Folgen für die Wirkstoffresorption |
Wenn konventionelle Methoden nicht ausreichen, um extremes Körpergewicht zu senken, kommt eine bariatrische Operation infrage. / Foto: Adobe Stock/Creativa Images
Damit oral applizierte Arzneistoffe den systemischen Kreislauf erreichen, müssen sie aus ihrer Arzneiform freigesetzt werden. Unterschiedliche galenische Formulierungen wie Säfte, Tropfen, Retardformen, magensaftresistente Coatings oder Pelletformulierungen sorgen bei intaktem Magen-Darm-Trakt für die optimale Resorption der Inhaltsstoffe und schaffen damit die Voraussetzung für deren Wirkung.
Ist der Ort der Resorption aufgrund von Krankheiten oder operativen Eingriffen verändert, verkürzt oder nicht mehr vorhanden, kann dies die Aufnahmefähigkeit für Arzneistoffe erheblich beeinträchtigen. Selbst gut eingestellte Dauertherapien können beispielsweise nach bariatrischen Operationen oder der Anlage eines Kurzdarms aus dem Gleichgewicht geraten. Apotheker sollten die verschiedenen Aspekte von Resorptionsproblemen kennen, um Patienten und Ärzten Lösungsmöglichkeiten anbieten zu können.
Die Bioverfügbarkeit peroral applizierter Arzneistoffe wird im ersten Schritt durch deren Freisetzung aus der Arzneiform bestimmt. Dieser Prozess geschieht je nach Galenik innerhalb vorgegebener definierter Zeiträume und/oder in definierten Darmabschnitten. Vonseiten des Wirkstoffs wird die Aufnahme ins Blut durch dessen Löslichkeit, Ionisationsgrad, Molekülgröße und Stabilität bestimmt. Von Organseite hängt sie von der Transitzeit, dem pH-Wert, der Oberfläche, die zur Resorption zur Verfügung steht, und dem gastrointestinalen Blutfluss ab.
Änderungen der organischen Verhältnisse können die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen maßgeblich verändern. Allerdings lassen sich Ausmaß und Konsequenzen kaum theoretisch abschätzen. Daten zur Veränderung der Pharmakokinetik, zum Beispiel nach gastrointestinalen Resektionen oder durch infiltrativ wachsende Tumoren, liegen nur vereinzelt vor.
Der überwiegende Teil der Arzneistoffe wird im oberen Gastrointestinaltrakt durch passive Diffusion im Duodenum (Zwölffingerdarm) und im Jejunum (Leerdarm) resorbiert. Pili und Mikropili vergrößern die für die Resorption verfügbare Oberfläche. Der pH-Wert steigt vom Magen bis zum Duodenum sukzessive von 1 auf 8 an. Dies bietet für Substanzen mit unterschiedlichen pKa-Werten optimale Resorptionsbedingungen. Generell können schwache organische Säuren bereits im sauren pH-Bereich des Magens in ihrer ungeladenen Form gut resorbiert werden. Basische Substanzen werden besser im Dünndarm aufgenommen.
Die tieferen Dünndarmabschnitte im Ileum (Krummdarm) sowie der Dickdarm tragen in der Regel wenig zur Resorption von Arzneistoffen bei. Eine Ausnahme bilden vor allem retardierte Arzneiformen oder Substanzen, die durch aktive Transportmechanismen ins Blut aufgenommen werden.
Nur scheinbar banal: Peroralia können nur wirken, wenn sie eingenommen und dann auch resorbiert werden. / Foto: Adobe Stock/Edler von Rabenstein
Sind keine Daten zum Resorptionsort verfügbar, kann die Zeit bis zum Erreichen des maximalen Blutspiegels (tmax) als Surrogatparameter herangezogen werden. Wird die Maximalkonzentration bei schnell auflösenden Galeniken innerhalb von zwei bis drei Stunden erreicht, ist eine Resorption in den oberen Darmabschnitten wahrscheinlich. Längere Zeiten bis zum tmax deuten auf eine langsamere Resorption über weitere Teile des Magen-Darm-Trakts hin. Typisch für die Aufnahme über aktive Transporter ist die begrenzte Bioverfügbarkeit bei steigender Dosierung, zum Beispiel beim Antibiotikum Cefuroxim. Hier ist die Aufnahmekapazität unter anderem durch die Anzahl der Transporter limitiert.
