»Finanzielle Spielräume bei den Apotheken sehe ich nicht« |
Melanie Höhn |
26.09.2022 15:30 Uhr |
»Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, die Apotheken vor Ort zu stärken«, sagte die Brandenburger Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz Ursula Nonnemacher sprach beim Apothekerforum Brandenburg. / Foto: Mathias Braband-Trabandt
Als ein »Krisentreffen« bezeichnete der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes Olaf Behrendt das Apothekerforum Brandenburg bei seiner Eröffnungsrede: »Die Pandemie ist nicht zu Ende, die nächste Herausforderung ist Putins Angriffskrieg und uns steht sicher eine Energiekrise bevor. Außerdem müssen wir mit Inflation leben, möglicherweise kommen wir in eine Wirtschaftskrise, das ist alles noch nicht abzusehen«, sagte er. Berufspolitisch sei der Verband aktuell durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verärgert: »Für mich ist es ein Schlag ins Gesicht, auch für die Menschen, die dazu beigetragen haben, dass wir bislang einigermaßen gut durch die Pandemie gekommen sind«, so Behrendt weiter.
In diesem Zusammenhang betonte Ursula Nonnemacher, Brandenburgs Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz, dass sie die Pläne des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), an den Apotheken zu sparen, nicht unterstützt: »Eines ist klar: Finanzielle Spielräume bei den Apotheken sehe ich nicht«, erklärte sie. Dies habe sie in einer Stellungnahme dem BMG auch so mitgeteilt. Unter Federführung des Landes Brandenburg wurde in der Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundesrates am 31. August 2022 ein Antrag zur Streichung der Erhöhung des Apothekenabschlags eingereicht, der in den Ländern eine breite Unterstützung gefunden habe. Der Bundesrat sei diesem Vorschlag aus dem Gesundheitsausschuss auch gefolgt – jetzt sei es Aufgabe der Bundesregierung und des Bundestags, die Stellungnahme aufzugreifen und zu überdenken. Mit Sorge schaut sie auf die geplante Erhöhung des Apothekenabschlags: »Dies läuft den sonstigen Bestrebungen der Bundesregierung zur Stärkung der Apotheken diametral entgegen«, warnte die Ministerin.
Neben den finanziellen Herausforderungen für Apotheken sei auch die Gewinnung von Personal eine zunehmende Herausforderung. »Uns fehlt eine ganze junge Generation«, erklärte Nonnemacher. Als positives Beispiel für die Fachkräftegewinnung nannte sie das PTA-Ausbildungsstipendium in Eisenhüttenstadt. In Bezug auf ein Pharmaziestudium in Brandenburg gebe es noch keine neuen Hoffnungen und Erkenntnisse.
Aktuell ist die Anzahl der Apotheken in Brandenburg auf 563 gesunken. Mitnichten würden in den Offizinen nur Aufgaben wahrgenommen, die sich finanziell lohnen, so Nonnemacher. »Vielmehr nehmen sie insbesondere wichtige Gemeinwohlaufgaben wahr, wie etwa die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung über Nacht- und Notdienste oder die Anfertigung individuelle Arzneimittel-Rezepturen.« Beim Betreten einer Apotheke mit einem Rezept für ein dringend benötigtes Arzneimittel könne man sich durch die »unermüdliche Arbeit« sicher sein, dass das benötigte Medikament schnellstmöglich zur Anwendung kommen könne. Durch das System der mehrfach täglichen qualitätsgesicherten Auslieferung von Arzneimitteln durch den pharmazeutischen Großhandel sei – selbst wenn das Arzneimittel nicht in der Apotheke vorrätig sein sollte – eine Verfügbarkeit spätestens am nächsten Tag gewährleistet. »Insofern brauchen wir die Apotheken vor Ort«, bekräftigte Nonnemacher: »Sie sind durch Versandapotheken nicht ersetzbar.«
Der besondere Wert der flächendeckenden Apothekenstruktur habe sich insbesondere in der Pandemie gezeigt: Apothekerinnen und Apotheker hätten sich nie davor gedrückt, Verantwortung zu übernehmen und sich stets äußerst kurzfristig auf neue Aufgaben »mit Bravour« eingestellt. Auch Olaf Behrendt resümierte in diesem Zusammenhang, dass Apothekerinnen und Apotheker in Zeiten der Corona-Pandemie Unglaubliches geleistet hätten, »denn sie waren immer da«. Wenn der Pandemie etwas Positives abzuringen sei, »dann ist es für die Apotheken sicherlich, dass das System der Vor-Ort-Apotheken gestärkt daraus hervorgeht«, so Nonnemacher weiter. Während vor der Pandemie auf Bundesebene noch laut über eine zukünftige gesteigerte Rolle des Versandhandels bei der flächendeckenden Versorgung nachgedacht wurde, sei zwischenzeitlich unter anderem mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz zumindest eine kleine politische Rolle rückwärts vollzogen worden. Ein ganz wichtiges Signal sei dabei gewesen, dass Versandapotheken keine Rabatte auf rezeptpflichtige Arzneimittel gewähren dürfen und die Wettbewerbsgleichheit zwischen Versandapotheken und Vor-Ort-Apotheken zumindest in diesem Bereich wiederhergestellt wurde.
Generell sei die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln eine wachsende Herausforderung für das Land Brandenburg, doch aktuell sehe sie die Versorgung nicht gefährdet und es müsse darauf hingearbeitet werden, dass dies so bleibe. Dennoch warnte Nonnemacher vor der ungleichen Verteilung der Apotheken im Land: »Die Anzahl ist das eine, die Verteilung das andere«, sagte sie. Dass in einigen Regionen Brandenburgs die Menschen längere Fahrzeiten zur nächsten Apotheke hinnehmen müssen, davor warnte auch Susanne Dolfen, Leiterin Bereich Ambulante Versorgung der AOK Nordost und stellte klar: »Wir wollen Arzneimittelversorgung über Apotheken im Land Brandenburg sicherstellen«.
Beim Thema pharmazeutische Dienstleistungen ist Nonnemacher überzeugt, dass diese »zur Verbesserung der Sicherheit und Effektivität einer Arzneimitteltherapie beitragen« und hofft, »dass es zu einer schnellen und beiderseits zufriedenstellenden Lösung kommt.« Weiterhin betonte die Ministerin, dass sich die Gesellschaft trotz der aktuellen »Mehrfachkrisen« wie Corona-Pandemie, Angriffskrieg auf die Ukraine und explodierenden Energiepreisen »nicht in Panik reden sollte«, denn wir seien eine »starke, demokratische, resiliente Gesellschaft«, die ihre multiplen Probleme »peu à peu« lösen werde. »Wir brauchen die Apotheken vor Ort«, resümierte sie und es sei ein erklärtes Ziel der Landesregierung, in den ländlichen Regionen gleichwertige Lebensverhältnisse wie in den Städten zu schaffen. »Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, die Apotheken vor Ort zu stärken«.
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