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Standardimpfungen

Eltern halten sich nicht an Impfkalender

»Entscheidende Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind in allen Altersbereichen zu niedrig.« So kommentiert der RKI-Chef die neuesten umfassenden Auswertungen der Impfzahlen. Außerdem werde zu spät geimpft.
Daniela Hüttemann
30.07.2020  16:10 Uhr

Jedes Jahr präsentiert das Robert-Koch-Institut (RKI) die bei den Schuleingangsuntersuchungen ermittelten Impfquoten des Vor(vor)jahres. Erstmals hat die Behörde die Ergebnisse mit den Abrechnungsdaten der niedergelassenen Ärzteschaft gemeinsam ausgewertet – und ist überhaupt nicht zufrieden. 

»Die Ergebnisse zeigen, dass immer noch wichtige Impfziele verfehlt werden«, sagt RKI-Präsident Professor Dr. Lothar Wieler in einer Pressemitteilung seines Instituts. Zudem würden Impfserien zu oft später begonnen, als von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen, und nicht zeitgerecht abgeschlossen. »Dadurch bleiben Kinder unnötig lange ungeschützt und es werden wichtige internationale Impfziele zur Ausrottung von Polio oder Masern verfehlt«, kritisiert das RKI. Die detaillierten Ergebnisse sind heute im »Epidemiologischen Bulletin« online veröffentlicht worden.

Der größte Teil der Kinder- und Jugend-Impfungen finde bei den Kinderärzten statt. Die Praxen dokumentieren die Immunisierung im Impfpass, der bei der Schuleingangsuntersuchung vorgelegt werden muss. Die Gesundheitsämter werten anschließend die Impfdaten aus und melden sie ans RKI. Ob die Impfungen zeitgerecht erfolgt sind, wird dabei jedoch nicht erfasst. Hier sollen die Abrechnungsdaten der Kassenärzte Auskunft geben. Dabei wurden zum Teil auch die Daten für jüngere Geburtsjahrgänge miteinbezogen.

Diese verknüpfte Auswertung der Schuleingangsuntersuchungen 2018 (Geburtsjahrgänge 2010 bis 2013) mit den Abrechnungsdaten bis einschließlich 2019 zeigen große regionale Unterschiede bei den Impfquoten. So hatten in Baden-Württemberg nur 75,6 Prozent der 15-Monate-alten Kinder wie empfohlen die erste Masernimpfung erhalten (Bundesdurchschnitt: 83,5 Prozent). Dort hatten nur 61,9 Prozent im Alter von 24 Monaten die Masern-Grundimmunisierung abgeschlossen (Bundesdurchschnitt: 69,9 Prozent), dabei sollten zu dem Zeitpunkt bereits alle Kinder zweimal geimpft sein. Bei den Schuleingangsuntersuchungen konnten 93,1 Prozent aller Kinder in Deutschland die entsprechenden zwei Stempel im Impfausweis vorzeigen. Baden-Württemberg bleibt Schlusslicht mit 89,8 Prozent – und verfehlt damit deutlich die angestrebte Impfquote von 95 Prozent.

»Lokal niedrige Impfquoten können für Ausbruchsgeschehen verantwortlich sein, sobald ein hochansteckender Erreger wie beispielsweise das Masernvirus in solche Regionen importiert wird«, betont das RKI.

Ganz langsam geht es aufwärts – aber nicht bei allen Impfungen

Generell zeige sich in den Auswertungen zum Impfstatus bei Schuleingang ein leichter Rückgang der Impfquoten bei den Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten in den vergangenen Jahren. Bei der Impfung gegen Poliomyelitis und Haemophilus influenzae Typ b konnte zumindest der Rückgang gestoppt werden.

Es gibt aber auch ein paar Aufwärtstrends: Die Impfquoten der Hepatitis-B-Impfung seien erstmals wieder leicht angestiegen. Ebenso stiegen die Impfquoten bei den zuletzt eingeführten Impfungen wie Meningokokken C, Pneumokokken oder Windpocken im Verlauf der vergangenen zehn Jahr.

»Die 15-jährigen Mädchen sind immer besser gegen Humane Papillomaviren (HPV) geimpft«, ist eine weitere gute Nachricht. Im Geburtsjahrgang 2003 haben mittlerweile 43 Prozent die vollständige Grundimmunisierung erhalten, mit 18 Jahren (Geburtsjahrgang 2000) waren es knapp mehr als die Hälfte der jungen Frauen (51,1 Prozent). Der Anstieg gehe vermutlich vor allem darauf zurück, dass die STIKO im Jahr 2014 das empfohlene Impfalter gesenkt hatte, damit die Kinder besser über Routinevorsorgeuntersuchungen erreicht werden können sowie die Möglichkeit eines reduzierten Impfschemas.

Wie stark die HPV-Impfung von Jungen genutzt wird, für die die HPV-Impfung seit 2018 empfohlen ist, soll im nächsten Bericht im Sommer 2021 genauer untersucht werden. Derzeit haben nur 1,3 Prozent der 18-jährigen Männer (Geburtsjahrgang 2000) eine HPV-Grundimmunisierung.

Last but not least ist bei der Masernimpfung ist ein leichter Anstieg über die vergangenen Jahre zu verzeichnen, auch wenn die Impfziele immer noch verfehlt werden. »Zum 6. Geburtstag waren rund 35.000 Kinder in Deutschland gänzlich ohne Masernimpfung«, konstatiert das RKI. Die Auswirkungen des im März dieses Jahres eingeführten Masernschutzgesetzes sollen in den zukünftigen Berichten untersucht werden.

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