Europas Apotheker wollen künftig noch mehr leisten |
Jennifer Evans |
15.05.2021 12:00 Uhr |
Regierungen lockerten Gesetze und Apotheken sind kreativ geworden: In Europa hat sich einiges bewegt, damit die Versorgung mit Arzneimitteln während der Pandemie sichergestellt bleibt. / Foto: Adobe Stock/wetzkaz
In der Coronavirus-Krise haben die Offizinen eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung und Versorgung von Gemeinden vor Ort gespielt. Das hebt die PGEU, ein Zusammenschluss der Apotheker auf EU- Ebene, in ihrem neuen Positionspapier hervor. Oft seien die Apotheken in Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte die einzigen Ansprechpartner in Gesundheitsfragen gewesen, die ihren Patienten Tag und Nacht mit Rat und Tat zur Seite gestanden hätten. In den meisten EU-Ländern seien die Apotheken inzwischen auch rund um Covid-19-Testungen oder -Impfungen eingebunden, heißt es.
Obwohl die stationären Apotheker in Europa dem Papier zufolge wohl zuletzt die »härteste Zeit ihres Berufslebens« durchleben mussten, wollen sie in Zukunft auf diese Erfahrungen aufbauen. Sie sind demnach bereit, künftig ihren Beitrag für Patienten und Gesundheitssysteme weiter auszubauen und dazu sowohl in Digitalisierung als auch in die Arbeit mit interdisziplinären Teams zu intensivieren. Auch bei der Erstversorgung zu helfen, Präventionsangebote umzusetzen sowie als Botschafter für einen gesunden Lebensstil zu fungieren, sehen die Vor-Ort-Apotheker als ihre zukünftigen Aufgaben an. Daher fordern die EU-Apotheker nun in ihrem gemeinsamen Papier »alle Regierungen dazu auf, ihre Gesundheitssysteme stärker, widerstandsfähiger und patientenorientierter zu gestalten« sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Berufsstand so anzupassen, dass die Apotheker künftig den »maximalsten Beitrag für die Patienten und Gesundheitssysteme leisten können«. Insgesamt vertritt der Zusammenschluss 400.000 Apotheker aus 32 europäischen Ländern mit einem Netzwerk aus 160.000 Offizinen.
Eine Auswahl von der Bandbreite an Bereichen, in denen die europäischen Apotheken seit Beginn der Pandemie aktiv waren, hat die PGEU als Argumentationsgrundlage in ihrem Papier aufgelistet. So unterstützen zum Beispiel die Kollegen in Belgien die Impfzentren bei der Organisation von Liefer- und Logistikketten für die Covid-19-Impfungen und beschriften die Präparate. In England dürfen inzwischen mehr als 400 Apotheken Corona-Impfungen durchführen, nachdem im März 2021 die Kriterien dafür noch einmal etwas gelockert worden waren. Über die zunächst hohen Anforderungen hatte die PZ ausführlich berichtet. Ein Honorar gibt es für die Apotheken auf Zypern, wenn sie Antigen-Schnelltests durchführen und die Ergebnisse anschließend an das Gesundheitsministerium weiterleiten. Wie beliebt die Offizinen als Anlaufstelle für die Tests sind, hat unter anderem Italien gezeigt. Dort haben die Apotheken PGEU-Angaben zufolge bislang zwei Drittel aller Antigentests im Land durchgeführt.
In Kroatien hatte es – wie in Deutschland auch – Lockerungen bei der Arzneimittelabgabe gegeben. Apotheker durften bald teurere Medikamente abgeben als der Erstattungsrahmen der Krankenversicherungen eigentlich vorsah. Für die Differenz ist in Kroatien der Staat aufgekommen. Bereits seit März 2020 dürfen Apotheker in Frankreich chronisch kranken Menschen Wiederholungrezepte ausstellen sowie Corona-Impfungen nicht nur verschreiben, sondern auch durchführen. Das geschieht bei Vektorimpfstoffen derzeit direkt in der Offizin, bei mRNA-Impfstoffen in einem Impfzentrum. In Griechenland fungieren Apotheken nun als Buchungszentren für Impftermine sowie die Pharmazeuten als Berater rund um Covid-19. Dazu hatten rund 8000 griechische Apotheker in den vergangenen Monaten ein Fortbildungsprogramm absolviert. Angesichts der Pandemie erlaubte die irische Regierung es den Pharmazeuten, Grippeschutzimpfungen auch außerhalb der Offizin also etwa in Schulen, Kirchen, Sporthallen oder Unternehmen durchzuführen. In den Niederlanden hat der Staat die Apotheker für den Impfstoff-Transport in Alten- und Pflegheime eingespannt.
Um Kontakte zu reduzieren, hatte Dänemark schließlich Drive-in Apotheken eingeführt. Und Österreich setzt auf kostenlose Tests. Seit März 2021 stehen dort jedem Einwohner fünf Antigen-Schnelltests-Sets pro Monat zu. Die spanischen Apotheken haben einen Fokus auf ihre soziale Funktion gelegt und sich im Kampf gegen die zunehmende häusliche Gewalt während der Lockdowns eingesetzt. Betroffene konnten in der Offizin Hilfe bekommen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.