Zum Teil kann die Bioverfügbarkeit durch gleichzeitige Aufnahme von Nahrung verbessert werden, denn infolge der verlängerten Transitzeit können insgesamt mehr Wirkstoffmoleküle an frei werdende Transporter andocken. Dieser Effekt ist beispielsweise bei Cefuroximaxetil bekannt und steigert die Bioverfügbarkeit von circa 30 auf 50 Prozent.
Seit den 1950er-Jahren werden Operationen zur Behandlung starker Adipositas-Formen eingesetzt. Die Zahl der Eingriffe steigt seit Beginn der 2000er-Jahre kontinuierlich an. Bei den aktuellen Operationstechniken wird der Magen-Darm-Trakt so verändert, dass Patienten dauerhaft an Gewicht verlieren. Dies geschieht durch restriktive (Verkleinerung der Magenkapazität) und malabsorptive (Verhinderung der Aufnahme von Kalorien) Techniken. Eine Kombination aus beiden Verfahren ist die effektivste Methode zur Gewichtsreduktion.
In Deutschland werden bariatrische Operationen nur an spezialisierten Zentren vorgenommen. Der häufigste Eingriff ist der sogenannte Magenbypass, zum Beispiel als Roux-en-Y-Gastric-Bypass, benannt nach dem Chirurgen Roux und dem Entstehen eines sehr schematischen Ypsilons. Dabei wird der Magen von der Speiseröhre abgetrennt, der Dünndarm wird im Jejunum (Leerdarm) durchtrennt und mit dem nach oben offenen Ende an die Speiseröhre genäht (Grafik). Der Magen mit dem Duodenum wird weiter unten erneut mit dem Jejunum verbunden. Ein kleines Reservoir des Magens, der Pouch, bildet die neue Sammelstelle für die Nahrung. Der abgetrennte größere Teil des Magens wird verschlossen und verbleibt frei im Bauchraum.
Grafik: Magenbypass-Operation nach der Roux-en-Y-Gastric-Technik; links physiologische Verhältnisse mit Angabe der Schnittführung, rechts die postoperative Situation / Foto: PZ/Stephan Spitzer
In der Folge kann der Patient nur noch kleine Portionen aufnehmen. Zudem ist die Resorptionsfläche für die Kalorienaufnahme deutlich kleiner. Magensaft und Verdauungssäfte aus dem Zwölffingerdarm können aber weiterhin nach unten abfließen. Nachgewiesen ist auch ein positiver Effekt auf den häufig bestehenden Diabetes. Eine Veränderung der Ausschüttung von Diabetes-hemmenden Darmhormonen (Inkretinen) trägt dazu bei.
Infolge der physiologischen Veränderungen – verringerte Nahrungsaufnahme und deutlich verkleinerte Resorptionsfläche – ist eine lebenslange Substitution mit Vitaminen und Spurenelementen notwendig. Je weiter unten der Dünndarm durchtrennt und an den Ösophagus angeschlossen wird, desto größer ist der malabsorptive Effekt. Damit steigt auch das Risiko für Mangelerscheinungen.
Die früher häufiger genutzte Technik der Einlage eines Magenbands wird zunehmend weniger eingesetzt. Der Effekt beruht ausschließlich auf der Nahrungsrestriktion und ist der Kombination aus Restriktion und Malabsorption unterlegen.
Bei der Nachsorge nach bariatrischen Eingriffen wird großes Augenmerk auf die veränderte Resorption von Nahrungsbestandteilen gelegt. Engmaschige Kontrollen zum Vitaminstatus und zur Substitution sind Standard. Weniger gut untersucht sind die Effekte auf die Pharmakokinetik von Arzneistoffen.
Durch die verschiedenen Operationstechniken und die daraus resultierenden Unterschiede in der verbleibenden Resorptionsfläche lassen sich Studienergebnisse nicht ohne Weiteres auf andere Methoden übertragen. Am besten ist die Datenlage zu den Folgen nach Roux-en-Y-Bypass.
