Erleichterungen bei Arzneimittelversorgung in Sicht |
Ev Tebroke |
26.03.2020 17:58 Uhr |
Krisenmanagement: Bald dürften die Apotheken bei der Abgabe von Medikamenten flexibler reagieren können als derzeit. / Foto: dpa
Die Coronavirus-Pandemie ist auch eine extreme Bewährungsprobe für die öffentlichen Apotheken. Der Andrang in den Offizinen ist hoch, viele verunsicherte Patienten suchen Rat, fürchten um die Sicherstellung ihrer Arzneimitteltherapie. Zudem haben die Apotheken die Aufgabe, den bundesweiten Mangel an Desinfektionsmitteln durch Eigenherstellung zu beheben. Um im Krisenmodus schneller und unbürokratischer reagieren zu können, fordern die Apotheker Lockerungen des strengen Regelkorsetts bei der Arzneimittelversorgung. Diese dürften nun bald kommen, hieß es am Donnerstag bei der ABDA.
»Die letzten zwei Wochen waren hart, auf den Apotheken lastet ein extremer Druck«, unterstrich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt heute in einem Pressegespräch. Zuvor hatte der Gesamtvorstand der ABDA per Telefonkonferenz die aktuelle Situation diskutiert und einen Ausblick gegeben, wie es in den nächsten Wochen mit der Versorgung in den Apotheken weitergehen wird. Die wichtige Nachricht an die Bevölkerung vorab: »Die Arzneimittelversorgung ist nicht gefährdet«, versicherte der ABDA-Präsident.
Nichtsdestotrotz werden die Bedingungen für eine solche Zusage immer schwieriger, je weiter die Pandemie voranschreitet. Laut Schmidt geht es nun vor allem darum, auch unter solch erschwerten Bedingungen die Versorgung zu organisieren. Die Apotheker hatten dazu schon früh aus ihrer Sicht notwendige Maßnahmen etwa zur Lockerung der Abgaberegelungen bei Rabattarzneimitteln angeregt. Diese Empfehlungen scheint das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Schmidt zufolge bald auch per Verordnung regeln zu wollen. Das am Mittwoch vom Bundestag verabschiedete Gesetzespaket zur Bewältigung der Covid-19-Krise sieht im sogenannten Bevölkerungsschutzgesetz entsprechende Befugnisse des Gesetzgebers vor.
Im Zuge der aktuellen Covid-19-Krisensituation stehen derzeit drei Kernprobleme auf der Agenda der Standesvertretung: Zunächst geht es um die Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung vor dem Hintergrund eines akuten Personalmangels aufgrund möglicher Covid-19-Infektionen von Apothekenmitarbeitern. Hier habe das BMG die ABDA auf die gelockerten Regelungen des Robert-Koch-Instituts hingewiesen: Um die Schließung von versorgungsrelevanten medizinischen Einrichtungen, wie etwa auch Apotheken, zu verhindern, dürften demnach deren Mitarbeiter unter gewissen Umständen künftig auch im Falle einer Infektion weiterarbeiten – vorausgesetzt, sie sind symptomfrei und tragen entsprechende Schutzkleidung.
Was die Situation bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln betrifft, so seien die Ausgangsstoffe nun endlich besser verfügbar; das benötigte Ethanol kommt auf den Markt. Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) habe zudem heute mitgeteilt, die entsprechende Belieferung der Apotheken zeitnah sicherzustellen. »In den nächsten Tagen dürften wir lieferfähig sein«, so Schmidt.
Im dritten Punkt geht es um eine kurzfristige schnelle Vereinfachung der Versorgung. Hier dürfte es bald eine flächendeckende einheitliche Lockerung der Rabattvertrags-Regelungen geben. Auch geht es um flexiblere Handhabe hinsichtlich der Packungsgrößen. Ist ein Medikament in der verordneten Packungsgröße nicht vorrätig, sollen Apotheken auch andere Größen abgeben können beziehungsweise die verordnete Menge aus Großpackungen auseinzeln dürfen.
Was die Versorgung der Bevölkerung per Botendienst betrifft, so rechnet Schmidt damit, dass dieser in den nächsten Wochen verstärkt zum Einsatz kommen muss. Mittelfristig dürfte das BMG seine Strategie zum Umgang mit Covid-19 ändern und eher auf die strenge Abschottung von Risikopatienten setzen, so der ABDA-Präsident. Im Zuge dessen sei der Ausbau des Botendienstes durch apothekeneigenes Personal unerlässlich. Denkbar sei etwa eine Anordnung, dass künftig alle Risikopatienten verpflichtend per Botendienst beliefert werden müssen.
Auch hier setzt Schmidt auf eine einheitliche Lösung, insbesondere auch hinsichtlich der Vergütung. Derzeit zahlt etwa die AOK Baden-Württemberg für solche freiwillig von den Apotheken organisierte Dienste 2 Euro pro Fahrt. Die ABDA betont, dass eine flächendeckende Vergütung anders aussehen müsse.
Das Gesetzespaket, dem am Freitag auch der Bundesrat zustimmen muss, birgt das Potenzial, die angespannte Versorgungssituation in den Apotheken erheblich zu entschärfen. Es stellt die Weichen dafür, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die entsprechenden notwendigen Verordnungen überhaupt erlassen kann. Nun bleibt abzuwarten, wie die einzelnen konkreten Schritte dann aussehen werden. Die ABDA ist auf alle Fälle zuversichtlich. »Der Minister wird von den Ermächtigungen Gebrauch machen.«
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