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Gesetzesentwurf

FDP will Cannabis-Verordnung vereinfachen

Bei der Erstverschreibung von cannabishaltigen Arzneimitteln und Zubereitungen ist immer eine entsprechende Genehmigung der Krankenkasse erforderlich. Dies möchte die FDP-Fraktion im Bundestag mithilfe eines Gesetzentwurfs ändern. So soll es anstatt der verpflichtenden Genehmigung eine freiwilliges Verfahren geben. Ziel sei es, die Patientensicherheit zu erhöhen und für einen Abbau von Bürokratie bei Ärzten und Krankenkassen zu sorgen.
Charlotte Kurz
22.01.2021  16:00 Uhr

Die Verschreibung und damit der Bedarf von cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen ist in den vergangenen Monaten und Jahren seit 2017 kontinuierlich gestiegen. Zwischen der ersten Verordnung und der Abholung von cannabishaltigen Arzneimitteln in der Apotheke können jedoch einige Wochen vergehen. Hintergrund: Das Sozialgesetzbuch V (SGB V) regelt in § 31, dass die verschreibenden Ärzte bei einer Erstverordnung erst eine Genehmigung der jeweiligen Krankenkasse einholen müssen. Dort steht zwar, dass diese Genehmigung »nur in begründeten Ausnahmefällen« abzulehnen ist. Trotzdem handelt es sich bei dieser Regelung um eine Maßnahme, die in den Augen der FDP-Bundestagsfraktion für die Ärzte »einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand« darstellt. Zudem sei dadurch auch die Therapiehoheit der Ärzte angegriffen. Aus Patientensicht ist diese Wartezeit von »bis zu fünf Wochen« vor allem für schwerstkranke Menschen kaum zumutbar. Dies begründet die FDP in einem Gesetzesentwurf, der zeitnah in den Bundestag eingebracht werden soll.

Der Gesetzesentwurf, der der PZ vorliegt, soll diesen Missstand folgendermaßen lösen: Statt des jetzt geltenden verpflichtenden Genehmigungsverfahren soll ein freiwilliges Genehmigungsverfahren eingeführt werden. Der entsprechende Gesetzestext in § 31 Absatz 6 Satz 2 SGB V soll laut FDP-Vorschlag folgendermaßen lauten: »Vor der ersten Verordnung der Leistung für einen Versicherten kann der Vertragsarzt eine Genehmigung bei der Krankenkasse beantragen, die nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnen ist.« Bisher steht dort: »Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist.«

Damit soll die bestehende Regelung umgedreht werden. Anstatt der Pflicht, jede Erstverschreibung bei der Krankenkasse anzumelden, sollen Ärzte bei »offensichtlich genehmigungsfähigen Verordnungen« den Patienten einfach ein Rezept ausstellen können. Allerdings erklärt die FPD in ihrem Entwurf, dass ein »völliger Wegfall der Genehmigung« die Gefahr berge, »dass dem Arzt ein unbilliges Regressrisiko nach den §§ 106 – 106c SGB V auferlegt wird«. Damit ist gemeint, dass Ärzte dazu verpflichtet sind, wirtschaftlich zu handeln und auch unter Bezug dieses Aspekts verschiedene Therapiemöglichkeiten miteinander abwägen sollen. Somit können die Ärzte laut FDP-Gesetzesentwurf in »schwierig einzuschätzenden Fällen« mithilfe der Beantragung der Genehmigung sichergehen, dass sie keine Regresse zu befürchten haben.

Ziel: Abbau von Bürokratie und höhere Patientensicherheit

Dass die Kassen die Erstverordnung so streng überprüfen sollen, hat vermutlich vor allem einen Grund: Cannabinoidhaltige Arzneimittel und Zubereitungen sind teuer. Im Schnitt lag der Abgabepreis zwischen Januar und Juni 2020 pro Verordnung bei 476 Euro brutto. Cannabisblüten in unverändertem Zustand kosteten im gleichen Zeitraum weit mehr (641,98 Euro pro Verordnung). Patienten bezahlen dabei eine Zuzahlung von höchstens 10 Euro pro Verordnung, den Rest übernimmt die GKV. So steht es in einer Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Sabine Weiss des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf eine Anfrage der FDP, die der PZ vorliegt.

Der Gesetzesentwurf der liberalen Fraktion soll laut Begründung letztendlich zu weniger Bürokratie und einem verringertem Arbeitsaufwand bei den Ärzten führen. Die Therapiehoheit der Ärzte soll zudem gestärkt werden. Auch für die Patienten hätte das freiwillige Genehmigungsverfahren den Vorteil, dass mit der Therapie oftmals zügiger begonnen werden könne. Vor allem im Hinblick auf die oft schwerkranken Patienten wäre dies laut FDP von erheblichem Vorteil. Für die Krankenkassen hätte dieses Konzept weiter den Vorzug, dass sich der eigene Prüfungsaufwand reduzieren würde und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zudem entlastet werden könne.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Wieland Schinnenburg erklärte dazu: »Die derzeitige Rechtslage bei der Verordnung von medizinischem Cannabis ist unbefriedigend und trägt weder den wissenschaftlichen Erkenntnissen noch dem tatsächlichen Versorgungsbedarf ausreichend Rechnung. Häufig schwerstkranke Menschen müssen sich bei der Verordnung von medizinischem Cannabis auf Wartezeiten von bis zu fünf Wochen einstellen.« Es sei an der Zeit, »dass eine freiwillige Regressabsicherung an die Stelle verpflichtender Bürokratie tritt«, so Schinnenburg. Der Politiker ist studierter Zahnarzt, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags und Sprecher für Sucht- und Drogenpolitik der FDP-Fraktion.

Die FDP ist bekannt für ihre liberalen Positionen in der Drogen- und Suchtpolitik. Zudem hat sie in den vergangenen Jahren das Thema Cannabis für sich entdeckt. So forderte die Fraktion zuletzt beispielsweise die Öffnung des deutschen Cannabis-Anbaus für den Export. Auch eine Erhöhung des geplanten Anbaus von Cannabisblüten in Deutschland sollte laut der FDP ermöglicht werden.

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