Beispielsweise hat Metformin, eines der am häufigsten eingesetzten Antidiabetika, bereits bei intaktem Magen-Darm-Trakt aufgrund aktiver Transportmechanismen nur eine geringe Bioverfügbarkeit. Pharmakokinetische Untersuchungen zeigen aber, dass die Bioverfügbarkeit der Substanz entgegen der Vermutung nach Roux-en-Y-Bypass sogar ansteigt. Klinisch konnte allerdings kein relevanter Unterschied in der Wirkung festgestellt werden.
Wie erwartet sinkt der Metformin-Bedarf aufgrund der verbesserten metabolischen Situation im Lauf der Zeit, unabhängig von der individuell resorbierten Menge.
Besonders die Wirksamkeit von Arzneistoffen mit enger therapeutischer Breite muss nach bariatrischen Eingriffen kritisch eruiert werden. Das Risiko einer Blutung oder der Bildung von Thrombosen macht die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) zu einer kritischen Arzneistoffgruppe. Alle vier verfügbaren Substanzen (Dabigatran, Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban) werden primär im Magen und Zwölffingerdarm resorbiert. Dabigatran-Fertigarzneimittel enthalten zusätzlich Tartrat als Resorptionsvermittler zur Schaffung eines sauren Milieus für die Aufnahme. Welchen Effekt der Wegfall der zur Resorption genutzten Darmteile hat, ist bisher nicht untersucht. Da bei allen DOAK keine patientengesteuerten Kontrollen der Gerinnung routinemäßig zur Verfügung stehen, ist eine Umstellung auf Phenprocoumon (wenn möglich bereits präoperativ) zu bevorzugen.
Daten zu Phenprocoumon zeigen, dass der Substanzbedarf postoperativ sinkt, im Verlauf eines Jahres aber wieder auf den ursprünglichen Ausgangswert ansteigt. Veränderungen in der Aufnahme von Vitamin K durch die Nahrung könnten hier eine Rolle spielen.
Alternativ sind in der klinischen Nachsorge auch Serumspiegelbestimmungen (Therapeutisches Drug Monitoring, TDM) für die DOAK möglich. Diese sollten so lange regelmäßig erfolgen, bis sich die Resorption nicht mehr verändert. Dies kann einige Wochen bis Monate dauern. Die Dabigatran-Serumspiegel sind aufgrund der spezielleren Galenik eventuell stärker von den Veränderungen des Gastointestinaltrakts betroffen.
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Im Adipositaszentrum bekommt ein 43-jähriger Patient mit einem Körpergewicht von 180 kg (Body-Mass-Index 58 kg/m2) einen gastrointestinalen Bypass nach Roux-en-Y. Der minimalinvasive Eingriff verläuft komplikationslos, sodass der Patient am Tag nach der Operation bereits entlassen wird. Er nimmt aufgrund einer seit Jahren bestehenden Hypertonie Enalapril und Metoprololtartrat ein. Sein Insulin-pflichtiger Diabetes mellitus wird mit Metformin und einer intensivierten Insulintherapie behandelt.
Bei den ambulanten Nachsorgeterminen fallen immer wieder stark erhöhte Blutdruckwerte auf. Der Blutdruck war vor dem Eingriff adäquat eingestellt. Der betreuende Apotheker schlägt vor, die Medikation genauer zu überprüfen, und findet dabei mögliche Probleme: Metoprolol als Tartrat wird in Retardform verabreicht. Die Halbwertszeit des Wirkstoffs ist relativ kurz und erlaubt unretardiert keine einmal tägliche Gabe. Da ein großer Teil des oberen Dünndarms des Patienten durch die operative Umgehung nicht mehr für die Resorption zur Verfügung steht und die gastrointestinale Transitzeit stark verkürzt ist, ist eine vollständige Resorption des Wirkstoffs gefährdet. Der Apotheker schlägt vor, Metoprolol gegen Bisoprolol auszutauschen, da dieses eine wesentlich längere Halbwertszeit hat und damit unretardiert verabreicht wird.
