzeit als wichtige Ursache der Parkinson-Erkrankung angesehen. REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (REM Sleep Behaviour Disorder, RBD) und Beeinträchtigungen der Geruchsfunktion werden als frühe prodromale Symptome einer α-Synucleinopathie diskutiert. Daher hat die Gruppe um Timmermann in Kooperation mit tschechischen Wissenschaftlern in einer Studie 30 Personen mit RBD und Riechstörungen, 17 mit RBD ohne Riechstörungen und 50 gesunde Probanden gezielten Sprechtests unterzogen. Die Ergebnisse wurden im November 2021 in der Zeitschrift »Movement Disorders« veröffentlicht.

Frühe Änderungen in der Sprache

Es habe sich gezeigt, dass lautliche Eigenschaften der Sprache wie Akzent, Intonation, Sprechgeschwindigkeit, Rhythmus und Sprechpausen (Prosodie) in der Hochrisikogruppe der Patienten mit RBD und Riechstörungen im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen signifikant eingeschränkt waren. Hat sich in dieser Gruppe die Dysprosodie im weiteren Verlauf verstärkt, so hätten die Patienten dann auch auffällige dopaminerge Neuronenverluste bei der Dopamin-Transporter-Szintigraphie (DaT-SPECT) gezeigt.

Dies deutet laut Timmermann darauf hin, dass eine Minderung der Prosodie bei Menschen mit RBD und Riechstörungen als frühes und sicheres Anzeichen für Morbus Parkinson gewertet und genutzt werden könne.

»Die Prosodie lässt sich heutzutage computergestützt einfach und schnell messen. Überspitzt gesagt: Theoretisch könnten dann Systeme wie Alexa oder Sprach-Apps auf dem Smartphone bei hohen Risikokonstellationen vorhersagen, ob die Betroffenen in den folgenden fünf bis sieben Jahren an Parkinson erkranken werden oder nicht«, so der Neurologe.

Weitere Untersuchungen müssten folgen. »Bestätigen sich die Ergebnisse, dann haben wir eine sichere und gleichzeitig kostengünstige Möglichkeit der Frühdiagnose, die einer präsymptomatischen Parkinson-Therapie den Weg ebnen kann. Zusammen mit der Zulassung krankheitsmodifizierender Therapien könnte das die lang ersehnte Trendwende in der Versorgung von Menschen mit Parkinson herbeiführen«, konstatiert Timmermann.

Aktuelle und künftige Therapien

Zu den Risikofaktoren für eine Parkinson-Erkrankung zählen neben Alter und Geschlecht genetische Prädispositionen. Genauer gesagt: Mutationen im Gen des lysosomalen Enzyms Glucocerebrosidase, die zur Protein-Aggregation, also Anreicherung und Zusammenballung von α-Synuclein im Gehirn beitragen. Der Verlust Dopamin-produzierender Nervenzellen aufgrund von Ablagerungen in der Substantia nigra kann infolge der Reduktion der Aktivierung der Basalganglien auf die Großhirnrinde zu Tremor, Rigor, Bradykinesie und »Freezing«, also eingefrorenen Bewegungen führen. Weitere Symptome sind Schwierigkeiten beim Sprechen und Schlucken sowie Gleichgewichts- und Schlafstörungen .

Zur Symptomkontrolle des idiopathischen Parkinson-Syndroms stehen leitliniengemäß unter anderem Levodopa als Basismedikament in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer, Dopaminagonisten, Anticholinergika, MAO-B-Hemmer wie Selegilin und Rasagilin, COMT-Inhibitoren wie Entacapon und Tolcapon sowie NMDA-Antagonisten wie Amantadin und Budipin zur Verfügung.

In Entwicklung sind zudem kausale Therapieoptionen, zum Beispiel α-Synuclein-Antikörper, von denen sich einige bereits in der zweiten und dritten Phase der klinischen Prüfung befinden. Darüber hinaus gibt es erfolgversprechende Daten kalifornischer Start-ups für sogenannte »small molecules«, die das Zusammenkleben krankhafter Proteinkugeln und Helices verhindern sollen. Auch RNA-basierte Therapieansätze werden erforscht, mit denen es gelingen kann, die pathogenen Proteinaggregationen zu unterbinden.

Von einer Parkinson-Erkrankung sind in Deutschland circa 250.000 bis 400.000 Menschen betroffen. Tendenz steigend – nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung. Zwischen 1990 und 2016 hat sich die weltweite Prävalenz der nach der Alzheimer-Demenz zweithäufigsten neurodegenerativen Erkrankung verdoppelt.

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