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Omikron-Variante

Ergebnis einer Anpassung an den Menschen

Warum konnte sich die SARS-CoV-2-Variante Omikron Anfang 2022 weltweit gegenüber der bis dahin dominanten Variante Delta durchsetzen? Ein Forscherteam kann nun belegen: Es lag an der besseren Anpassung an den Menschen.
Theo Dingermann
11.05.2022  13:18 Uhr

Schweizer und deutsche Wissenschaftler um Dr. Tuba Barut vom Institut für Virologie und Immunologie der Universität Bern gehen in einer auf dem Preprint-Server »BioRxiv« publizierten Arbeit der Frage nach, ob die rasche Verdrängung von Delta durch Omikron auf eine erhöhte Fitness und eine bessere Übertragung zurückzuführen ist oder ob sie auf der Fähigkeit beruht, einem bereits gegen das Ursprungsvirus trainierten Immunsystem zu entkommen. Die Autoren berichten über die Ergebnisse ihrer Versuche mit einem Satz rekombinanter SARS-CoV-2-Klone, deren Vertreter sich ausschließlich im Spike-Gen unterscheiden. Alle anderen Bereiche des viralen Genoms stammen von dem ursprünglichen Wildtypvirus.

Mit diesen Klonen infizierten die Wissenschaftler zunächst gut differenzierte primäre menschliche Nasen- und Bronchialepithelzellkulturen, die als Surrogat für die oberen Atemwege dienten. Delta und das entsprechende Spike-Konstrukt replizierten ebenso wie die Omikron-Konstrukte in beiden Zelltypen mit ähnlicher Kinetik wie das Wildtyp-SARS-CoV-2. In Bronchialepithelzellkulturen, die als Surrogat für die unteren Atemwege des Menschen verwendet wurden, war dagegen die Dominanz von Omikron und dem Spike-Konstrukt gegenüber Delta reduziert. Und auch in Zellen eines distalen Lungenexplantats erwies sich SARS-CoV-2S-Delta gegenüber SARS-CoV-2S-Omikron als dominant.

Ein ähnliches Resultat erhielten die Wissenschaftler, wenn sie nicht immunisierte Mäuse, die einen humanen ACE2-Rezeptor (hACE2) exprimieren, mit Omikron oder Delta infizierten. Unter diesen Bedingungen schnitten die Omikron-Variante und das entsprechende Spike-Konstrukt hinsichtlich der Replikationsfähigkeit schlechter ab als die Delta-Varianten. Dies änderte sich jedoch, wenn die beiden Varianten hinsichtlich ihres Verhaltens in vivo in immunisierten Tieren getestet wurden. Hier belegen die die Daten, dass das Auftreten von Omikron eine radikale Änderung gegenüber der bis dahin zunehmenden Optimierung der Fitness markiert, die bei den älteren Varianten beobachtet wurde. Vor allem zeigten sich deutliche Hinweise auf eine effiziente Immunevasion in Mäusen, die einen hACE2 exprimieren und die mit einem mRNA-Impfstoff geimpften waren.

Überrascht waren die Wissenschaftler davon, dass sich die Omikron-Variante in Frettchen, einem ansonsten gut etablierten Tiermodell, nicht produktiv replizieren ließ. In nicht immunisierten syrischen Hamstern wurde Omikron zudem von Delta verdrängt. Beides zusammen ergibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Evolution hin zu Omikron eine klare Anpassung dieser Variante an den Menschen ist. Dies macht es unwahrscheinlich, dass sich die Omikron-Variante in einem tierischen Reservoir entwickelt hat.

So deuten alle Ergebnisse der Studie darauf hin, dass die durch das Spike-Gen vermittelte Immunevasion ein wichtiger Faktor ist, der letztlich zur Omikron-Dominanz geführt hat.

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