Außerdem schlägt er den Austausch von Enalapril gegen Ramipril vor. Enalapril muss durch ein saures Milieu in seinen aktiven Metaboliten hydrolysiert werden. Dieser wird normalerweise im Dünndarm resorbiert. Durch die geringe Menge Magensäure im verbliebenen Magenstück ist die Aktivierung wahrscheinlich eingeschränkt. Ramipril braucht diesen Aktivierungsschritt nicht.
Nach entsprechender Anpassung der Arzneimitteltherapie normalisiert sich der Blutdruck des Patienten. Als positiver Nebeneffekt der Operation sinkt außerdem sein Insulinbedarf.
Eine engmaschige klinische Evaluation der Wirksamkeit jeglicher Dauertherapie ist nach bariatrischen Operationen notwendig. Wenn dafür keine klinischen Parameter zur Verfügung stehen, können Serumspiegelbestimmungen, im Idealfall vor und nach dem Eingriff, hilfreich sein. Ein TDM ist außerhalb von Kliniken allerdings eher die Ausnahme denn die Regel.
Alternative Applikationswege wie die subkutane oder transdermale Gabe sind bei extremer Adipositas ebenfalls problematisch. Sie können aber postoperativ nach der Reduktion des Körperfettanteils eventuell infrage kommen. Die rektale Applikation, zum Beispiel von Analgetika, bietet hingegen durchaus eine Alternative. Dies gilt auch für die Inhalation von Arzneistoffen.
Hinter dem Begriff Kurzdarmsyndrom verbirgt sich eine chirurgische Entfernung von Darmabschnitten, am häufigsten infolge von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. In der Regel bleibt der Magen als Nahrungsreservoir und zum Vorverdauen des Speisebreis erhalten. Selten liegt ein Kurzdarmsyndrom von Geburt an vor.
Je nach Ausmaß der Resektion (Entfernung) und dem entfernten Darmteil resultiert ein Symptomkomplex aus Malabsorption und Elektrolytverschiebungen.
Wird hauptsächlich der Dickdarm entfernt, hat dies weniger klinisch relevante Folgen als wenn große Teile des Dünndarms entfernt werden. Im Duodenum werden vor allem Eisen, Calcium und Magnesium resorbiert, im Jejunum Fette, Proteine, Kohlenhydrate, Vitamine und Mineralstoffe und im Ileum (Krummdarm als letzter Abschnitt des Dünndarms) Vitamin B12 und Gallensäuren, die die Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen erleichtern. Im Dickdarm werden vor allem Wasser und Natrium resorbiert.
Bei Patienten mit schweren chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen müssen mitunter Teile des Darms operativ entfernt werden. Es resultiert ein Kurzdarmsyndrom. / Foto: Adobe Stock/okrasiuk
Nach chirurgischer Entfernung einzelner Abschnitte können die verbleibenden Darmabschnitte die Funktion fehlender Bereiche im Lauf von bis zu zwei Jahren zum Teil ersetzen. So können im Dickdarm bis zu 20 Prozent der Nahrungskalorien resorbiert werden, wenn große Teile des Jejunums entfernt wurden. Die Resorptionsverhältnisse direkt nach der Operation können sich also durchaus von denen mehrere Wochen oder Monate danach unterscheiden. Als Folge eines Kurzdarmsyndroms kann es zu Problemen wie Nierensteinen, Elektrolytverschiebungen, Vitaminmangel, metabolischer Azidose oder bakterieller Überwucherung des Darms kommen.
Anders als bei bariatrischen Operationen, wo große Teile des Duodenums und Jejunums entfernt werden, das Ileum aber weitestgehend funktionell erhalten wird, kann beim Kurzdarmsyndrom auch das Ileum von der Resektion betroffen sein. Damit lassen sich die Resorptionsverhältnisse für einzelne Wirkstoffe noch schwieriger anhand von Studiendaten auf einzelne Patienten übertragen. Auch hier gilt, dass komplexe Galeniken und Wirkstoffe mit einer langen Resorptionszeit (tmax) besonders von einer fehlenden oder verminderten Resorption betroffen sein können.
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Bei einem 56-jährigen Morbus-Crohn-Patienten sind weite Teile des Dünndarms, primär das Jejunum und das Duodenum, von starken entzündlichen Veränderungen betroffen. Aufgrund nicht beherrschbarer Entzündungsschübe werden diese Darmabschnitte chirurgisch reseziert.
Bereits präoperativ nahm der Patient bei starken Schmerzen Oxycodon/Naloxon und bei Schmerzspitzen kurz wirksames Oxycodon ein. Bei der routinemäßigen Abnahme einer Stuhlprobe aufgrund von Durchfällen nach der Operation fällt ihm eine im Ganzen ausgeschiedene Tablette auf. Einige Tage später nehmen die vorher gut eingestellten Schmerzen deutlich zu.
Auf Anfrage des behandelnden Arztes erklärt die Apothekerin, dass es sich bei dem Präparat um eine Matrixtablette handelt, die immer am Stück ausgeschieden wird, was im Alltag aber in der Regel nicht auffällt. Das Auffinden im Stuhl lässt nicht auf eine fehlende Wirkung schließen. Allerdings ist durch die verzögerte Freisetzung über mehrere Stunden bei der verkürzten Darmpassage tatsächlich von einer verminderten Resorption auszugehen. Sie empfiehlt eine Umstellung der Opioid-Therapie auf eine transdermale Form. Damit lässt sich die Schmerzsituation verbessern. Zum Abfangen von Schmerzspitzen wird eine bereits gelöste orale Form von Morphin verordnet.
Untersuchungen zeigen zum Beispiel, dass Ciclosporin bei verminderter Aufnahme von Gallensäuren nicht mehr adäquat resorbiert wird. Normalerweise wird die Resorption des Wirkstoffs über die Aufnahme von Gallensäuren getriggert. Werden diese nicht mehr ausreichend resorbiert, sinken auch die Ciclosporin-Spiegel im Serum. Engmaschige Serumspiegelkontrollen und unmittelbare Dosissteigerungen sind hier wichtig, um eine Transplantatabstoßung zu verhindern.
Die Resorption von Nahrungsbestandteilen, aber auch von Arzneistoffen wird negativ beeinflusst, wenn die gastrointestinale Transitzeit sinkt. Durch gesteigerte Motilität des Magen-Darm-Trakts und vermehrte Bildung von Abbauprodukten aktivierter Laktobazillen kommt es nach gastrointestinalen Resektionen häufig zu Durchfällen. Dagegen können Loperamid und Opiumtinktur therapeutisch eingesetzt werden.
Bei mangelnder Resorption der Gallensäuren lässt sich Colestyramin addieren. Ferner können auch Säure reduzierende Wirkstoffe wie H2-Blocker oder Protonenpumpeninhibitoren günstig auf die erhöhte Stuhlfrequenz wirken. Octreotid, das mit dem körpereigenen Somatostatin verwandt ist, vermindert ebenfalls die Sekretion von Magen- und Dünndarmsäften und erhöht die Absorption von Wasser und Salzen.
Mit diesen pharmakologischen Maßnahmen kann die Verweildauer im Gastrointestinaltrakt so weit erhöht werden, dass auch die Resorption von Arzneistoffen positiv beeinflusst wird. Für Loperamid ist eine adäquate klinische Wirksamkeit trotz anatomischer Veränderungen des Magen-Darm-Trakts nachgewiesen.
Zusätzlich ist seit 2014 der Arzneistoff Teduglutid zur Behandlung des Kurzdarmsyndroms bei Erwachsenen zugelassen. Teduglutid ist ein GLP-2-Analogon und wirkt genauso wie das natürliche Hormon, nur mit längerer Halbwertszeit. Das natürliche Glucagon-like Peptid 2 (GLP-2) erhöht den intestinalen und portalen Blutfluss, hemmt die Magensäuresekretion und dämpft die Darmaktivität. Teduglutid fördert die Wiederherstellung der Darmschleimhaut, steigert die Kryptentiefe der Darmmukosa und verbessert damit die Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeiten aus dem Darm.
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Eine 76-jährige Patientin leidet an einem schnell wachsenden Pankreaskopfkarzinom, metastasiert ins Peritoneum. Die orale Nahrungsaufnahme ist nicht mehr möglich, da am Magenausgang eine inoperable Stenose vorliegt. Zum Ablaufen der Magensäfte wird eine Magenablaufsonde gelegt, die es ihr außerdem ermöglicht, Flüssigkeiten in kleinen Portionen zu trinken. Sie ist seit 23 Jahren stabil auf Haloperidol bei Schizophrenie eingestellt. Da sie Angst vor akuten psychotischen Schüben in der letzten Lebensphase hat, soll Haloperidol als Dauertherapie beibehalten werden.
Die mitbehandelnde Psychoonkologin fragt in der Klinikapotheke an, welche Optionen für die Weiterführung der Haloperidol-Therapie zur Verfügung stehen. Die Apothekerin schlägt nach einer Literaturrecherche die Umstellung auf die Depotform oder eine tägliche Subkutan-Infusion vor, da die Zeit bis zum Resorptionsmaximum für perorales Haloperidol mit bis zu sechs Stunden angegeben wird. Es ist daher unwahrscheinlich, dass das Antipsychotikum während der kurzen Verweildauer im Magen, selbst bei vorübergehendem Abklemmen der Sonde, adäquat resorbiert wird.
Da die Patientin weiter psychisch stabil ist, erfolgt zunächst eine Serumspiegelkontrolle von Haloperidol unter der oralen Gabe. Hier zeigt sich ein im Vergleich zu Vorwerten extrem niedriger Wert. Die Therapie wird auf das injizierbare Monatsdepot umgestellt, das wieder zu wirksamen Serumspiegeln führt.
Bei gastrointestinalen Tumoren kommt es im fortgeschrittenen Stadium häufig zu einem Funktionsverlust des Magen-Darm-Trakts. Gründe können ein mechanischer Verschluss durch den Tumor selbst oder von gastrointestinalen Nervensträngen und Blutgefäßen sein.
Befindet sich eine Stenose am Anfang des Dünndarms, ist der Weitertransport des Speisebreis und der Magensäfte nicht mehr möglich. Dann kann es im palliativen Setting sinnvoll sein, eine Abflussdrainage in Form einer Magenablaufsonde zu legen. Diese lässt die Magensäfte abfließen, erlaubt es den Patienten aber, Flüssigkeit und manchmal auch breiige Speisen aufzunehmen. Dies wirkt sich positiv auf die Lebensqualität aus, auch wenn eine Wasser- und Kalorienaufnahme damit nicht angestrebt wird. In geringem Maß können Arzneimittel auf diese Weise ebenfalls peroral appliziert werden, auch wenn die kurze Kontaktzeit mit der Magenschleimhaut in der Regel keine ausreichende Resorption ermöglicht. Wenn parenterale Applikationswege nicht zur Verfügung stehen, ist damit im Einzelfall die Fortführung einer Dauertherapie möglich.
Gerade in dieser Phase sind ein enges klinisches Monitoring, eine Nutzen-Risiko-Bewertung der Dauertherapie und die Einbeziehung pharmazeutischer Expertise wichtig, um individuelle Lösungen für die Patienten zu finden.
Die Evaluation der Arzneimitteltherapie bei Patienten mit Resorptionsproblemen verlangt hohe pharmazeutische Expertise. Studiendaten sind nur spärlich vorhanden und lassen sich häufig nicht auf die Situation eines individuellen Patienten übertragen. Ein engmaschiges klinisches Monitoring und eine intensive Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker sind hier besonders gewinnbringend für den Patienten.
Literatur bei der Verfasserin
Anka Röhr studierte Pharmazie in Würzburg und ist seit Juni 2011 als Apothekerin im Klinikum Heidenheim tätig. Sie hat die Weiterbildung zur Fachapothekerin für Klinische Pharmazie, Bereichsweiterbildung Infektiologie, absolviert und wurde mit einer Arbeit zur Dosierung von Antiinfektiva bei Patienten mit Nierenersatzverfahren promoviert. Dr. Röhr ist Delegierte der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Ihre Arbeitsschwerpunkte in der Klinikapotheke sind Therapeutisches Drug Monitoring und Arzneimittelinformation.